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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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verlas oder, was noch schlimmer, wir führen einen brudermörderischer, einen
Kainskrieg gegen das heilige Nußland, -- zum Besten der Deutschen; denn wir
hätten durch die Vereinigung der drei Poleureiche Rußland und Oestreich ge¬
schwächt, für die Vergrößerung des Slaventhums nichts gethan, vielmehr den
Deutschen Gelegenheit zur Erwerbung der Ostsccläuder und anderer halbslavischen
Striche gegeben. Früher oder später aber würde Oestreich doch mit dem ver¬
einigten Deutschland zusammenschmelzen, -- um so sicherer, wenn es, außer
Italien, noch Galizien, Lvdomerien und Krakau verloren hätte.

Solche Schmach können wir unmöglich selber herbeiführen wollen. Die In¬
tegrität des Kaiserthums kann unmöglich in unsern Plänen liegen, sondern vor¬
erst seine Losreißung von den deutschen Erbländer und dann seine Vergrößerung
und Befestigung nach slavischer Seite hin. Anders handeln wäre eine Halb¬
heit, die, wie ich gezeigt habe, früher oder später sich an uns rächen müßte.

Gelingt es uns, ans friedliche diplomatische Weise die Dynastie ganz zu
uns herüberzuziehen, so tagt dem Slaventhum eine große, wenn auch stürmische
Zukunft. Die ungeheure, bisher so vielfach zerrissene Slavenfamilie vereinigt sich
dann zu zwei verbündeten Reichen: Ost- und Westslavicn, unter den Häusern
Romanoff und Habsburg; denn die deutschen Erdtaube werden vom Kaiser ab¬
fallen, desto nationalslavischer wird seine Dynastie in kurzer Zeit sich gebahren
und desto eifriger wird sie suchen müssen, die slavischen Stämme an den Ufern
der türkischen Donau in ihren Schooß aufzunehmen. Der Wetteifer zwischen den
beiden Dynastien kommt allen Slaven zu gut; sollte die eine oder andere sich
ihrer Aufgabe nicht gewachsen zeigen, so hat sie ihre Beseitigung und das Erstehen
eines großen Slavenreichs zu befürchten....

Jene zwei Reiche würden, verbündet und vom slavischen Einheitsgedanken
belebt, wohl im Stande sein, die unbrüderliche Jsolirungssucht der polnischen
nationalen zu überwinden, und im Nothfalle würden sich Ost- und Westslavien
über den Gräbern der sarmatischen Faction die Hand reichen. Ungern trägt man
die Waffen gegen den polnischen Bruder zum Besten preußischer oder deutsch¬
östreichischer Herrschaft; gern aber züchtigt mau den Rebellen gegen die Mutter
slawa. Die Religions- und andern SpaltunLu des Slaventhums würden bald
vor dem gemeinsamen Haß gegen die fremden Eindringlinge im Innern und vor
dem Weltkampf gegen Außen verschwinden; die läuternden Flammen des Welt¬
brandes würden das alte rostige Eisen zu einem großen und herrlichen Schilde
zusammenschweißen.

Ueber die Nothwendigkeit dieses Kampfes auf Tod und Leben dürfen wir
uns keine Täuschung machen. Die Magyaren, im Herzen Ungarns, sind tapfer
bis zur Tollkühnheit und nicht zu slavistren. Sie werden sich mit den Sachsen
Siebenbürgens verschwören und gegen uns ganz Deutschland zu Hilfe rufen;
Deutschland, welches ohnedies die Wenden in der Lausitz, in Jllyrien und Sahle-


verlas oder, was noch schlimmer, wir führen einen brudermörderischer, einen
Kainskrieg gegen das heilige Nußland, — zum Besten der Deutschen; denn wir
hätten durch die Vereinigung der drei Poleureiche Rußland und Oestreich ge¬
schwächt, für die Vergrößerung des Slaventhums nichts gethan, vielmehr den
Deutschen Gelegenheit zur Erwerbung der Ostsccläuder und anderer halbslavischen
Striche gegeben. Früher oder später aber würde Oestreich doch mit dem ver¬
einigten Deutschland zusammenschmelzen, — um so sicherer, wenn es, außer
Italien, noch Galizien, Lvdomerien und Krakau verloren hätte.

Solche Schmach können wir unmöglich selber herbeiführen wollen. Die In¬
tegrität des Kaiserthums kann unmöglich in unsern Plänen liegen, sondern vor¬
erst seine Losreißung von den deutschen Erbländer und dann seine Vergrößerung
und Befestigung nach slavischer Seite hin. Anders handeln wäre eine Halb¬
heit, die, wie ich gezeigt habe, früher oder später sich an uns rächen müßte.

Gelingt es uns, ans friedliche diplomatische Weise die Dynastie ganz zu
uns herüberzuziehen, so tagt dem Slaventhum eine große, wenn auch stürmische
Zukunft. Die ungeheure, bisher so vielfach zerrissene Slavenfamilie vereinigt sich
dann zu zwei verbündeten Reichen: Ost- und Westslavicn, unter den Häusern
Romanoff und Habsburg; denn die deutschen Erdtaube werden vom Kaiser ab¬
fallen, desto nationalslavischer wird seine Dynastie in kurzer Zeit sich gebahren
und desto eifriger wird sie suchen müssen, die slavischen Stämme an den Ufern
der türkischen Donau in ihren Schooß aufzunehmen. Der Wetteifer zwischen den
beiden Dynastien kommt allen Slaven zu gut; sollte die eine oder andere sich
ihrer Aufgabe nicht gewachsen zeigen, so hat sie ihre Beseitigung und das Erstehen
eines großen Slavenreichs zu befürchten....

Jene zwei Reiche würden, verbündet und vom slavischen Einheitsgedanken
belebt, wohl im Stande sein, die unbrüderliche Jsolirungssucht der polnischen
nationalen zu überwinden, und im Nothfalle würden sich Ost- und Westslavien
über den Gräbern der sarmatischen Faction die Hand reichen. Ungern trägt man
die Waffen gegen den polnischen Bruder zum Besten preußischer oder deutsch¬
östreichischer Herrschaft; gern aber züchtigt mau den Rebellen gegen die Mutter
slawa. Die Religions- und andern SpaltunLu des Slaventhums würden bald
vor dem gemeinsamen Haß gegen die fremden Eindringlinge im Innern und vor
dem Weltkampf gegen Außen verschwinden; die läuternden Flammen des Welt¬
brandes würden das alte rostige Eisen zu einem großen und herrlichen Schilde
zusammenschweißen.

Ueber die Nothwendigkeit dieses Kampfes auf Tod und Leben dürfen wir
uns keine Täuschung machen. Die Magyaren, im Herzen Ungarns, sind tapfer
bis zur Tollkühnheit und nicht zu slavistren. Sie werden sich mit den Sachsen
Siebenbürgens verschwören und gegen uns ganz Deutschland zu Hilfe rufen;
Deutschland, welches ohnedies die Wenden in der Lausitz, in Jllyrien und Sahle-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/329>, abgerufen am 26.06.2024.