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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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auf viel bequemeren Wege Minister geworden und eben so Courtais, der als
General-Commandant der Nationalgarde und Deputirter zum Portefeuille nur
noch einen Schritt hatte. Haben sich Lagrange und Caussidiere, die ganz anders
als mit der Feder für die Republik gekämpft haben, nicht im höchsten Grade
principtreu benommen? Am 23. Februar lag das Schicksal der Julidynastie fast
ausschließlich in Lagrange's Händen. Mit ihm sollte, während er die Insurgenten
am "Wasserschlosse" kommandirte, die Kapitulation abgeschlossen werden und er
war es, der dem Adjutanten ans den Tuilenen das verhängnißvolle: "es ist zu
spät!" entgegenrief. Nachdem er zum Gouverneur des Stadthauses ernannt wor¬
den war, schrien ihn die Spießbürger für wahnsinnig aus. Er legte sein Amt
nieder und trat in das Privatleben zurück. Dasselbe that uun Caussidivre, nach¬
dem er drei Monate lang die Barrikaden-Helden der Februar-Revolution in
Schach gehalten hatte. Diese Leute glauben die Revolution noch nicht beendet,
sie halten einen neuen Handstreich für kein Komplott. Die Geschichte wird dar¬
über zu richten haben, ob nicht die Bürgerschaft, die gar keine Revolution will
und die geschehene desavouirt, so gut im Unrechte ist wie sie, die eine beständige
Revolution im Sinne haben. So viel aber können wir selbst schon entscheiden,
daß Diejenigen, die in dieser traurigen Angelegenheit das Amt der Anklage über¬
nehmen , um in gewohnter Weise Nichts weiter daran zu sehen, als einen Proceß,
der zu gewinnen oder zu verlieren ist, tief unter allen Parteien stehen.


Dr. F. 5. V.


auf viel bequemeren Wege Minister geworden und eben so Courtais, der als
General-Commandant der Nationalgarde und Deputirter zum Portefeuille nur
noch einen Schritt hatte. Haben sich Lagrange und Caussidiere, die ganz anders
als mit der Feder für die Republik gekämpft haben, nicht im höchsten Grade
principtreu benommen? Am 23. Februar lag das Schicksal der Julidynastie fast
ausschließlich in Lagrange's Händen. Mit ihm sollte, während er die Insurgenten
am „Wasserschlosse" kommandirte, die Kapitulation abgeschlossen werden und er
war es, der dem Adjutanten ans den Tuilenen das verhängnißvolle: „es ist zu
spät!" entgegenrief. Nachdem er zum Gouverneur des Stadthauses ernannt wor¬
den war, schrien ihn die Spießbürger für wahnsinnig aus. Er legte sein Amt
nieder und trat in das Privatleben zurück. Dasselbe that uun Caussidivre, nach¬
dem er drei Monate lang die Barrikaden-Helden der Februar-Revolution in
Schach gehalten hatte. Diese Leute glauben die Revolution noch nicht beendet,
sie halten einen neuen Handstreich für kein Komplott. Die Geschichte wird dar¬
über zu richten haben, ob nicht die Bürgerschaft, die gar keine Revolution will
und die geschehene desavouirt, so gut im Unrechte ist wie sie, die eine beständige
Revolution im Sinne haben. So viel aber können wir selbst schon entscheiden,
daß Diejenigen, die in dieser traurigen Angelegenheit das Amt der Anklage über¬
nehmen , um in gewohnter Weise Nichts weiter daran zu sehen, als einen Proceß,
der zu gewinnen oder zu verlieren ist, tief unter allen Parteien stehen.


Dr. F. 5. V.


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[0343] auf viel bequemeren Wege Minister geworden und eben so Courtais, der als General-Commandant der Nationalgarde und Deputirter zum Portefeuille nur noch einen Schritt hatte. Haben sich Lagrange und Caussidiere, die ganz anders als mit der Feder für die Republik gekämpft haben, nicht im höchsten Grade principtreu benommen? Am 23. Februar lag das Schicksal der Julidynastie fast ausschließlich in Lagrange's Händen. Mit ihm sollte, während er die Insurgenten am „Wasserschlosse" kommandirte, die Kapitulation abgeschlossen werden und er war es, der dem Adjutanten ans den Tuilenen das verhängnißvolle: „es ist zu spät!" entgegenrief. Nachdem er zum Gouverneur des Stadthauses ernannt wor¬ den war, schrien ihn die Spießbürger für wahnsinnig aus. Er legte sein Amt nieder und trat in das Privatleben zurück. Dasselbe that uun Caussidivre, nach¬ dem er drei Monate lang die Barrikaden-Helden der Februar-Revolution in Schach gehalten hatte. Diese Leute glauben die Revolution noch nicht beendet, sie halten einen neuen Handstreich für kein Komplott. Die Geschichte wird dar¬ über zu richten haben, ob nicht die Bürgerschaft, die gar keine Revolution will und die geschehene desavouirt, so gut im Unrechte ist wie sie, die eine beständige Revolution im Sinne haben. So viel aber können wir selbst schon entscheiden, daß Diejenigen, die in dieser traurigen Angelegenheit das Amt der Anklage über¬ nehmen , um in gewohnter Weise Nichts weiter daran zu sehen, als einen Proceß, der zu gewinnen oder zu verlieren ist, tief unter allen Parteien stehen. Dr. F. 5. V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/343>, abgerufen am 26.06.2024.