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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Zurücknahme der Verfügungen gegen das Ccntralcomite; gemeinschaftliche Besetzung
aller Wachtposten durch die akademische Legion und die Nationalgarde, gemeinschaftlich
mit dem Militär, Entfernung des überflüssige" Militärs und dessen Ausrückung uur
mit Zustimmung der Nationalgarde zuzulassen. Allein der hierin schon halb erlangte
Sieg schien der Sturm- und Draugpartci allzuleicht, um den günstigen Moment nicht
zu weiteren Abnöthigungen benutzen zu lassen. Revision der Konstitution vom Reichs¬
tage, Einkammersystem bis dahin, und Wahl ohne irgend einen Census: Dies waren
die weiteren Punkte, welche in einer an Ort und Stelle improvisirten Petition den
früheren zugesellt wurden, aber auch wegen ihrer größeren Gewichtigkeit den Minister¬
rath selbst nach fünfstündiger Konferenz nicht zum alsbaldigen Entschluß gelangen ließen.
Da drang der Ruf: das Volk errichte Barrikaden in den Hauptstraßen, durch
die verschlossenen Thüren; und mit einem Federzug wurde -- alles gewährt. Mit
Blitzesschnelle verbreitete sich die Siegesnachricht, und reitende Wortführer der Studen¬
ten verkündigten sie auf den Hanptplätzen und wurden mit geringen Ausnahmen überall
jubelnd begrüßt. Es war zehn Uhr geworden, aber doch ward in aller Eile die Stadt
beleuchtet, und die Nationalgarten kehrten nach zehn bis zwölf stündigem ununterbroche¬
nem Dienst für heute nach Hause -- die akademischen Legionen zogen nun anch end¬
lich unter donnerndem Jubclruse ab. Mit den Barrikaden war's nnn freilich noch nicht
so arg gewesen. Einzelne übclberüchtigte Demagogen hatten das Signal dazu gegeben,
und hie und da am Kohlmarktc, Josephsplatz war damit begonnen worden, Steine
auszureißen. Von einer Masse tobenden aufgeregten Volks war keine Rede; was ge¬
schah, war von Seite bezahlter Leute, sogenannter Barrikadcnmacher, hinter denen --
wie gewöhnlich, -- die andern standen. Census, Einkammersystem, Constitution: lau¬
ter Begriffe, die dem Volke so fern wie Mond und Sterne lagen, und es nicht in
Aufregung zu bringen vermochten. Anders wäre es gewesen, wenn man versucht hätte,
den Studenten ein Haar zu krümmen; beim ersten Signal -- aufsteigende Raketen von
der Sternwarte waren verabredet gewesen -- würden zu den schon hereingebrochenen
Schaaren neue mit Sensen, Hacken, Mistgabeln bewaffnet herbeigeströmt sein, und bei
etwaigem Widerstande alles überwältigt haben, um ihre Vorkämpfer für Recht und
Wahrheit -- die lebendigen Heiligen, welche längst die Todten überholt, zu befreien. --
Noch nicht zufrieden mit der schriftlichen und bald gedruckten Zustimmung des Ministe¬
riums, die auch nicht in Ansehung aller Punkte publicirt worden war, verlangte man
die Unterschrift des Kaisers selbst und zwar für die ganze Ausdehnung der gemachten
Zugeständnisse; auch dies wurde Tags darauf gewährt. Allein schon war dem Rausche
der Katzenjammer gefolgt. Bürger und Nationalgarten bereuten, sich der Aula so passiv
hingegeben zu haben, und diese selbst fand sich von einer unheimlichen Stimmung beschlichen.

Das war der Moment sür eine einsichtige patriotische Presse, um das Versäumte
nachzuholen, zur Mäßigung, ja selbst zu freiwillige" Rückschritten im Selbstgefühl des
begangenen Ucbcrgriffs zu vermöge". Statt dessen stimmten die einen trunkene
Siegeslieder an, die andern aber, wie namentlich die Schandblätter: "Constitution"
und'"Freimüthiger" begnügten sich nicht damit, die Marseillaise in's Deutsche zu über¬
setzen, sondern kamen bis zur Carmagnole und das Programm, welches die Constitution
am 17. unter dem Titel: "was wir noch habe" müssen," publicirte. athmete
durchweg den Jacobinismus vou 1793."

Ward dadurch dem Publikum, wie man in Wien zu sagen pflegt, "enterisch
zu Muth, so kann man sich denken, welcher Ewdrnck aus den durch die Scenen vom
15. Mai tief erschütterten Hof herbeigeführt werden mußte, zumal derselbe sich stets
am meisten den Einflüssen der untersten wie der obersten Schichten hingegeben, den
mittleren aber fremd geblieben war.

Die Bevölkerung Wiens war eben so überrascht, als erschrocken, als sie am
Morgen des 18. an den Ecken verkündet fand, der Kaiser habe sür den Minister¬
rath eben so unerwartet wie für das Publikum den Abend zuvor Wien in Begleitung


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Zurücknahme der Verfügungen gegen das Ccntralcomite; gemeinschaftliche Besetzung
aller Wachtposten durch die akademische Legion und die Nationalgarde, gemeinschaftlich
mit dem Militär, Entfernung des überflüssige» Militärs und dessen Ausrückung uur
mit Zustimmung der Nationalgarde zuzulassen. Allein der hierin schon halb erlangte
Sieg schien der Sturm- und Draugpartci allzuleicht, um den günstigen Moment nicht
zu weiteren Abnöthigungen benutzen zu lassen. Revision der Konstitution vom Reichs¬
tage, Einkammersystem bis dahin, und Wahl ohne irgend einen Census: Dies waren
die weiteren Punkte, welche in einer an Ort und Stelle improvisirten Petition den
früheren zugesellt wurden, aber auch wegen ihrer größeren Gewichtigkeit den Minister¬
rath selbst nach fünfstündiger Konferenz nicht zum alsbaldigen Entschluß gelangen ließen.
Da drang der Ruf: das Volk errichte Barrikaden in den Hauptstraßen, durch
die verschlossenen Thüren; und mit einem Federzug wurde — alles gewährt. Mit
Blitzesschnelle verbreitete sich die Siegesnachricht, und reitende Wortführer der Studen¬
ten verkündigten sie auf den Hanptplätzen und wurden mit geringen Ausnahmen überall
jubelnd begrüßt. Es war zehn Uhr geworden, aber doch ward in aller Eile die Stadt
beleuchtet, und die Nationalgarten kehrten nach zehn bis zwölf stündigem ununterbroche¬
nem Dienst für heute nach Hause — die akademischen Legionen zogen nun anch end¬
lich unter donnerndem Jubclruse ab. Mit den Barrikaden war's nnn freilich noch nicht
so arg gewesen. Einzelne übclberüchtigte Demagogen hatten das Signal dazu gegeben,
und hie und da am Kohlmarktc, Josephsplatz war damit begonnen worden, Steine
auszureißen. Von einer Masse tobenden aufgeregten Volks war keine Rede; was ge¬
schah, war von Seite bezahlter Leute, sogenannter Barrikadcnmacher, hinter denen —
wie gewöhnlich, — die andern standen. Census, Einkammersystem, Constitution: lau¬
ter Begriffe, die dem Volke so fern wie Mond und Sterne lagen, und es nicht in
Aufregung zu bringen vermochten. Anders wäre es gewesen, wenn man versucht hätte,
den Studenten ein Haar zu krümmen; beim ersten Signal — aufsteigende Raketen von
der Sternwarte waren verabredet gewesen — würden zu den schon hereingebrochenen
Schaaren neue mit Sensen, Hacken, Mistgabeln bewaffnet herbeigeströmt sein, und bei
etwaigem Widerstande alles überwältigt haben, um ihre Vorkämpfer für Recht und
Wahrheit — die lebendigen Heiligen, welche längst die Todten überholt, zu befreien. —
Noch nicht zufrieden mit der schriftlichen und bald gedruckten Zustimmung des Ministe¬
riums, die auch nicht in Ansehung aller Punkte publicirt worden war, verlangte man
die Unterschrift des Kaisers selbst und zwar für die ganze Ausdehnung der gemachten
Zugeständnisse; auch dies wurde Tags darauf gewährt. Allein schon war dem Rausche
der Katzenjammer gefolgt. Bürger und Nationalgarten bereuten, sich der Aula so passiv
hingegeben zu haben, und diese selbst fand sich von einer unheimlichen Stimmung beschlichen.

Das war der Moment sür eine einsichtige patriotische Presse, um das Versäumte
nachzuholen, zur Mäßigung, ja selbst zu freiwillige» Rückschritten im Selbstgefühl des
begangenen Ucbcrgriffs zu vermöge«. Statt dessen stimmten die einen trunkene
Siegeslieder an, die andern aber, wie namentlich die Schandblätter: „Constitution"
und'„Freimüthiger" begnügten sich nicht damit, die Marseillaise in's Deutsche zu über¬
setzen, sondern kamen bis zur Carmagnole und das Programm, welches die Constitution
am 17. unter dem Titel: „was wir noch habe» müssen," publicirte. athmete
durchweg den Jacobinismus vou 1793."

Ward dadurch dem Publikum, wie man in Wien zu sagen pflegt, „enterisch
zu Muth, so kann man sich denken, welcher Ewdrnck aus den durch die Scenen vom
15. Mai tief erschütterten Hof herbeigeführt werden mußte, zumal derselbe sich stets
am meisten den Einflüssen der untersten wie der obersten Schichten hingegeben, den
mittleren aber fremd geblieben war.

Die Bevölkerung Wiens war eben so überrascht, als erschrocken, als sie am
Morgen des 18. an den Ecken verkündet fand, der Kaiser habe sür den Minister¬
rath eben so unerwartet wie für das Publikum den Abend zuvor Wien in Begleitung


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[0333] Zurücknahme der Verfügungen gegen das Ccntralcomite; gemeinschaftliche Besetzung aller Wachtposten durch die akademische Legion und die Nationalgarde, gemeinschaftlich mit dem Militär, Entfernung des überflüssige» Militärs und dessen Ausrückung uur mit Zustimmung der Nationalgarde zuzulassen. Allein der hierin schon halb erlangte Sieg schien der Sturm- und Draugpartci allzuleicht, um den günstigen Moment nicht zu weiteren Abnöthigungen benutzen zu lassen. Revision der Konstitution vom Reichs¬ tage, Einkammersystem bis dahin, und Wahl ohne irgend einen Census: Dies waren die weiteren Punkte, welche in einer an Ort und Stelle improvisirten Petition den früheren zugesellt wurden, aber auch wegen ihrer größeren Gewichtigkeit den Minister¬ rath selbst nach fünfstündiger Konferenz nicht zum alsbaldigen Entschluß gelangen ließen. Da drang der Ruf: das Volk errichte Barrikaden in den Hauptstraßen, durch die verschlossenen Thüren; und mit einem Federzug wurde — alles gewährt. Mit Blitzesschnelle verbreitete sich die Siegesnachricht, und reitende Wortführer der Studen¬ ten verkündigten sie auf den Hanptplätzen und wurden mit geringen Ausnahmen überall jubelnd begrüßt. Es war zehn Uhr geworden, aber doch ward in aller Eile die Stadt beleuchtet, und die Nationalgarten kehrten nach zehn bis zwölf stündigem ununterbroche¬ nem Dienst für heute nach Hause — die akademischen Legionen zogen nun anch end¬ lich unter donnerndem Jubclruse ab. Mit den Barrikaden war's nnn freilich noch nicht so arg gewesen. Einzelne übclberüchtigte Demagogen hatten das Signal dazu gegeben, und hie und da am Kohlmarktc, Josephsplatz war damit begonnen worden, Steine auszureißen. Von einer Masse tobenden aufgeregten Volks war keine Rede; was ge¬ schah, war von Seite bezahlter Leute, sogenannter Barrikadcnmacher, hinter denen — wie gewöhnlich, — die andern standen. Census, Einkammersystem, Constitution: lau¬ ter Begriffe, die dem Volke so fern wie Mond und Sterne lagen, und es nicht in Aufregung zu bringen vermochten. Anders wäre es gewesen, wenn man versucht hätte, den Studenten ein Haar zu krümmen; beim ersten Signal — aufsteigende Raketen von der Sternwarte waren verabredet gewesen — würden zu den schon hereingebrochenen Schaaren neue mit Sensen, Hacken, Mistgabeln bewaffnet herbeigeströmt sein, und bei etwaigem Widerstande alles überwältigt haben, um ihre Vorkämpfer für Recht und Wahrheit — die lebendigen Heiligen, welche längst die Todten überholt, zu befreien. — Noch nicht zufrieden mit der schriftlichen und bald gedruckten Zustimmung des Ministe¬ riums, die auch nicht in Ansehung aller Punkte publicirt worden war, verlangte man die Unterschrift des Kaisers selbst und zwar für die ganze Ausdehnung der gemachten Zugeständnisse; auch dies wurde Tags darauf gewährt. Allein schon war dem Rausche der Katzenjammer gefolgt. Bürger und Nationalgarten bereuten, sich der Aula so passiv hingegeben zu haben, und diese selbst fand sich von einer unheimlichen Stimmung beschlichen. Das war der Moment sür eine einsichtige patriotische Presse, um das Versäumte nachzuholen, zur Mäßigung, ja selbst zu freiwillige» Rückschritten im Selbstgefühl des begangenen Ucbcrgriffs zu vermöge«. Statt dessen stimmten die einen trunkene Siegeslieder an, die andern aber, wie namentlich die Schandblätter: „Constitution" und'„Freimüthiger" begnügten sich nicht damit, die Marseillaise in's Deutsche zu über¬ setzen, sondern kamen bis zur Carmagnole und das Programm, welches die Constitution am 17. unter dem Titel: „was wir noch habe» müssen," publicirte. athmete durchweg den Jacobinismus vou 1793." Ward dadurch dem Publikum, wie man in Wien zu sagen pflegt, „enterisch zu Muth, so kann man sich denken, welcher Ewdrnck aus den durch die Scenen vom 15. Mai tief erschütterten Hof herbeigeführt werden mußte, zumal derselbe sich stets am meisten den Einflüssen der untersten wie der obersten Schichten hingegeben, den mittleren aber fremd geblieben war. Die Bevölkerung Wiens war eben so überrascht, als erschrocken, als sie am Morgen des 18. an den Ecken verkündet fand, der Kaiser habe sür den Minister¬ rath eben so unerwartet wie für das Publikum den Abend zuvor Wien in Begleitung 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/333>, abgerufen am 26.06.2024.