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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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unkluge Maßregel grade das Gegentheil von dem bewirkt, was man erreichen
wollte.

Wenn nun alles vorstehend Angeführte dem Gros der hiesigen Bevölkerung
zur Schmach gereicht, indem es zur Genüge darthut, wie weit wir noch hinter
der Zeit und deren Anforderungen zurück sind, so dürfte uus doch die für das
deutsche Parlament getroffene Wahl, mit Ausnahme der des intelligenten Dr.
Heat scher, noch tiefer in den Augen des übrigen Deutschlands herabsetzen. Wir
glauben vorausschicken zu müssen, daß die beiden Mitcrwähltcn, die Herren Roß
und Merck, in ihrem Privatleben als durchaus ehrenhafte, ja sogar als edle
Männer, die mit Recht des besten Rufes genießen, dastehen. Allein es kam we¬
niger darauf an, bürgerlich Unbescholtene, denn wirkliche geistige Kapacitäten
nach Frankfurt zu senden und in dieser Hinsicht ist die Wahl als durchaus ver¬
fehlt zu betrachten. Schwerlich wird dem Vaterlande durch diese Abgeordneten
irgend ein Heil erblühen; schwerlich werden sie anch dem übrigen Deutschland
einen Beweis liefern, daß man uns verleumdete, wenn man uns in intellectueller
Hinsicht recht tief stellte.

Und um uns ans solche Weise zu blamiren, mußte mau sogar seiue Zuflucht
zu unwürdigen Mitteln, zu den schmählichsten Wahlumtricben nehmen! -- Es
stand bei deu guten Hamburgern fest, daß keiner der sogenannten "Schreier,"
dagegen aber gewiß Männer von "guter Familie" in's Parlament sollten.
Man sah sich also uach solchen, nicht nach Kapacitäten, um und machte die Ent¬
deckung, daß die beiden vorgenannten Herren die erste Bedingung im vollsten
Maße erfüllten, da sie reich, folglich hier sehr angesehen waren. "Herr Merck
hatte überdies," wie naiv genug in einer Empfehlung desselben zur Wahl in
einem öffentlichen Blatte bemerkt wurde, "eine Frankfurterin zur Frau," wie
hätte man da anstehen sollen, ihn nach Frankfurt zu senden, wo er so angenehme
Tage im Schooße seiner Familie zubringen konnte? Ob man für die Wahl des
Herrn Roß einen ähnlichen Grund geltend machen konnte, wissen wir nicht, wohl
aber, daß man leicht eine bessere hätte treffen können.

Um einen Begriff von der Intelligenz unserer Abgeordneten zu geben, führen
wir nur einen Passus ans der Rede des Herrn Merck an, die er als Wahlcau-
didat vor der versammelten, über dieselbe entzückte Börse hielt. "Er sei," sagte
Herr Merck, "ein eifriger Freund des Freihandel-Systems und ein abgesagter
Feind des Communismus und Socialismus, und werde beide mit allen ihm
innewohnenden Kräften bekämpfen; ob er aber werde leisten können, was er hier
seinen Mitbürgern verspräche, "das wisse Gott!" -- Ob Herr Ernst Merck wohl
einen Begriff vom Socialismus hat? Wir zweifeln sehr daran; aber trotz dieses
Unsinns wurde seine Rede beklatscht, als ein Meisterstück der Beredsamkeit in
den Himmel erhoben und in dieser Begeisterung Alles aufgeboten, um die Wahl
eines Mannes zu sichern, der angelobt hatte: "die socialistischen Ideen" mit


unkluge Maßregel grade das Gegentheil von dem bewirkt, was man erreichen
wollte.

Wenn nun alles vorstehend Angeführte dem Gros der hiesigen Bevölkerung
zur Schmach gereicht, indem es zur Genüge darthut, wie weit wir noch hinter
der Zeit und deren Anforderungen zurück sind, so dürfte uus doch die für das
deutsche Parlament getroffene Wahl, mit Ausnahme der des intelligenten Dr.
Heat scher, noch tiefer in den Augen des übrigen Deutschlands herabsetzen. Wir
glauben vorausschicken zu müssen, daß die beiden Mitcrwähltcn, die Herren Roß
und Merck, in ihrem Privatleben als durchaus ehrenhafte, ja sogar als edle
Männer, die mit Recht des besten Rufes genießen, dastehen. Allein es kam we¬
niger darauf an, bürgerlich Unbescholtene, denn wirkliche geistige Kapacitäten
nach Frankfurt zu senden und in dieser Hinsicht ist die Wahl als durchaus ver¬
fehlt zu betrachten. Schwerlich wird dem Vaterlande durch diese Abgeordneten
irgend ein Heil erblühen; schwerlich werden sie anch dem übrigen Deutschland
einen Beweis liefern, daß man uns verleumdete, wenn man uns in intellectueller
Hinsicht recht tief stellte.

Und um uns ans solche Weise zu blamiren, mußte mau sogar seiue Zuflucht
zu unwürdigen Mitteln, zu den schmählichsten Wahlumtricben nehmen! — Es
stand bei deu guten Hamburgern fest, daß keiner der sogenannten „Schreier,"
dagegen aber gewiß Männer von „guter Familie" in's Parlament sollten.
Man sah sich also uach solchen, nicht nach Kapacitäten, um und machte die Ent¬
deckung, daß die beiden vorgenannten Herren die erste Bedingung im vollsten
Maße erfüllten, da sie reich, folglich hier sehr angesehen waren. „Herr Merck
hatte überdies," wie naiv genug in einer Empfehlung desselben zur Wahl in
einem öffentlichen Blatte bemerkt wurde, „eine Frankfurterin zur Frau," wie
hätte man da anstehen sollen, ihn nach Frankfurt zu senden, wo er so angenehme
Tage im Schooße seiner Familie zubringen konnte? Ob man für die Wahl des
Herrn Roß einen ähnlichen Grund geltend machen konnte, wissen wir nicht, wohl
aber, daß man leicht eine bessere hätte treffen können.

Um einen Begriff von der Intelligenz unserer Abgeordneten zu geben, führen
wir nur einen Passus ans der Rede des Herrn Merck an, die er als Wahlcau-
didat vor der versammelten, über dieselbe entzückte Börse hielt. „Er sei," sagte
Herr Merck, „ein eifriger Freund des Freihandel-Systems und ein abgesagter
Feind des Communismus und Socialismus, und werde beide mit allen ihm
innewohnenden Kräften bekämpfen; ob er aber werde leisten können, was er hier
seinen Mitbürgern verspräche, „das wisse Gott!" — Ob Herr Ernst Merck wohl
einen Begriff vom Socialismus hat? Wir zweifeln sehr daran; aber trotz dieses
Unsinns wurde seine Rede beklatscht, als ein Meisterstück der Beredsamkeit in
den Himmel erhoben und in dieser Begeisterung Alles aufgeboten, um die Wahl
eines Mannes zu sichern, der angelobt hatte: „die socialistischen Ideen" mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/300>, abgerufen am 26.06.2024.