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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Gutsbesitzer und Bauern in der Steiermark.

Erinnerungen ein Joseph it. -- Der Unterthan des Unterthan". -- Die Gütcrpreisc und die GütermMer. --
Die Commission zur Regelung der Uroarialcinnahmcn. -- Patent vom Is, April. -- Das Beispiel Un¬
garn" und seine Folgen. -- Nothwendigkeit eines billigen AolösungSg-setze". -- Patriarchalische Tendenzen
und schlaue Taktik der nichtadcligen Gutsbesitzer. '

Von den vielen Reformen, womit Kaiser Joseph Oestreich groß, einig und
glücklich zu machen suchte, waren wenige von so andauernder Wirkung, als die
auf Hebung des Bauernstandes berechnet waren. Wer weiß ihm nicht Dank für
die Aufhebung der Leibeigenschaft und all' jener Beschränkungen, wodurch der
Landmann an die Scholle gebunden war. Wären seine Nachfolger auf dem Pfade
fortgewandelt, den er angebahnt hatte, schon längst würde kein östreichischer Bauer
mehr Unterthan eines Unterthans sein. Denn alle seine Verordnungen athmeten
diesen Gedanken und kein Vorwurf, deu mau diesem königlichen Märtyrer der
Humanität macht, ist so ungerecht, als der, er habe muthwillig und unbedacht an
den Rechten der Herrschaften gerüttelt. Seine Reformen bereiteten den Bauer
vor, seine Freiheit zu wünschen; sie sollten es ihm möglich machen, sie auf ruhi¬
gem Wege zu erringen. Und der Herr, er sollte zur Einsicht kommen, daß ein
Verhältniß, dessen Rechtstitel auf der Gewaltherrschaft des Mittelalters beruhen
und dessen Fortbestand mit jedem einzelnen Fortschritt der Volksbildung mehr in
Frage kam, aufgegeben werden müsse. Wenn daher die Bande, welche den Unter¬
than an den Herrn knüpfen, immer lockerer wurden und bei dem ersten günstigen
Anlaß zu zerfallen drohten, wenn nun durch gewaltsames Zerreißen manches Privat¬
unrecht geschieht, so trifft die Schuld wahrlich nicht ihn, der eine Forderung der
Gerechtigkeit auf unschmerzliche Art erfüllt sehen wollte, sondern jene, welche diese
Forderungen nicht erkannten oder nicht erkennen wollten; jene, die auf halbem
Wege inne hielten, die zu feig oder eigennützig waren, ein Gebände langsam
abzutragen, dessen Grundvesten die Zeit beschädigte und das nun in seinem Sturze
die begräbt, die es erhalten zu können glaubten.

Der Eigennutz macht die Menschen blind, und.wie sollte der auch viel er¬
wägen, der seinen Blick nnr auf eins gerichtet hat, auf seinen -- Vortheil. Die
Preise der Güter stiegen in deu letzten fünfzehn Jahren in dem Maße, als das
Mißtrauen in die Finanzverwaltung zunahm; manch ansehnliches Vermögen ward
durch glücklichen Kauf und Verkauf erworben und dies zog eine eigene Klasse von
Menschen groß, welche redlich dazu beitrug, deu Rum der herrschaftlichen Rechte


Gutsbesitzer und Bauern in der Steiermark.

Erinnerungen ein Joseph it. — Der Unterthan des Unterthan«. — Die Gütcrpreisc und die GütermMer. —
Die Commission zur Regelung der Uroarialcinnahmcn. — Patent vom Is, April. — Das Beispiel Un¬
garn« und seine Folgen. — Nothwendigkeit eines billigen AolösungSg-setze«. — Patriarchalische Tendenzen
und schlaue Taktik der nichtadcligen Gutsbesitzer. '

Von den vielen Reformen, womit Kaiser Joseph Oestreich groß, einig und
glücklich zu machen suchte, waren wenige von so andauernder Wirkung, als die
auf Hebung des Bauernstandes berechnet waren. Wer weiß ihm nicht Dank für
die Aufhebung der Leibeigenschaft und all' jener Beschränkungen, wodurch der
Landmann an die Scholle gebunden war. Wären seine Nachfolger auf dem Pfade
fortgewandelt, den er angebahnt hatte, schon längst würde kein östreichischer Bauer
mehr Unterthan eines Unterthans sein. Denn alle seine Verordnungen athmeten
diesen Gedanken und kein Vorwurf, deu mau diesem königlichen Märtyrer der
Humanität macht, ist so ungerecht, als der, er habe muthwillig und unbedacht an
den Rechten der Herrschaften gerüttelt. Seine Reformen bereiteten den Bauer
vor, seine Freiheit zu wünschen; sie sollten es ihm möglich machen, sie auf ruhi¬
gem Wege zu erringen. Und der Herr, er sollte zur Einsicht kommen, daß ein
Verhältniß, dessen Rechtstitel auf der Gewaltherrschaft des Mittelalters beruhen
und dessen Fortbestand mit jedem einzelnen Fortschritt der Volksbildung mehr in
Frage kam, aufgegeben werden müsse. Wenn daher die Bande, welche den Unter¬
than an den Herrn knüpfen, immer lockerer wurden und bei dem ersten günstigen
Anlaß zu zerfallen drohten, wenn nun durch gewaltsames Zerreißen manches Privat¬
unrecht geschieht, so trifft die Schuld wahrlich nicht ihn, der eine Forderung der
Gerechtigkeit auf unschmerzliche Art erfüllt sehen wollte, sondern jene, welche diese
Forderungen nicht erkannten oder nicht erkennen wollten; jene, die auf halbem
Wege inne hielten, die zu feig oder eigennützig waren, ein Gebände langsam
abzutragen, dessen Grundvesten die Zeit beschädigte und das nun in seinem Sturze
die begräbt, die es erhalten zu können glaubten.

Der Eigennutz macht die Menschen blind, und.wie sollte der auch viel er¬
wägen, der seinen Blick nnr auf eins gerichtet hat, auf seinen — Vortheil. Die
Preise der Güter stiegen in deu letzten fünfzehn Jahren in dem Maße, als das
Mißtrauen in die Finanzverwaltung zunahm; manch ansehnliches Vermögen ward
durch glücklichen Kauf und Verkauf erworben und dies zog eine eigene Klasse von
Menschen groß, welche redlich dazu beitrug, deu Rum der herrschaftlichen Rechte


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[0344] Gutsbesitzer und Bauern in der Steiermark. Erinnerungen ein Joseph it. — Der Unterthan des Unterthan«. — Die Gütcrpreisc und die GütermMer. — Die Commission zur Regelung der Uroarialcinnahmcn. — Patent vom Is, April. — Das Beispiel Un¬ garn« und seine Folgen. — Nothwendigkeit eines billigen AolösungSg-setze«. — Patriarchalische Tendenzen und schlaue Taktik der nichtadcligen Gutsbesitzer. ' Von den vielen Reformen, womit Kaiser Joseph Oestreich groß, einig und glücklich zu machen suchte, waren wenige von so andauernder Wirkung, als die auf Hebung des Bauernstandes berechnet waren. Wer weiß ihm nicht Dank für die Aufhebung der Leibeigenschaft und all' jener Beschränkungen, wodurch der Landmann an die Scholle gebunden war. Wären seine Nachfolger auf dem Pfade fortgewandelt, den er angebahnt hatte, schon längst würde kein östreichischer Bauer mehr Unterthan eines Unterthans sein. Denn alle seine Verordnungen athmeten diesen Gedanken und kein Vorwurf, deu mau diesem königlichen Märtyrer der Humanität macht, ist so ungerecht, als der, er habe muthwillig und unbedacht an den Rechten der Herrschaften gerüttelt. Seine Reformen bereiteten den Bauer vor, seine Freiheit zu wünschen; sie sollten es ihm möglich machen, sie auf ruhi¬ gem Wege zu erringen. Und der Herr, er sollte zur Einsicht kommen, daß ein Verhältniß, dessen Rechtstitel auf der Gewaltherrschaft des Mittelalters beruhen und dessen Fortbestand mit jedem einzelnen Fortschritt der Volksbildung mehr in Frage kam, aufgegeben werden müsse. Wenn daher die Bande, welche den Unter¬ than an den Herrn knüpfen, immer lockerer wurden und bei dem ersten günstigen Anlaß zu zerfallen drohten, wenn nun durch gewaltsames Zerreißen manches Privat¬ unrecht geschieht, so trifft die Schuld wahrlich nicht ihn, der eine Forderung der Gerechtigkeit auf unschmerzliche Art erfüllt sehen wollte, sondern jene, welche diese Forderungen nicht erkannten oder nicht erkennen wollten; jene, die auf halbem Wege inne hielten, die zu feig oder eigennützig waren, ein Gebände langsam abzutragen, dessen Grundvesten die Zeit beschädigte und das nun in seinem Sturze die begräbt, die es erhalten zu können glaubten. Der Eigennutz macht die Menschen blind, und.wie sollte der auch viel er¬ wägen, der seinen Blick nnr auf eins gerichtet hat, auf seinen — Vortheil. Die Preise der Güter stiegen in deu letzten fünfzehn Jahren in dem Maße, als das Mißtrauen in die Finanzverwaltung zunahm; manch ansehnliches Vermögen ward durch glücklichen Kauf und Verkauf erworben und dies zog eine eigene Klasse von Menschen groß, welche redlich dazu beitrug, deu Rum der herrschaftlichen Rechte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/344>, abgerufen am 26.06.2024.