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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Czechen ungestört unter uns sind, daß ich mit einigen Worten unser besonderes
Heil und, was wir Czechen wollen, bedenke.

Gelingt es uns, durch friedliche diplomatische Mittel die Unabhängig-
keit und Integrität des östreichischen Kaiserthums zu erhalten, so ist damit
für die slavische Verbrüderung nur blutwenig gewonnen. Oestreich wird mit dem
neuen Deutschland ein Schutz- und Trutzbündniß eingehen müssen, auf welches
die sieben Millionen Njemtzi fortwährend pochen werden. Der Kaiser wird nicht
im Stande noch Willens sein, den Slaven ihr volles Recht ans Selbstherrschaft
zu verbürgen, sondern uns nur als Gegengewicht wider seine rebellischen Stamm¬
genossen benützen. Die Deutschen sind ein hartnäckiges Volk und seit einiger Zeit
obendrein sehr laut und lärmend geworden. Eingenommen für ihre Cultur, listig
im Lernen und Lehren waren sie von jeher. Glauben sie sich im Nachtheil und
bilden gleichsam eine eeclesiit press-l, so werden sie eine leidenschaftliche Thätig¬
keit entwickeln und uns noch mehr in den Hintergrund zurückdrängen, als bisher.
Angespornt durch das Fraukfurtische Deutschland, wird ihr ganzes Dichten und
Trachten ans die Nachahmung der dentschländischen Freiheit gerichtet sein; Alles,
was sie darin ertrotzen, wird einen gewissen Glanz ans sie werfen, und glaubt
uur, selbst uuter uns werden sich Viele von diesem deutschen Fortschritt und Vor¬
tritt verblenden lassen und allmälig einer treulosen Lauheit gegen die Sache Sla-
was sich hingeben. Es wird also nicht viel besser, vielleicht sogar schlimmer um
uus stehen, als wenn wir uns ohne viel Aufhebens mit in den Frankfurter Bund
geschlichen hätten. Denn in diesem Falle hätte man uns unglaubliche Freiheit
gelassen, für die Zukunft des Slaventhums zu wirken und sogar möglich gemacht,
in den Händeln des Reichs eine Hand zu haben. Der Deutsche, so lange er
nicht auf offenen Widerstand stößt, sieht weder rechts noch links, besitzt eine fa¬
belhaste Leichtgläubigkeit und spielt gerne den Großmüthigen. Darauf können
wir jetzt nicht mehr rechnen. -- Anderseits wird das Kaiserthum, um sich zu er¬
halten, in friedlichem Einverständniß mit Nußland bleiben müssen und dadurch
die Flüche der Polen auf unser Haupt herabrufen, während es, aus Rücksicht auf
seine deutschen Völker, kein herzu<des Einvcrständnißmiit Nußland wird eingehen
dürfen, also nie im Stande sein wird, dem polnischen Geschrei mit Gewalt ein Ende
zu machen. Die Galizier und Kraknsen wollen sich mit ihren Brüdern auf den
Weichseluferu verbinden, was ohne Krieg gegen Rußland nimmer möglich wird.
Oestreich kann allein solch' einen Kampf nicht bestehen. Dentschland würde sich
beeilen, es zu unterstützen. Entweder also, das Polenthnm fällt von den West¬
slaven ab bleibt aber halblebendig als ein zerfressender Krebs im Herzen Sip-



*) Die Augsb. Mg. meldet, daß Hawliczek, der czcchischc Emissär, in Krakau sehr kalt
und unwillig aufgenommen wurde. Der Pole haßt Oestreich zu sehr, um die Bundesgenos¬
senschaft eines Slaven anzunehmen, der solchen Eifer für das Kaiserthum zur Schau trägt.

Czechen ungestört unter uns sind, daß ich mit einigen Worten unser besonderes
Heil und, was wir Czechen wollen, bedenke.

Gelingt es uns, durch friedliche diplomatische Mittel die Unabhängig-
keit und Integrität des östreichischen Kaiserthums zu erhalten, so ist damit
für die slavische Verbrüderung nur blutwenig gewonnen. Oestreich wird mit dem
neuen Deutschland ein Schutz- und Trutzbündniß eingehen müssen, auf welches
die sieben Millionen Njemtzi fortwährend pochen werden. Der Kaiser wird nicht
im Stande noch Willens sein, den Slaven ihr volles Recht ans Selbstherrschaft
zu verbürgen, sondern uns nur als Gegengewicht wider seine rebellischen Stamm¬
genossen benützen. Die Deutschen sind ein hartnäckiges Volk und seit einiger Zeit
obendrein sehr laut und lärmend geworden. Eingenommen für ihre Cultur, listig
im Lernen und Lehren waren sie von jeher. Glauben sie sich im Nachtheil und
bilden gleichsam eine eeclesiit press-l, so werden sie eine leidenschaftliche Thätig¬
keit entwickeln und uns noch mehr in den Hintergrund zurückdrängen, als bisher.
Angespornt durch das Fraukfurtische Deutschland, wird ihr ganzes Dichten und
Trachten ans die Nachahmung der dentschländischen Freiheit gerichtet sein; Alles,
was sie darin ertrotzen, wird einen gewissen Glanz ans sie werfen, und glaubt
uur, selbst uuter uns werden sich Viele von diesem deutschen Fortschritt und Vor¬
tritt verblenden lassen und allmälig einer treulosen Lauheit gegen die Sache Sla-
was sich hingeben. Es wird also nicht viel besser, vielleicht sogar schlimmer um
uus stehen, als wenn wir uns ohne viel Aufhebens mit in den Frankfurter Bund
geschlichen hätten. Denn in diesem Falle hätte man uns unglaubliche Freiheit
gelassen, für die Zukunft des Slaventhums zu wirken und sogar möglich gemacht,
in den Händeln des Reichs eine Hand zu haben. Der Deutsche, so lange er
nicht auf offenen Widerstand stößt, sieht weder rechts noch links, besitzt eine fa¬
belhaste Leichtgläubigkeit und spielt gerne den Großmüthigen. Darauf können
wir jetzt nicht mehr rechnen. — Anderseits wird das Kaiserthum, um sich zu er¬
halten, in friedlichem Einverständniß mit Nußland bleiben müssen und dadurch
die Flüche der Polen auf unser Haupt herabrufen, während es, aus Rücksicht auf
seine deutschen Völker, kein herzu<des Einvcrständnißmiit Nußland wird eingehen
dürfen, also nie im Stande sein wird, dem polnischen Geschrei mit Gewalt ein Ende
zu machen. Die Galizier und Kraknsen wollen sich mit ihren Brüdern auf den
Weichseluferu verbinden, was ohne Krieg gegen Rußland nimmer möglich wird.
Oestreich kann allein solch' einen Kampf nicht bestehen. Dentschland würde sich
beeilen, es zu unterstützen. Entweder also, das Polenthnm fällt von den West¬
slaven ab bleibt aber halblebendig als ein zerfressender Krebs im Herzen Sip-



*) Die Augsb. Mg. meldet, daß Hawliczek, der czcchischc Emissär, in Krakau sehr kalt
und unwillig aufgenommen wurde. Der Pole haßt Oestreich zu sehr, um die Bundesgenos¬
senschaft eines Slaven anzunehmen, der solchen Eifer für das Kaiserthum zur Schau trägt.
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[0328] Czechen ungestört unter uns sind, daß ich mit einigen Worten unser besonderes Heil und, was wir Czechen wollen, bedenke. Gelingt es uns, durch friedliche diplomatische Mittel die Unabhängig- keit und Integrität des östreichischen Kaiserthums zu erhalten, so ist damit für die slavische Verbrüderung nur blutwenig gewonnen. Oestreich wird mit dem neuen Deutschland ein Schutz- und Trutzbündniß eingehen müssen, auf welches die sieben Millionen Njemtzi fortwährend pochen werden. Der Kaiser wird nicht im Stande noch Willens sein, den Slaven ihr volles Recht ans Selbstherrschaft zu verbürgen, sondern uns nur als Gegengewicht wider seine rebellischen Stamm¬ genossen benützen. Die Deutschen sind ein hartnäckiges Volk und seit einiger Zeit obendrein sehr laut und lärmend geworden. Eingenommen für ihre Cultur, listig im Lernen und Lehren waren sie von jeher. Glauben sie sich im Nachtheil und bilden gleichsam eine eeclesiit press-l, so werden sie eine leidenschaftliche Thätig¬ keit entwickeln und uns noch mehr in den Hintergrund zurückdrängen, als bisher. Angespornt durch das Fraukfurtische Deutschland, wird ihr ganzes Dichten und Trachten ans die Nachahmung der dentschländischen Freiheit gerichtet sein; Alles, was sie darin ertrotzen, wird einen gewissen Glanz ans sie werfen, und glaubt uur, selbst uuter uns werden sich Viele von diesem deutschen Fortschritt und Vor¬ tritt verblenden lassen und allmälig einer treulosen Lauheit gegen die Sache Sla- was sich hingeben. Es wird also nicht viel besser, vielleicht sogar schlimmer um uus stehen, als wenn wir uns ohne viel Aufhebens mit in den Frankfurter Bund geschlichen hätten. Denn in diesem Falle hätte man uns unglaubliche Freiheit gelassen, für die Zukunft des Slaventhums zu wirken und sogar möglich gemacht, in den Händeln des Reichs eine Hand zu haben. Der Deutsche, so lange er nicht auf offenen Widerstand stößt, sieht weder rechts noch links, besitzt eine fa¬ belhaste Leichtgläubigkeit und spielt gerne den Großmüthigen. Darauf können wir jetzt nicht mehr rechnen. — Anderseits wird das Kaiserthum, um sich zu er¬ halten, in friedlichem Einverständniß mit Nußland bleiben müssen und dadurch die Flüche der Polen auf unser Haupt herabrufen, während es, aus Rücksicht auf seine deutschen Völker, kein herzu<des Einvcrständnißmiit Nußland wird eingehen dürfen, also nie im Stande sein wird, dem polnischen Geschrei mit Gewalt ein Ende zu machen. Die Galizier und Kraknsen wollen sich mit ihren Brüdern auf den Weichseluferu verbinden, was ohne Krieg gegen Rußland nimmer möglich wird. Oestreich kann allein solch' einen Kampf nicht bestehen. Dentschland würde sich beeilen, es zu unterstützen. Entweder also, das Polenthnm fällt von den West¬ slaven ab bleibt aber halblebendig als ein zerfressender Krebs im Herzen Sip- *) Die Augsb. Mg. meldet, daß Hawliczek, der czcchischc Emissär, in Krakau sehr kalt und unwillig aufgenommen wurde. Der Pole haßt Oestreich zu sehr, um die Bundesgenos¬ senschaft eines Slaven anzunehmen, der solchen Eifer für das Kaiserthum zur Schau trägt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/328>, abgerufen am 26.06.2024.