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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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andere Parteien des Großstaates als Tugendbeispiel bei der Katechese über die
Unterthanspflichten zu benutzen.

Die Tiroler sind uneigennützig, Oestreich weiß es, aber es antworte ihnen
nicht, wenn sie wie jener Bettler sagen, "it laut vivre" -- ,,.Jo u'en vois pas la
vizevskiite." -- Sechs Millionen gute Deutsche begehren mit den andern 40 Mil¬
lionen eins zu werden, damit Oestreich darüber verfügen könne, wenn einmal seine
nichtdeutschen erklären, wir bedürfen auch keines fremden Fürsten mehr. Und
Deutschland sagt, wir wollen auch diese sechs, damit wir ganz und einig sind.
Anschluß -- ungesäumt und ganz -- an die deutsche Sache ist Rettung für das
Haus Oestreich, und so bleibt ihm auch das kleine, arme, aber treue Land Tirol.

Wir fürchten, es versteht auch hier nicht, was ihm Noth thut. Die Besten
bei uns meinen so. Es ist nicht zu verkennen, daß auch das neue System mit
dem Separatismus Tirols, wie er heute besteht, mit den Wramontanen sich ver¬
ständigt. Man überläßt ihm die constitutionelle Freiheit als Monopol. Jene
die seit dem 15. März zu Oestreich mit ganzem Herzen schworen, und nun gesetzlich
besaßen, was sie ersehnten, den Fortschritt und das gleiche Recht -- descivouirt
man -- so scheint's, um durch die Alleinberechtigung der Andern das Land zu
erhalten. Die Tage der Noth, sie bleiben nicht aus, werden zeigen, ans welcher
Seite man "conservativ" war für die Dynastie und die Regierung. Die innere
Ordnung und der Grenzschutz wurden zuerst von den Kräften vertreten, die man
jetzt bei Seite werfen will, um jene zu gewinnen, die nur sich selbst erhalten
wollen. Dieser übrigens natürliche Trieb wird sie seiner Zeit lehren, was sie zu
thun haben; die Elemente sind alle da, ein Urkanton ist so schnell fertig, als es
schwer sein wird, eine östreichische Provinz Tirol ohne Deutschland zu erhalten.




andere Parteien des Großstaates als Tugendbeispiel bei der Katechese über die
Unterthanspflichten zu benutzen.

Die Tiroler sind uneigennützig, Oestreich weiß es, aber es antworte ihnen
nicht, wenn sie wie jener Bettler sagen, „it laut vivre" — ,,.Jo u'en vois pas la
vizevskiite." — Sechs Millionen gute Deutsche begehren mit den andern 40 Mil¬
lionen eins zu werden, damit Oestreich darüber verfügen könne, wenn einmal seine
nichtdeutschen erklären, wir bedürfen auch keines fremden Fürsten mehr. Und
Deutschland sagt, wir wollen auch diese sechs, damit wir ganz und einig sind.
Anschluß — ungesäumt und ganz — an die deutsche Sache ist Rettung für das
Haus Oestreich, und so bleibt ihm auch das kleine, arme, aber treue Land Tirol.

Wir fürchten, es versteht auch hier nicht, was ihm Noth thut. Die Besten
bei uns meinen so. Es ist nicht zu verkennen, daß auch das neue System mit
dem Separatismus Tirols, wie er heute besteht, mit den Wramontanen sich ver¬
ständigt. Man überläßt ihm die constitutionelle Freiheit als Monopol. Jene
die seit dem 15. März zu Oestreich mit ganzem Herzen schworen, und nun gesetzlich
besaßen, was sie ersehnten, den Fortschritt und das gleiche Recht — descivouirt
man — so scheint's, um durch die Alleinberechtigung der Andern das Land zu
erhalten. Die Tage der Noth, sie bleiben nicht aus, werden zeigen, ans welcher
Seite man „conservativ" war für die Dynastie und die Regierung. Die innere
Ordnung und der Grenzschutz wurden zuerst von den Kräften vertreten, die man
jetzt bei Seite werfen will, um jene zu gewinnen, die nur sich selbst erhalten
wollen. Dieser übrigens natürliche Trieb wird sie seiner Zeit lehren, was sie zu
thun haben; die Elemente sind alle da, ein Urkanton ist so schnell fertig, als es
schwer sein wird, eine östreichische Provinz Tirol ohne Deutschland zu erhalten.




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[0310] andere Parteien des Großstaates als Tugendbeispiel bei der Katechese über die Unterthanspflichten zu benutzen. Die Tiroler sind uneigennützig, Oestreich weiß es, aber es antworte ihnen nicht, wenn sie wie jener Bettler sagen, „it laut vivre" — ,,.Jo u'en vois pas la vizevskiite." — Sechs Millionen gute Deutsche begehren mit den andern 40 Mil¬ lionen eins zu werden, damit Oestreich darüber verfügen könne, wenn einmal seine nichtdeutschen erklären, wir bedürfen auch keines fremden Fürsten mehr. Und Deutschland sagt, wir wollen auch diese sechs, damit wir ganz und einig sind. Anschluß — ungesäumt und ganz — an die deutsche Sache ist Rettung für das Haus Oestreich, und so bleibt ihm auch das kleine, arme, aber treue Land Tirol. Wir fürchten, es versteht auch hier nicht, was ihm Noth thut. Die Besten bei uns meinen so. Es ist nicht zu verkennen, daß auch das neue System mit dem Separatismus Tirols, wie er heute besteht, mit den Wramontanen sich ver¬ ständigt. Man überläßt ihm die constitutionelle Freiheit als Monopol. Jene die seit dem 15. März zu Oestreich mit ganzem Herzen schworen, und nun gesetzlich besaßen, was sie ersehnten, den Fortschritt und das gleiche Recht — descivouirt man — so scheint's, um durch die Alleinberechtigung der Andern das Land zu erhalten. Die Tage der Noth, sie bleiben nicht aus, werden zeigen, ans welcher Seite man „conservativ" war für die Dynastie und die Regierung. Die innere Ordnung und der Grenzschutz wurden zuerst von den Kräften vertreten, die man jetzt bei Seite werfen will, um jene zu gewinnen, die nur sich selbst erhalten wollen. Dieser übrigens natürliche Trieb wird sie seiner Zeit lehren, was sie zu thun haben; die Elemente sind alle da, ein Urkanton ist so schnell fertig, als es schwer sein wird, eine östreichische Provinz Tirol ohne Deutschland zu erhalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/310>, abgerufen am 26.06.2024.