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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Versammlungen stimmten leidenschaftlich für "Staatenbund;" ja die Ultraöstreicher,
die im Herzen für das reine aneivii rvAimo brannten, wagten wieder in Masse
das Haupt zu erheben und nur als ein Paar dieser Stockkaiserlichen in einer po¬
litischen Versammlung zu plump mit der Sprache herausplatzten, wurden sie
"friedlichst" hinausgeworfen.

Das Perthalerthum war so wenig ein leerer Popanz, es bekam bald eine so
schwere offizielle Bedeutung, daß die ganze deutsche Presse mit Karthaunen groß
und klein dagegen zu Felde ziehe" mußte. In Wien selbst hat die vortreffliche
"Oestreichische Zeitung" nicht aufgehört, gegen die Isolirung Oestreichs mit klaren
und gewichtigen Gründen zu sprechen. Aber alle gedruckte Beredsamkeit fruchtete
Nichts. Thatsachen sind die beseelt Redner, und sie blieben nicht aus.

Erstens offenbarte sich die Schwäche der Monarchie. Trotz ihrer allmächtigen
geographischen Lage, trotz der Karpathenpässe, welche die Weichselniedernngen, und
der Etsch- und Pvthäler, welche den Weg nach Italien beherrschen sollen, kann
die Monarchie, ohne innigste Verbindung mit Deutschland, nicht ein Titelchen
jener Grvßmächtigkeit retten, auf welche die Ultraöstreicher pochten. Die euro¬
päische Großmacht, -- so viel hätte beim Beginn der Revolution Allen klar sein
müssen -- hatte Oestreich nur unter dem antediluvianischer Regime spielen können,
gehalten einerseits durch das EinVerständniß mit Rußland, andrerseits dnrch die
Ruhe im Westen und überhaupt durch den Glauben an die Heiligkeit des euro¬
päischen Gleichgewichts, der weder Polen noch Italienern die leiseste Regung er¬
laubte. Der Erfolg des italienischen Krieges wurde täglich zweifelhafter, denn
der greise Radetzky operirr, als würden ihm noch von der Wiener Hofkriegscom¬
mission Märsche und Bataillen auf drei Wochen im Voraus vorgeschrieben. Un¬
garn, seinerseits, hatte, ehe man sich's versah, eine fast ganz unabhängige Stellung
eingenommen, verweigerte 10 Millionen Staatsschuld auf seiue Schultern zu neh¬
men und verlangt sogar einen Theil seiner Truppen ans Italien zurück. -- Ist
das nicht offene Losreißung, gelinde Rebellion? Und wo sind die Execntions-
mittel dagegen?

Zweitens zeigte die Regierung, dnrch ihr schwankendes Benehmen bei Aus¬
schreibung der Parlamentswahlen, durch ihr nnvcrhnlltes Cvquettiren mit dem
czechomcnnschen Nationalcomitv zu Prag, welcher Art die freundschaftliche Pro-
tection wäre, die nicht etwa Dentschland, sondern das deutsche Element in der
Monarchie selbst von ihr zu hoffen hätte. Die schmählich kalte Aufnahme der
deutschen Deputation ans Prag und der huldvolle Empfang der Czechvmauen von
dort sprachen deutlich genug. Es mußte so weit kommen, daß die Augsburger
Allgemeine Zeitung -- gewiß kein geringfügiges Zeichen der Zeit -- gegen die
östreichische Regierung Front machte. Sie, die langjährige, wohlwollende alte
Hausfreundin des Kaiserthums, die gewohnt war, jedes Wort des Tadels oder
ihres unmaßgeblichen Rathes dreimal auf die Goldwage zu legen; sie, welche


Versammlungen stimmten leidenschaftlich für „Staatenbund;" ja die Ultraöstreicher,
die im Herzen für das reine aneivii rvAimo brannten, wagten wieder in Masse
das Haupt zu erheben und nur als ein Paar dieser Stockkaiserlichen in einer po¬
litischen Versammlung zu plump mit der Sprache herausplatzten, wurden sie
„friedlichst" hinausgeworfen.

Das Perthalerthum war so wenig ein leerer Popanz, es bekam bald eine so
schwere offizielle Bedeutung, daß die ganze deutsche Presse mit Karthaunen groß
und klein dagegen zu Felde ziehe» mußte. In Wien selbst hat die vortreffliche
„Oestreichische Zeitung" nicht aufgehört, gegen die Isolirung Oestreichs mit klaren
und gewichtigen Gründen zu sprechen. Aber alle gedruckte Beredsamkeit fruchtete
Nichts. Thatsachen sind die beseelt Redner, und sie blieben nicht aus.

Erstens offenbarte sich die Schwäche der Monarchie. Trotz ihrer allmächtigen
geographischen Lage, trotz der Karpathenpässe, welche die Weichselniedernngen, und
der Etsch- und Pvthäler, welche den Weg nach Italien beherrschen sollen, kann
die Monarchie, ohne innigste Verbindung mit Deutschland, nicht ein Titelchen
jener Grvßmächtigkeit retten, auf welche die Ultraöstreicher pochten. Die euro¬
päische Großmacht, — so viel hätte beim Beginn der Revolution Allen klar sein
müssen — hatte Oestreich nur unter dem antediluvianischer Regime spielen können,
gehalten einerseits durch das EinVerständniß mit Rußland, andrerseits dnrch die
Ruhe im Westen und überhaupt durch den Glauben an die Heiligkeit des euro¬
päischen Gleichgewichts, der weder Polen noch Italienern die leiseste Regung er¬
laubte. Der Erfolg des italienischen Krieges wurde täglich zweifelhafter, denn
der greise Radetzky operirr, als würden ihm noch von der Wiener Hofkriegscom¬
mission Märsche und Bataillen auf drei Wochen im Voraus vorgeschrieben. Un¬
garn, seinerseits, hatte, ehe man sich's versah, eine fast ganz unabhängige Stellung
eingenommen, verweigerte 10 Millionen Staatsschuld auf seiue Schultern zu neh¬
men und verlangt sogar einen Theil seiner Truppen ans Italien zurück. — Ist
das nicht offene Losreißung, gelinde Rebellion? Und wo sind die Execntions-
mittel dagegen?

Zweitens zeigte die Regierung, dnrch ihr schwankendes Benehmen bei Aus¬
schreibung der Parlamentswahlen, durch ihr nnvcrhnlltes Cvquettiren mit dem
czechomcnnschen Nationalcomitv zu Prag, welcher Art die freundschaftliche Pro-
tection wäre, die nicht etwa Dentschland, sondern das deutsche Element in der
Monarchie selbst von ihr zu hoffen hätte. Die schmählich kalte Aufnahme der
deutschen Deputation ans Prag und der huldvolle Empfang der Czechvmauen von
dort sprachen deutlich genug. Es mußte so weit kommen, daß die Augsburger
Allgemeine Zeitung — gewiß kein geringfügiges Zeichen der Zeit — gegen die
östreichische Regierung Front machte. Sie, die langjährige, wohlwollende alte
Hausfreundin des Kaiserthums, die gewohnt war, jedes Wort des Tadels oder
ihres unmaßgeblichen Rathes dreimal auf die Goldwage zu legen; sie, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/280>, abgerufen am 26.06.2024.