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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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tellae herrührenden Rechte, so wie die Zehenden und sonstigen Naturalleistungen
vom Augenblicke an für aufgehoben erklärt werden. Statt dessen wurde
über den Antrag der Commission mit Patent vom I I. April verfügt, "daß die
Naturalleistungen vom 1. Januar 1849 an umgewandelt werden sollen; für
das laufende Jahr aber solle es dem Unterthan freistehen, sie in n-lui'a zu geben
oder dafür der Herrschaft eine Geldentschädigung zu leisten, über deren Betrag,
wenn sich Herrschaft und Unterthan uicht einigen konnten, die Kreisämter von Fall
zu Fall zu entscheiden hätten." Abgesehen davon, daß man unter anderer Form
fortbestehen lassen will, was aufgehoben werden muß, fragen wir, wie mit den
gegenwärtig zu Gebot stehenden Mitteln eine solche Maßregel ausgeführt wer¬
den soll? --

Es ist nicht zu verkennen, daß die Lage vieler Gutsbesitzer, besonders der
verschuldeten, oder derjenigen, die ihr Vermögen uicht nach dem wahren Ertrag
ihrer Herrschaften, sondern nach den hohen Preisen berechneten, die in der letzten
Zeit dafür bezahlt wurden, gegenwärtig eine traurige ist. Es ist nicht zu verken¬
nen, daß eine Maßregel, wie die sogleiche Aufhebung aller Urbarialrechte und
Zehendbezüge, manchen Gutsbesitzer und manchen geistlichen Pfründner fast all sei¬
ner Einkünfte beraubt hätte, daß sie den Gutsbesitzer mit seinem Gläubiger und
mit den Verpflichtungen, die ihm im öffentlichen Interesse obliegen, in mannig¬
fache Kollisionen zu bringen geeignet gewesen wäre, und daß sich die Wirkun¬
gen derselben in allen Klassen der Bevölkerung momentan fühlbar gemacht hätten.
Wir fragen aber -- und unsere Ansicht ward von manchem Gutsbesitzer getheilt --:
ob ihre Lage und jene ihrer Gläubiger um eine bessere geworden ist? -- Wir
gehören nicht zu denjenigen, die da wünschen, daß das Patent vom 11. April
bei dem Landvolk keinen Gehorsam finde; wir weisen aber darauf hin, was im
benachbarten Ungarn geschehen und unserem Bauer schon lange kein Geheimniß
mehr ist; mit welcher Schnelligkeit er von den Ereignissen dasjenige aufgefaßt,
wovon er Verbesserung seiner Zustände erwartet; wir weisen hin auf die Robot¬
verweigerungen, die bereits eingetreten sind oder sicherlich dort eingetreten wären,
wo man Robot begehrt hätte; wir weisen hin auf die Austritte, welche in einigen
Gegenden bei Verkündigung obigen Patentes Statt fanden, und wir fragen nun:
welche Renten haben die Gutsbesitzer für dieses Jahr zu hoffe"? welchen Nutzen
gewährt ihnen nun die halbe Maßregel, die nur sie hervorgerufen haben")?

Am ersten Reichstage werden die von deu Provinzialständen vorbereiteten
Ablösungsgesetze in Verhandlung zu nehmen sein. Möchten die Gutsbesitzer, wenn



*) E6 ist nicht zu zweifeln, daß einige Gutsbesitzer einen Theil ihrer Gefälle erhalten
werden; allein die Aufgabe der Commission war eine Verfügung von allgemeiner Ausführ¬
barkeit zu treffen; sie war eine höhere, nämlich- zur Pacisicarion des Landes beizutragen
und hätte sie nicht eben deshalb vorerst auf die Gefahr aufmerksam sein sollen, welche der
öffentlichen Ordnung gerade von solchen Gutsbesitzern droht, die ihre Zeit nicht erkennen ?

tellae herrührenden Rechte, so wie die Zehenden und sonstigen Naturalleistungen
vom Augenblicke an für aufgehoben erklärt werden. Statt dessen wurde
über den Antrag der Commission mit Patent vom I I. April verfügt, „daß die
Naturalleistungen vom 1. Januar 1849 an umgewandelt werden sollen; für
das laufende Jahr aber solle es dem Unterthan freistehen, sie in n-lui'a zu geben
oder dafür der Herrschaft eine Geldentschädigung zu leisten, über deren Betrag,
wenn sich Herrschaft und Unterthan uicht einigen konnten, die Kreisämter von Fall
zu Fall zu entscheiden hätten." Abgesehen davon, daß man unter anderer Form
fortbestehen lassen will, was aufgehoben werden muß, fragen wir, wie mit den
gegenwärtig zu Gebot stehenden Mitteln eine solche Maßregel ausgeführt wer¬
den soll? —

Es ist nicht zu verkennen, daß die Lage vieler Gutsbesitzer, besonders der
verschuldeten, oder derjenigen, die ihr Vermögen uicht nach dem wahren Ertrag
ihrer Herrschaften, sondern nach den hohen Preisen berechneten, die in der letzten
Zeit dafür bezahlt wurden, gegenwärtig eine traurige ist. Es ist nicht zu verken¬
nen, daß eine Maßregel, wie die sogleiche Aufhebung aller Urbarialrechte und
Zehendbezüge, manchen Gutsbesitzer und manchen geistlichen Pfründner fast all sei¬
ner Einkünfte beraubt hätte, daß sie den Gutsbesitzer mit seinem Gläubiger und
mit den Verpflichtungen, die ihm im öffentlichen Interesse obliegen, in mannig¬
fache Kollisionen zu bringen geeignet gewesen wäre, und daß sich die Wirkun¬
gen derselben in allen Klassen der Bevölkerung momentan fühlbar gemacht hätten.
Wir fragen aber — und unsere Ansicht ward von manchem Gutsbesitzer getheilt —:
ob ihre Lage und jene ihrer Gläubiger um eine bessere geworden ist? — Wir
gehören nicht zu denjenigen, die da wünschen, daß das Patent vom 11. April
bei dem Landvolk keinen Gehorsam finde; wir weisen aber darauf hin, was im
benachbarten Ungarn geschehen und unserem Bauer schon lange kein Geheimniß
mehr ist; mit welcher Schnelligkeit er von den Ereignissen dasjenige aufgefaßt,
wovon er Verbesserung seiner Zustände erwartet; wir weisen hin auf die Robot¬
verweigerungen, die bereits eingetreten sind oder sicherlich dort eingetreten wären,
wo man Robot begehrt hätte; wir weisen hin auf die Austritte, welche in einigen
Gegenden bei Verkündigung obigen Patentes Statt fanden, und wir fragen nun:
welche Renten haben die Gutsbesitzer für dieses Jahr zu hoffe»? welchen Nutzen
gewährt ihnen nun die halbe Maßregel, die nur sie hervorgerufen haben")?

Am ersten Reichstage werden die von deu Provinzialständen vorbereiteten
Ablösungsgesetze in Verhandlung zu nehmen sein. Möchten die Gutsbesitzer, wenn



*) E6 ist nicht zu zweifeln, daß einige Gutsbesitzer einen Theil ihrer Gefälle erhalten
werden; allein die Aufgabe der Commission war eine Verfügung von allgemeiner Ausführ¬
barkeit zu treffen; sie war eine höhere, nämlich- zur Pacisicarion des Landes beizutragen
und hätte sie nicht eben deshalb vorerst auf die Gefahr aufmerksam sein sollen, welche der
öffentlichen Ordnung gerade von solchen Gutsbesitzern droht, die ihre Zeit nicht erkennen ?
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[0346] tellae herrührenden Rechte, so wie die Zehenden und sonstigen Naturalleistungen vom Augenblicke an für aufgehoben erklärt werden. Statt dessen wurde über den Antrag der Commission mit Patent vom I I. April verfügt, „daß die Naturalleistungen vom 1. Januar 1849 an umgewandelt werden sollen; für das laufende Jahr aber solle es dem Unterthan freistehen, sie in n-lui'a zu geben oder dafür der Herrschaft eine Geldentschädigung zu leisten, über deren Betrag, wenn sich Herrschaft und Unterthan uicht einigen konnten, die Kreisämter von Fall zu Fall zu entscheiden hätten." Abgesehen davon, daß man unter anderer Form fortbestehen lassen will, was aufgehoben werden muß, fragen wir, wie mit den gegenwärtig zu Gebot stehenden Mitteln eine solche Maßregel ausgeführt wer¬ den soll? — Es ist nicht zu verkennen, daß die Lage vieler Gutsbesitzer, besonders der verschuldeten, oder derjenigen, die ihr Vermögen uicht nach dem wahren Ertrag ihrer Herrschaften, sondern nach den hohen Preisen berechneten, die in der letzten Zeit dafür bezahlt wurden, gegenwärtig eine traurige ist. Es ist nicht zu verken¬ nen, daß eine Maßregel, wie die sogleiche Aufhebung aller Urbarialrechte und Zehendbezüge, manchen Gutsbesitzer und manchen geistlichen Pfründner fast all sei¬ ner Einkünfte beraubt hätte, daß sie den Gutsbesitzer mit seinem Gläubiger und mit den Verpflichtungen, die ihm im öffentlichen Interesse obliegen, in mannig¬ fache Kollisionen zu bringen geeignet gewesen wäre, und daß sich die Wirkun¬ gen derselben in allen Klassen der Bevölkerung momentan fühlbar gemacht hätten. Wir fragen aber — und unsere Ansicht ward von manchem Gutsbesitzer getheilt —: ob ihre Lage und jene ihrer Gläubiger um eine bessere geworden ist? — Wir gehören nicht zu denjenigen, die da wünschen, daß das Patent vom 11. April bei dem Landvolk keinen Gehorsam finde; wir weisen aber darauf hin, was im benachbarten Ungarn geschehen und unserem Bauer schon lange kein Geheimniß mehr ist; mit welcher Schnelligkeit er von den Ereignissen dasjenige aufgefaßt, wovon er Verbesserung seiner Zustände erwartet; wir weisen hin auf die Robot¬ verweigerungen, die bereits eingetreten sind oder sicherlich dort eingetreten wären, wo man Robot begehrt hätte; wir weisen hin auf die Austritte, welche in einigen Gegenden bei Verkündigung obigen Patentes Statt fanden, und wir fragen nun: welche Renten haben die Gutsbesitzer für dieses Jahr zu hoffe»? welchen Nutzen gewährt ihnen nun die halbe Maßregel, die nur sie hervorgerufen haben")? Am ersten Reichstage werden die von deu Provinzialständen vorbereiteten Ablösungsgesetze in Verhandlung zu nehmen sein. Möchten die Gutsbesitzer, wenn *) E6 ist nicht zu zweifeln, daß einige Gutsbesitzer einen Theil ihrer Gefälle erhalten werden; allein die Aufgabe der Commission war eine Verfügung von allgemeiner Ausführ¬ barkeit zu treffen; sie war eine höhere, nämlich- zur Pacisicarion des Landes beizutragen und hätte sie nicht eben deshalb vorerst auf die Gefahr aufmerksam sein sollen, welche der öffentlichen Ordnung gerade von solchen Gutsbesitzern droht, die ihre Zeit nicht erkennen ?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/346>, abgerufen am 26.06.2024.