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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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oder Freiheitsstrafe gebüßt werden, so daß die Presse, wäre dieses Gesetz durch¬
gegangen, noch weit mehr als früher schon geknechtet worden wäre. Freilich zog
der Herr Criminal - Actuar einige Buchhändler und Buchdrucker zu Rath, aber
nur zum Scheine, denn er hörte nicht auf ihre Einwendungen. Zum Glück siel
diese vortreffliche Crimiualarbeit durch die bekannten Beschlüsse über die deutsche
Presse zu Frankfurt in's Wasser und von der uns von Seiten Hochweisen Senats
zugedachten Beglückung bleibt uns keine andere übrig, als die dem Herrn Ol-.
Ascher vielleicht lebenslänglich 10,000 Mark für die gehabte vergebliche Mühe
zahlen zu müssen, da er, um dem in ihn gesetzten Vertrauen der Reactionäre
entsprechen zu können, seine lucrative Stellung in Berlin aufgeben mußte. Fälle
der Art kamen hier früher so oft vor, daß sich über diese wahnsinnige Geldver-
schleudernng kein Mensch wundert; ja sie wird nicht einmal besprochen!

Nachdem nun der erste Schritt zur Reaction gewagt, und allein vou der
Presse, nicht von der Masse, gezüchtigt worden, erhoben sich die Reactionären
schon kühner und glaubten mit Recht, weiter gehen zu dürfen. Auch der bereits
wie todt am Boden liegende Senat mit seinen Anhängseln, den Kollegien, er¬
wachte zu neuem Leben, zu neuer Wirksamkeit, und um einen Beweis von dem
ihm innewohnenden Muthe zu geben, dccrctirte er die Ausweisung dreier Schrift¬
steller, die kein anderes Verbrechen begangen, denn das, im Geiste des Fort¬
schritts gedacht nud geschrieben zu haben. Unter diesen Ausgewiesenen befindet
sich ein Bürger der freien Nordamerikanischen Staaten, des Landes, wohin Eu¬
ropa Hunderttausende von Auswanderern gesandt hat und senden wird, und die
dort als Brüder aufgenommen wurden! Auch haben die drei Betroffenen beim
deutschen Parlament Klage über die vom Hamburger Senate gegen sie verfügte
Maßregel geführt und werden sicher eine cclarante Satisfaction erhalten.

So weit es überhaupt jetzt noch möglich ist, werden Schriftsteller und Presse
hier noch immer aufs Aeußerste verfolgt und es kommen dabei die schreiendsten
Ungerechtigkeiten an den Tag. Das wirksamste Mittel, mißliebige Zeitschriften
zu unterdrücken, war früher die Auferlegung des Stempels, welche um so schwerer
und vernichtender traf, da man die servilen Blätter damit verschonte, wodurch sie
wohlfeiler und anch öfter geliefert werden, folglich die Concurrenz siegreich be¬
stehen konnten. Eine solche Maßregel ergriff man in den letzten Tagen auch gegen
den wieder ausgelebten, allerdings für die Neactionären höchst unbequemen "Mc-
Phistopheles" des Herrn M. Marr. Man glaubte dieses mißliebige Blatt
durch den demselben auferlegten Stempel zu unterdrücken; allein Herr Marr schlug
den weisen Herren ein Schnippchen, indem er den Druck und Verlag seines "Me-
Phistophelcö" nach dem nur eine halbe Stunde von Hamburg entfernten holstei¬
nischen Flecken Wandsbeck verlegte, von wo aus er nun mit verdoppelter Kraft
seine Blitze gegen die Reaction schleudert. Mau hat also durch die getroffene


Grenzboten. II. Z8

oder Freiheitsstrafe gebüßt werden, so daß die Presse, wäre dieses Gesetz durch¬
gegangen, noch weit mehr als früher schon geknechtet worden wäre. Freilich zog
der Herr Criminal - Actuar einige Buchhändler und Buchdrucker zu Rath, aber
nur zum Scheine, denn er hörte nicht auf ihre Einwendungen. Zum Glück siel
diese vortreffliche Crimiualarbeit durch die bekannten Beschlüsse über die deutsche
Presse zu Frankfurt in's Wasser und von der uns von Seiten Hochweisen Senats
zugedachten Beglückung bleibt uns keine andere übrig, als die dem Herrn Ol-.
Ascher vielleicht lebenslänglich 10,000 Mark für die gehabte vergebliche Mühe
zahlen zu müssen, da er, um dem in ihn gesetzten Vertrauen der Reactionäre
entsprechen zu können, seine lucrative Stellung in Berlin aufgeben mußte. Fälle
der Art kamen hier früher so oft vor, daß sich über diese wahnsinnige Geldver-
schleudernng kein Mensch wundert; ja sie wird nicht einmal besprochen!

Nachdem nun der erste Schritt zur Reaction gewagt, und allein vou der
Presse, nicht von der Masse, gezüchtigt worden, erhoben sich die Reactionären
schon kühner und glaubten mit Recht, weiter gehen zu dürfen. Auch der bereits
wie todt am Boden liegende Senat mit seinen Anhängseln, den Kollegien, er¬
wachte zu neuem Leben, zu neuer Wirksamkeit, und um einen Beweis von dem
ihm innewohnenden Muthe zu geben, dccrctirte er die Ausweisung dreier Schrift¬
steller, die kein anderes Verbrechen begangen, denn das, im Geiste des Fort¬
schritts gedacht nud geschrieben zu haben. Unter diesen Ausgewiesenen befindet
sich ein Bürger der freien Nordamerikanischen Staaten, des Landes, wohin Eu¬
ropa Hunderttausende von Auswanderern gesandt hat und senden wird, und die
dort als Brüder aufgenommen wurden! Auch haben die drei Betroffenen beim
deutschen Parlament Klage über die vom Hamburger Senate gegen sie verfügte
Maßregel geführt und werden sicher eine cclarante Satisfaction erhalten.

So weit es überhaupt jetzt noch möglich ist, werden Schriftsteller und Presse
hier noch immer aufs Aeußerste verfolgt und es kommen dabei die schreiendsten
Ungerechtigkeiten an den Tag. Das wirksamste Mittel, mißliebige Zeitschriften
zu unterdrücken, war früher die Auferlegung des Stempels, welche um so schwerer
und vernichtender traf, da man die servilen Blätter damit verschonte, wodurch sie
wohlfeiler und anch öfter geliefert werden, folglich die Concurrenz siegreich be¬
stehen konnten. Eine solche Maßregel ergriff man in den letzten Tagen auch gegen
den wieder ausgelebten, allerdings für die Neactionären höchst unbequemen „Mc-
Phistopheles" des Herrn M. Marr. Man glaubte dieses mißliebige Blatt
durch den demselben auferlegten Stempel zu unterdrücken; allein Herr Marr schlug
den weisen Herren ein Schnippchen, indem er den Druck und Verlag seines „Me-
Phistophelcö" nach dem nur eine halbe Stunde von Hamburg entfernten holstei¬
nischen Flecken Wandsbeck verlegte, von wo aus er nun mit verdoppelter Kraft
seine Blitze gegen die Reaction schleudert. Mau hat also durch die getroffene


Grenzboten. II. Z8
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[0299] oder Freiheitsstrafe gebüßt werden, so daß die Presse, wäre dieses Gesetz durch¬ gegangen, noch weit mehr als früher schon geknechtet worden wäre. Freilich zog der Herr Criminal - Actuar einige Buchhändler und Buchdrucker zu Rath, aber nur zum Scheine, denn er hörte nicht auf ihre Einwendungen. Zum Glück siel diese vortreffliche Crimiualarbeit durch die bekannten Beschlüsse über die deutsche Presse zu Frankfurt in's Wasser und von der uns von Seiten Hochweisen Senats zugedachten Beglückung bleibt uns keine andere übrig, als die dem Herrn Ol-. Ascher vielleicht lebenslänglich 10,000 Mark für die gehabte vergebliche Mühe zahlen zu müssen, da er, um dem in ihn gesetzten Vertrauen der Reactionäre entsprechen zu können, seine lucrative Stellung in Berlin aufgeben mußte. Fälle der Art kamen hier früher so oft vor, daß sich über diese wahnsinnige Geldver- schleudernng kein Mensch wundert; ja sie wird nicht einmal besprochen! Nachdem nun der erste Schritt zur Reaction gewagt, und allein vou der Presse, nicht von der Masse, gezüchtigt worden, erhoben sich die Reactionären schon kühner und glaubten mit Recht, weiter gehen zu dürfen. Auch der bereits wie todt am Boden liegende Senat mit seinen Anhängseln, den Kollegien, er¬ wachte zu neuem Leben, zu neuer Wirksamkeit, und um einen Beweis von dem ihm innewohnenden Muthe zu geben, dccrctirte er die Ausweisung dreier Schrift¬ steller, die kein anderes Verbrechen begangen, denn das, im Geiste des Fort¬ schritts gedacht nud geschrieben zu haben. Unter diesen Ausgewiesenen befindet sich ein Bürger der freien Nordamerikanischen Staaten, des Landes, wohin Eu¬ ropa Hunderttausende von Auswanderern gesandt hat und senden wird, und die dort als Brüder aufgenommen wurden! Auch haben die drei Betroffenen beim deutschen Parlament Klage über die vom Hamburger Senate gegen sie verfügte Maßregel geführt und werden sicher eine cclarante Satisfaction erhalten. So weit es überhaupt jetzt noch möglich ist, werden Schriftsteller und Presse hier noch immer aufs Aeußerste verfolgt und es kommen dabei die schreiendsten Ungerechtigkeiten an den Tag. Das wirksamste Mittel, mißliebige Zeitschriften zu unterdrücken, war früher die Auferlegung des Stempels, welche um so schwerer und vernichtender traf, da man die servilen Blätter damit verschonte, wodurch sie wohlfeiler und anch öfter geliefert werden, folglich die Concurrenz siegreich be¬ stehen konnten. Eine solche Maßregel ergriff man in den letzten Tagen auch gegen den wieder ausgelebten, allerdings für die Neactionären höchst unbequemen „Mc- Phistopheles" des Herrn M. Marr. Man glaubte dieses mißliebige Blatt durch den demselben auferlegten Stempel zu unterdrücken; allein Herr Marr schlug den weisen Herren ein Schnippchen, indem er den Druck und Verlag seines „Me- Phistophelcö" nach dem nur eine halbe Stunde von Hamburg entfernten holstei¬ nischen Flecken Wandsbeck verlegte, von wo aus er nun mit verdoppelter Kraft seine Blitze gegen die Reaction schleudert. Mau hat also durch die getroffene Grenzboten. II. Z8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/299>, abgerufen am 26.06.2024.