Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.daß ein Nationalökonom, dem es nicht um Phrasen, sondern um statistische Ge¬ "Frankreich erzeugt zu viel!" Auch ich hörte einst in Frankreich diesen Aus dieser Rechnung folgt also deutlich genug, daß Frankreich in bestimmter Durch diese statistisch genaue Begrenzung der Verhältnisse wird nlso die *) Schon früher, in meiner vor kurzem erschienenen Geschichte des Handels, S. 174 ff.
habe ich diese Verhältnisse hervorgehoben und weiter ausgeführt. daß ein Nationalökonom, dem es nicht um Phrasen, sondern um statistische Ge¬ „Frankreich erzeugt zu viel!" Auch ich hörte einst in Frankreich diesen Aus dieser Rechnung folgt also deutlich genug, daß Frankreich in bestimmter Durch diese statistisch genaue Begrenzung der Verhältnisse wird nlso die *) Schon früher, in meiner vor kurzem erschienenen Geschichte des Handels, S. 174 ff.
habe ich diese Verhältnisse hervorgehoben und weiter ausgeführt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276530"/> <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> daß ein Nationalökonom, dem es nicht um Phrasen, sondern um statistische Ge¬<lb/> nauigkeit zu thun ist, einer so vagen Behauptung wie: „Frankreich erzeugt zu<lb/> viel!" ein eben so vages Paradoxon entgegenstellen kann: „Frankreich erzeugt zu<lb/> wenig!" Ja, was noch mehr ist, aus dieser so leichthin geworfenen Behauptung<lb/> soll die Nothwendigkeit einleuchten, daß auch das sociale Problem der Haupt¬<lb/> sache nach eine bloße Productionsftage sei! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1126"> „Frankreich erzeugt zu viel!" Auch ich hörte einst in Frankreich diesen<lb/> Ausspruch von Männern, die mit der Statistik ihres Vaterlandes wohl vertraut<lb/> waren. Es wäre» Weinbergsbefltzer und Weinhändler von Bordeaux, welche<lb/> mir sagten, Frankreich sei in der größten Verlegenheit: weil es nicht wisse, wo<lb/> es Mit seinen Weinen bleiben solle. Auch ich konnte damals entgegnen: „Sie<lb/> irren sich, Frankreich erzeugt nicht zu viel, es erzeugt vielmehr zu wenig," und<lb/> es standen mir statistische Belege genug für diese Entgegnung zu Gebote. Die<lb/> Weinproduktion Frankreichs ward nämlich von Einigen ans 40 Millionen Hecto-<lb/> liter, von Andern auf 48 Millionen geschätzt. Nehmen wir also die Mitte, 44<lb/> Millionen an. Davon müssen etwa 0 Millionen abgezogen werden, die man zu<lb/> Sprit verwendet. Berücksichtigen wir ferner das Auslaufen der Weine und son¬<lb/> stige Verluste, so bleibt nur noch eine Quantität von 84 Millionen Hectolitern<lb/> übrig. Vergleichen wir nun diese Summe der Producte mit der Zahl der Kon¬<lb/> sumenten in Frankreich. Die Bevölkerung Frankreichs beläuft sich bekanntlich auf<lb/> 34 Millionen Seelen. Davon gehen, was die Weinkonsumtion betrifft, 10 Mil¬<lb/> lionen Kinder und etwa 4 andere Millionen ab, die überhaupt keinen Wein trin¬<lb/> ken. Damit also Jeder von den übrig bleibenden 20 Millionen täglich auch nur<lb/> ^ Liter consumiren könnte, würden 36,500,000 Hectoliter erforderlich sein, wäh¬<lb/> rend, wie gesagt, Frankreich nur 34 Millionen Hectoliter producirt*).</p><lb/> <p xml:id="ID_1127"> Aus dieser Rechnung folgt also deutlich genug, daß Frankreich in bestimmter<lb/> Beziehung allerdings zu wenig producirt, aber anch nur in ganz bestimm¬<lb/> ter Beziehung. Denn auch jenen Weinprodiicenten, welche behaupten, Frank¬<lb/> reich erzeuge zu viel, müssen wir wenigstens in so fern Recht geben, als das<lb/> französische Volk in der That nicht Kanfkraft genug für die Weine besitzt, welche<lb/> Frankreich zu liefern im Stande ist. Deshalb eben fordern jetzt so viele Wein-<lb/> producenten den Freihandel, d. h. eine erleichterte AnsfNhr ihrer Weine nach<lb/> England und Deutschland, und in einem ähnlichen Sinne denke ich, wird auch<lb/> Herr Syriegs zu Herrn Chevalier gesprochen haben; in einem ähnlichen Sinne<lb/> können wenigstens Tausende von Producenten aller Art mit dem größten Rechte<lb/> behaupten „unsere Nation erzeugt zu viel!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1128" next="#ID_1129"> Durch diese statistisch genaue Begrenzung der Verhältnisse wird nlso die<lb/> Fragstellung plötzlich eine ganz andere. Man steht, es handelt sich für die Ver-</p><lb/> <note xml:id="FID_26" place="foot"> *) Schon früher, in meiner vor kurzem erschienenen Geschichte des Handels, S. 174 ff.<lb/> habe ich diese Verhältnisse hervorgehoben und weiter ausgeführt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
daß ein Nationalökonom, dem es nicht um Phrasen, sondern um statistische Ge¬
nauigkeit zu thun ist, einer so vagen Behauptung wie: „Frankreich erzeugt zu
viel!" ein eben so vages Paradoxon entgegenstellen kann: „Frankreich erzeugt zu
wenig!" Ja, was noch mehr ist, aus dieser so leichthin geworfenen Behauptung
soll die Nothwendigkeit einleuchten, daß auch das sociale Problem der Haupt¬
sache nach eine bloße Productionsftage sei! —
„Frankreich erzeugt zu viel!" Auch ich hörte einst in Frankreich diesen
Ausspruch von Männern, die mit der Statistik ihres Vaterlandes wohl vertraut
waren. Es wäre» Weinbergsbefltzer und Weinhändler von Bordeaux, welche
mir sagten, Frankreich sei in der größten Verlegenheit: weil es nicht wisse, wo
es Mit seinen Weinen bleiben solle. Auch ich konnte damals entgegnen: „Sie
irren sich, Frankreich erzeugt nicht zu viel, es erzeugt vielmehr zu wenig," und
es standen mir statistische Belege genug für diese Entgegnung zu Gebote. Die
Weinproduktion Frankreichs ward nämlich von Einigen ans 40 Millionen Hecto-
liter, von Andern auf 48 Millionen geschätzt. Nehmen wir also die Mitte, 44
Millionen an. Davon müssen etwa 0 Millionen abgezogen werden, die man zu
Sprit verwendet. Berücksichtigen wir ferner das Auslaufen der Weine und son¬
stige Verluste, so bleibt nur noch eine Quantität von 84 Millionen Hectolitern
übrig. Vergleichen wir nun diese Summe der Producte mit der Zahl der Kon¬
sumenten in Frankreich. Die Bevölkerung Frankreichs beläuft sich bekanntlich auf
34 Millionen Seelen. Davon gehen, was die Weinkonsumtion betrifft, 10 Mil¬
lionen Kinder und etwa 4 andere Millionen ab, die überhaupt keinen Wein trin¬
ken. Damit also Jeder von den übrig bleibenden 20 Millionen täglich auch nur
^ Liter consumiren könnte, würden 36,500,000 Hectoliter erforderlich sein, wäh¬
rend, wie gesagt, Frankreich nur 34 Millionen Hectoliter producirt*).
Aus dieser Rechnung folgt also deutlich genug, daß Frankreich in bestimmter
Beziehung allerdings zu wenig producirt, aber anch nur in ganz bestimm¬
ter Beziehung. Denn auch jenen Weinprodiicenten, welche behaupten, Frank¬
reich erzeuge zu viel, müssen wir wenigstens in so fern Recht geben, als das
französische Volk in der That nicht Kanfkraft genug für die Weine besitzt, welche
Frankreich zu liefern im Stande ist. Deshalb eben fordern jetzt so viele Wein-
producenten den Freihandel, d. h. eine erleichterte AnsfNhr ihrer Weine nach
England und Deutschland, und in einem ähnlichen Sinne denke ich, wird auch
Herr Syriegs zu Herrn Chevalier gesprochen haben; in einem ähnlichen Sinne
können wenigstens Tausende von Producenten aller Art mit dem größten Rechte
behaupten „unsere Nation erzeugt zu viel!"
Durch diese statistisch genaue Begrenzung der Verhältnisse wird nlso die
Fragstellung plötzlich eine ganz andere. Man steht, es handelt sich für die Ver-
*) Schon früher, in meiner vor kurzem erschienenen Geschichte des Handels, S. 174 ff.
habe ich diese Verhältnisse hervorgehoben und weiter ausgeführt.
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