Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.werden, nachdem sie von den einzelnen Compagnien unterzeichnet worden war. In den Man mag von einer Nationalgarde was immer für Ansichten haben, man mag Die Aufregung hat in Folge davon gestern und heute den höchsten Grad erreicht. werden, nachdem sie von den einzelnen Compagnien unterzeichnet worden war. In den Man mag von einer Nationalgarde was immer für Ansichten haben, man mag Die Aufregung hat in Folge davon gestern und heute den höchsten Grad erreicht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276522"/> <p xml:id="ID_1097" prev="#ID_1096"> werden, nachdem sie von den einzelnen Compagnien unterzeichnet worden war. In den<lb/> nächsten Tagen sollen die Wahlen für den Wiener Gcmcindeausschuß stattfinden. Es<lb/> soll derselbe aus 100 Mitgliedern bestehen und demselben ist die Reorganisirung des Mu-<lb/> mcipalwcscns, die Ausübung des Pctitionsrcchtcs der Stadtgemeinde als solcher, die Auf-<lb/> rechthaltung der Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt, und die Verwaltung der Ge-<lb/> meindeangelegenheiten, insbesondere des Gemeindcvermögcns anvertraut; sür die Wähler<lb/> in denselben ist aber ein Census von 20 Gulden festgesetzt. Daher und aus Mangel<lb/> an politischer Erfahrung rührt es vielleicht, daß die Antheilnahme an den Wahlen bis¬<lb/> her eine sehr geringe ist, und es steht zu fürchten, daß eS einzelnen Coterien gelingen<lb/> wird, dem conservativen Elemente im Gcmeindcausschuß die Vorhand zu verschaffen.<lb/> Um das zu verhindern, wollte das politische Centralcomit«j allen seinen Einfluß aufbie¬<lb/> ten — als es durch ein Reskript des Ministeriums des Innern als illegal bezeichnet<lb/> wurde, und den Compagnien in Folge davon durch einen Tagesbefehl des Nationalgar¬<lb/> decommandanten Hopos die Weisung zukam, ihre Vollmachten den in dasselbe geschickten<lb/> Deputirten wieder abzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1098"> Man mag von einer Nationalgarde was immer für Ansichten haben, man mag<lb/> sie sür ein rein militärisches Institut ansehen, das keinen politischen Einfluß zu üben<lb/> hat, man mag von Forderungen, die an der Spitze von 20,00«) Bayonetten eingebracht<lb/> werden, noch so viel declamiren; — so ist es doch nickt wegzuläugnen, daß dieser<lb/> Schritt in diesem Augenblicke ein höchst unpolitischer war. Unseres Erachtens ist<lb/> die Nationalgarde ein politisches Institut, nicht blos ein Hausen Soldaten oder eine<lb/> Polizeiwache; sie muß sich selbst anschaulich machen, was sie will, wofür sie kämpft.<lb/> Aber abgesehn davon, hat dieses Comite bis jetzt seine Wünsche und Beschwerden im¬<lb/> mer nur als solche vorgebracht, hat nie auf die Gewalt seiner Bayonette gepocht; es<lb/> hat den verschiedenen politischen Färbungen, die so leicht zu Zwiespalt zwischen Universität<lb/> und Nationalgarde, und in dieser selbst sichren können, einen Ausdruck verschafft, und<lb/> jadem die Minorität sich willig der Majorität fügte, jeden Zwiespalt hintangehalten;<lb/> bis jetzt hat es sich nie zum gesetzgebenden Körper, immer nnr zum bittenden gemacht.<lb/> Es hat die wesentlichsten Dienste geleistet, bisher die Ruhe zu wahren, und die Extreme<lb/> zu vermitteln. Die Nationalgarde wird sich diesem Befehle nicht so willig fügen; sollte<lb/> das aber der Fall sein, so werden die unheilvollsten Folgen ans diesem Schritte sich<lb/> ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1099" next="#ID_1100"> Die Aufregung hat in Folge davon gestern und heute den höchsten Grad erreicht.<lb/> Gestern Nacht und heute zu verschiedenen Malen wurde Mann geschlagen, das Militär<lb/> campirte die Nacht über auf dem Glacis, und Kanonen sind an verschiedenen Orten auf- ><lb/> gefahren worden. — Diese militärischen Maßregeln sind ein noch unbesonnenerer Schritt als<lb/> die Auslösung des Central-Comitvs gewesen, da gar kein Grund dazu vorhanden war;<lb/> das Comite selbst wird nur zu gesetzlichen Mitteln greisen und nicht an die Gewalt<lb/> appelliren, von dieser Seite also war nichts zu fürchten. Andrerseits aber ist durch<lb/> diese Entfaltungen der militärischen Gewalt erst eine Aufregung herbeigeführt worden,<lb/> die nicht so leicht zu dämpfen sein dürfte. Heute spricht man schon von einem bewaff¬<lb/> neten Zuzug der Studenten gegen die Burg, um gegen jenen willkürlichen Schritt des<lb/> Ministeriums einzuschreiten. Noch gestern war davon keine Rede. Die Menge stand<lb/> in den Straßen in Hausen beisammen und frug, warum Allarm geschlagen, warum<lb/> Militärmassen entwickelt werden. Niemand wußte die Ursachen anzugeben. Heute erst<lb/> ist in Folge davon die große Masse aus diese Gewaltstreiche aufmerksam gemacht worden,<lb/> und jetzt ist allerdings Grund zu Befürchtungen vorhanden. — Vorige Woche war Palacky,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
werden, nachdem sie von den einzelnen Compagnien unterzeichnet worden war. In den
nächsten Tagen sollen die Wahlen für den Wiener Gcmcindeausschuß stattfinden. Es
soll derselbe aus 100 Mitgliedern bestehen und demselben ist die Reorganisirung des Mu-
mcipalwcscns, die Ausübung des Pctitionsrcchtcs der Stadtgemeinde als solcher, die Auf-
rechthaltung der Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt, und die Verwaltung der Ge-
meindeangelegenheiten, insbesondere des Gemeindcvermögcns anvertraut; sür die Wähler
in denselben ist aber ein Census von 20 Gulden festgesetzt. Daher und aus Mangel
an politischer Erfahrung rührt es vielleicht, daß die Antheilnahme an den Wahlen bis¬
her eine sehr geringe ist, und es steht zu fürchten, daß eS einzelnen Coterien gelingen
wird, dem conservativen Elemente im Gcmeindcausschuß die Vorhand zu verschaffen.
Um das zu verhindern, wollte das politische Centralcomit«j allen seinen Einfluß aufbie¬
ten — als es durch ein Reskript des Ministeriums des Innern als illegal bezeichnet
wurde, und den Compagnien in Folge davon durch einen Tagesbefehl des Nationalgar¬
decommandanten Hopos die Weisung zukam, ihre Vollmachten den in dasselbe geschickten
Deputirten wieder abzunehmen.
Man mag von einer Nationalgarde was immer für Ansichten haben, man mag
sie sür ein rein militärisches Institut ansehen, das keinen politischen Einfluß zu üben
hat, man mag von Forderungen, die an der Spitze von 20,00«) Bayonetten eingebracht
werden, noch so viel declamiren; — so ist es doch nickt wegzuläugnen, daß dieser
Schritt in diesem Augenblicke ein höchst unpolitischer war. Unseres Erachtens ist
die Nationalgarde ein politisches Institut, nicht blos ein Hausen Soldaten oder eine
Polizeiwache; sie muß sich selbst anschaulich machen, was sie will, wofür sie kämpft.
Aber abgesehn davon, hat dieses Comite bis jetzt seine Wünsche und Beschwerden im¬
mer nur als solche vorgebracht, hat nie auf die Gewalt seiner Bayonette gepocht; es
hat den verschiedenen politischen Färbungen, die so leicht zu Zwiespalt zwischen Universität
und Nationalgarde, und in dieser selbst sichren können, einen Ausdruck verschafft, und
jadem die Minorität sich willig der Majorität fügte, jeden Zwiespalt hintangehalten;
bis jetzt hat es sich nie zum gesetzgebenden Körper, immer nnr zum bittenden gemacht.
Es hat die wesentlichsten Dienste geleistet, bisher die Ruhe zu wahren, und die Extreme
zu vermitteln. Die Nationalgarde wird sich diesem Befehle nicht so willig fügen; sollte
das aber der Fall sein, so werden die unheilvollsten Folgen ans diesem Schritte sich
ergeben.
Die Aufregung hat in Folge davon gestern und heute den höchsten Grad erreicht.
Gestern Nacht und heute zu verschiedenen Malen wurde Mann geschlagen, das Militär
campirte die Nacht über auf dem Glacis, und Kanonen sind an verschiedenen Orten auf- >
gefahren worden. — Diese militärischen Maßregeln sind ein noch unbesonnenerer Schritt als
die Auslösung des Central-Comitvs gewesen, da gar kein Grund dazu vorhanden war;
das Comite selbst wird nur zu gesetzlichen Mitteln greisen und nicht an die Gewalt
appelliren, von dieser Seite also war nichts zu fürchten. Andrerseits aber ist durch
diese Entfaltungen der militärischen Gewalt erst eine Aufregung herbeigeführt worden,
die nicht so leicht zu dämpfen sein dürfte. Heute spricht man schon von einem bewaff¬
neten Zuzug der Studenten gegen die Burg, um gegen jenen willkürlichen Schritt des
Ministeriums einzuschreiten. Noch gestern war davon keine Rede. Die Menge stand
in den Straßen in Hausen beisammen und frug, warum Allarm geschlagen, warum
Militärmassen entwickelt werden. Niemand wußte die Ursachen anzugeben. Heute erst
ist in Folge davon die große Masse aus diese Gewaltstreiche aufmerksam gemacht worden,
und jetzt ist allerdings Grund zu Befürchtungen vorhanden. — Vorige Woche war Palacky,
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