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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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gehörte, stand sie noch im höhern Preise, -- jetzt wird ein vorgeschobenes Werk
aus ihr, ein Verlorner Posten.

Und erscheint der Tag, an dem die heilige Ilion hinsinkt, -- die Stunde,
welche das Kaiserthum Oestreich zur Unmöglichkeit macht, -- wer will den Ham¬
mer aufhalten, der zum Schlage ausholt, wünschte er's auch zu können? - was
geschieht dann mit dem Lande Tirol? -- Es wird nichts thun können zur Rettung
der großen Masse. -- Es kann den letzten Pfennig, den letzten Mann opfern für die
Dynastie, wird aber darum seinen"Gras" nicht als Kaiser erhalten. -- Die Habsburger
können hereinflüchten auf das ärmliche Schlößlein ob Meran, und sie werden sicher
schlafen unter den Reben der Etsch, -- die Hofburg in Wien aber werden ihnen
die Passeirer nicht wieder erobern; Ungarn und Jllyrien, Czechen und Polen wird
diese deutsche Treue nicht bekehren. Lösen sich bei einem wildern Drange von
Außen und Innen die Bestandtheile noch jäher, so fallen die welschen Kreise
Tirols dem Feinde im Süden zu, -- dnrch eigenen Willen oder Gewalt. Ver¬
lassen steht das deutsche Volk am Jnn und an der Etsch, -- es muß sich auf
jeden Fall an Deutschland anschließen und da bleiben nur zwei Wege: als
unabhängiges kleines Land unter einem Habsburger, vielleicht im Selbstregiment,
um nicht zu sagen als Republik -- oder es stellt sich unter den Schutz Baierns,
das ihm seine vollkommene Integrität und Individualität gewährleistet.

Wie sich auch die Begebnisse wenden, -- Tirol bleibt mit oder ohne Oestreich
angewiesen zum festesten, vollständigen Anschluß an Deutschland. Darin liegt die
Lebensbedingung dieses Landes. Die Erkenntniß dieser Wahrheit erstreckt sich bis
in die untersten Schichten, -- "die Grenze auf," ruft der Bauer seit Jahrzehen-
den. In den Wahlschreiben aller Abgeordneten zum Parlament in Frankfurt steht
dieser Satz obenan. --

Es gibt keine Parteimänner in dieser Frage, das Bedürfniß macht alle einig.
Das Vaterland gedeihet, ja es besteht nur dann, wenn die Clause sich aufthut.
Das Bewußtsein, täglich ausgehungert werden zu können, muß aufhören, -- der
Bauer muß auch wissen, wohin mit seinem Bodeugewinn. Arm, wie wir sind,
müssen wir uus nach außen rühren. Oestreich kann uns nichts geben, -- aber
es gibt uns alles, wenn es uns den vollen Verkehr, die Einigung mit Deutsch¬
land gewähret.

Wir wissen nicht, ob man im Ministerrathe in Wien besondere Rücksicht
nehmen wird aus die Nothdurft eiues Landes, das wie gesagt von seinem Werth
für die Monarchie schon viel verloren hat, seit Italien bei Seite fällt. Bei der
Staatenbund- oder Bundesstaatsfrage konnte auch nicht in Anschlag kommen, ob
bei einem Staatenbund Tirol verhungert, wenn der Nachbarstaat sein Getreide
absperrt, oder bei einem Bundesstaat für Oestreich nen gedeihet. Immerhin scheint
es aber, man will das Land Tirol noch insoweit sich erhalten wissen, um es für


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gehörte, stand sie noch im höhern Preise, — jetzt wird ein vorgeschobenes Werk
aus ihr, ein Verlorner Posten.

Und erscheint der Tag, an dem die heilige Ilion hinsinkt, — die Stunde,
welche das Kaiserthum Oestreich zur Unmöglichkeit macht, — wer will den Ham¬
mer aufhalten, der zum Schlage ausholt, wünschte er's auch zu können? - was
geschieht dann mit dem Lande Tirol? — Es wird nichts thun können zur Rettung
der großen Masse. — Es kann den letzten Pfennig, den letzten Mann opfern für die
Dynastie, wird aber darum seinen„Gras" nicht als Kaiser erhalten. — Die Habsburger
können hereinflüchten auf das ärmliche Schlößlein ob Meran, und sie werden sicher
schlafen unter den Reben der Etsch, — die Hofburg in Wien aber werden ihnen
die Passeirer nicht wieder erobern; Ungarn und Jllyrien, Czechen und Polen wird
diese deutsche Treue nicht bekehren. Lösen sich bei einem wildern Drange von
Außen und Innen die Bestandtheile noch jäher, so fallen die welschen Kreise
Tirols dem Feinde im Süden zu, — dnrch eigenen Willen oder Gewalt. Ver¬
lassen steht das deutsche Volk am Jnn und an der Etsch, — es muß sich auf
jeden Fall an Deutschland anschließen und da bleiben nur zwei Wege: als
unabhängiges kleines Land unter einem Habsburger, vielleicht im Selbstregiment,
um nicht zu sagen als Republik — oder es stellt sich unter den Schutz Baierns,
das ihm seine vollkommene Integrität und Individualität gewährleistet.

Wie sich auch die Begebnisse wenden, — Tirol bleibt mit oder ohne Oestreich
angewiesen zum festesten, vollständigen Anschluß an Deutschland. Darin liegt die
Lebensbedingung dieses Landes. Die Erkenntniß dieser Wahrheit erstreckt sich bis
in die untersten Schichten, — „die Grenze auf," ruft der Bauer seit Jahrzehen-
den. In den Wahlschreiben aller Abgeordneten zum Parlament in Frankfurt steht
dieser Satz obenan. —

Es gibt keine Parteimänner in dieser Frage, das Bedürfniß macht alle einig.
Das Vaterland gedeihet, ja es besteht nur dann, wenn die Clause sich aufthut.
Das Bewußtsein, täglich ausgehungert werden zu können, muß aufhören, — der
Bauer muß auch wissen, wohin mit seinem Bodeugewinn. Arm, wie wir sind,
müssen wir uus nach außen rühren. Oestreich kann uns nichts geben, — aber
es gibt uns alles, wenn es uns den vollen Verkehr, die Einigung mit Deutsch¬
land gewähret.

Wir wissen nicht, ob man im Ministerrathe in Wien besondere Rücksicht
nehmen wird aus die Nothdurft eiues Landes, das wie gesagt von seinem Werth
für die Monarchie schon viel verloren hat, seit Italien bei Seite fällt. Bei der
Staatenbund- oder Bundesstaatsfrage konnte auch nicht in Anschlag kommen, ob
bei einem Staatenbund Tirol verhungert, wenn der Nachbarstaat sein Getreide
absperrt, oder bei einem Bundesstaat für Oestreich nen gedeihet. Immerhin scheint
es aber, man will das Land Tirol noch insoweit sich erhalten wissen, um es für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/309>, abgerufen am 26.06.2024.