Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stets, selbst nach den Märztagen, ans die schwierige Stellung Oestreichs die scho-
nendste Rücksicht nahm, verlor endlich auch die Geduld und sah ein, daß dies
keine Zeit mehr für's Leisctrcten und Streicheln und Diplomatistren sei. Die
Augsburger, sonst das Orakel des Konservatismus in Oestreich, hat den aller¬
höchsten Personen mit einem Male Dinge gesagt, wovon ihnen die Ohren gellen
und die Fensterscheiben in der Hofburg klirren mochten.

Jetzt sanken die Actien der Ultraöstreicher und der "Staateubündler." Man
begann mit Schrecken zu ahnen, wohin die Isolirung Oestreichs führen müsse und
söhnte sich mit dem Gedanken an den unmittelbaren Anschluß allmälig ans. Wenn
Oestreich nicht freiwillig uns in die Arme sank, so konnte es nach einer längern
oder kürzern Galgenfrist schwerlich einer Explosion entgehen, dnrch welche wenig¬
stens die deutschen Elemente Oestreichs uns zuflogen, -- ans unsanfte Weise
obendrein.

Aber das Perthalerthum war in Wien noch nicht ganz erstorben, als es auf
einem andern Felde schon auferstand und rasch zu einer gefährlichen Bedeutung
erwuchs. Es wurde nämlich in's Slavische übersetzt, erst durch Palacky, dann
durch Jellacicz und Seur. Die Slaven hatten mit großer Schlauheit den Par°
teienstreit in Wien beobachtet und rasch des Pudels Kern herausgefunden. --
"Das Cabinet", so mögen sie argumentire haben, "ist weder deutsch, noch italie¬
nisch, noch slavisch, sondern dynastisch, d. h. habsburgisch. Ihm ist es gleich,
welche Nationalität es beherrscht, und uns ist es einerlei, welche Konstitution wir
bekommen, vorausgesetzt, daß unsere Nationalität dabei sich consolidiren kann.
Die Italiener haben Recht, wenn sie keine Unterthanen des Kaisertums bleiben
wollen, denn sie wären in der Minorität; wir Slaven aber können nur dabei ge¬
winnen, wenn Oestreich das alte bleibt. Schwach gegen Deutschland, sind wir
numerisch den Deutschen im Kaiserthum überlegen. Die Dynastie wird sich auf
die größere Masse ihrer Unterthanen, also ans den Slavismus stützen müssen, um
absolut herrschen zu können. Was schadet die Abkunft der Dynastie? In Peters¬
burg herrscht ja auch eine deutsche Familie. Bestärker wir sie also in der Furcht
vor der Republik und bieten ihr unsere Stütze an, so stechen wir die Deut¬
schen aus."

In einem solchen Wettstreit um das Verdienst, die Monarchie zu erhalten,
ist der Vortheil allerdings auf Seite der Slaven. Da den Panslavisten an Frei¬
heit, Bildung und modernen Ideen sehr wenig und Alles nur an der künftigen
Herrschaft ihrer Slovenia gelegen ist, so können sie dem Cabinet eine unerhörte
Summe von Loyalität und absolutem Gehorsam biete". Die Lehre vom östreichisch
kaiserlichen Bewußtsein war ihnen ganz aus der Seele geschrieben. Das aocieu
re^ime erscheint ihnen als ein paradiesisches Zeitalter, welches um jeden Preis
festgehalten werden müsse und charakteristisch ist, daß die Monarchie, welche, bei
der Bewerbung um den deutschen Kaisermantel, sich auf ihre historischen Verdienste


stets, selbst nach den Märztagen, ans die schwierige Stellung Oestreichs die scho-
nendste Rücksicht nahm, verlor endlich auch die Geduld und sah ein, daß dies
keine Zeit mehr für's Leisctrcten und Streicheln und Diplomatistren sei. Die
Augsburger, sonst das Orakel des Konservatismus in Oestreich, hat den aller¬
höchsten Personen mit einem Male Dinge gesagt, wovon ihnen die Ohren gellen
und die Fensterscheiben in der Hofburg klirren mochten.

Jetzt sanken die Actien der Ultraöstreicher und der „Staateubündler." Man
begann mit Schrecken zu ahnen, wohin die Isolirung Oestreichs führen müsse und
söhnte sich mit dem Gedanken an den unmittelbaren Anschluß allmälig ans. Wenn
Oestreich nicht freiwillig uns in die Arme sank, so konnte es nach einer längern
oder kürzern Galgenfrist schwerlich einer Explosion entgehen, dnrch welche wenig¬
stens die deutschen Elemente Oestreichs uns zuflogen, — ans unsanfte Weise
obendrein.

Aber das Perthalerthum war in Wien noch nicht ganz erstorben, als es auf
einem andern Felde schon auferstand und rasch zu einer gefährlichen Bedeutung
erwuchs. Es wurde nämlich in's Slavische übersetzt, erst durch Palacky, dann
durch Jellacicz und Seur. Die Slaven hatten mit großer Schlauheit den Par°
teienstreit in Wien beobachtet und rasch des Pudels Kern herausgefunden. —
„Das Cabinet", so mögen sie argumentire haben, „ist weder deutsch, noch italie¬
nisch, noch slavisch, sondern dynastisch, d. h. habsburgisch. Ihm ist es gleich,
welche Nationalität es beherrscht, und uns ist es einerlei, welche Konstitution wir
bekommen, vorausgesetzt, daß unsere Nationalität dabei sich consolidiren kann.
Die Italiener haben Recht, wenn sie keine Unterthanen des Kaisertums bleiben
wollen, denn sie wären in der Minorität; wir Slaven aber können nur dabei ge¬
winnen, wenn Oestreich das alte bleibt. Schwach gegen Deutschland, sind wir
numerisch den Deutschen im Kaiserthum überlegen. Die Dynastie wird sich auf
die größere Masse ihrer Unterthanen, also ans den Slavismus stützen müssen, um
absolut herrschen zu können. Was schadet die Abkunft der Dynastie? In Peters¬
burg herrscht ja auch eine deutsche Familie. Bestärker wir sie also in der Furcht
vor der Republik und bieten ihr unsere Stütze an, so stechen wir die Deut¬
schen aus."

In einem solchen Wettstreit um das Verdienst, die Monarchie zu erhalten,
ist der Vortheil allerdings auf Seite der Slaven. Da den Panslavisten an Frei¬
heit, Bildung und modernen Ideen sehr wenig und Alles nur an der künftigen
Herrschaft ihrer Slovenia gelegen ist, so können sie dem Cabinet eine unerhörte
Summe von Loyalität und absolutem Gehorsam biete». Die Lehre vom östreichisch
kaiserlichen Bewußtsein war ihnen ganz aus der Seele geschrieben. Das aocieu
re^ime erscheint ihnen als ein paradiesisches Zeitalter, welches um jeden Preis
festgehalten werden müsse und charakteristisch ist, daß die Monarchie, welche, bei
der Bewerbung um den deutschen Kaisermantel, sich auf ihre historischen Verdienste


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276487"/>
          <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> stets, selbst nach den Märztagen, ans die schwierige Stellung Oestreichs die scho-<lb/>
nendste Rücksicht nahm, verlor endlich auch die Geduld und sah ein, daß dies<lb/>
keine Zeit mehr für's Leisctrcten und Streicheln und Diplomatistren sei. Die<lb/>
Augsburger, sonst das Orakel des Konservatismus in Oestreich, hat den aller¬<lb/>
höchsten Personen mit einem Male Dinge gesagt, wovon ihnen die Ohren gellen<lb/>
und die Fensterscheiben in der Hofburg klirren mochten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_968"> Jetzt sanken die Actien der Ultraöstreicher und der &#x201E;Staateubündler." Man<lb/>
begann mit Schrecken zu ahnen, wohin die Isolirung Oestreichs führen müsse und<lb/>
söhnte sich mit dem Gedanken an den unmittelbaren Anschluß allmälig ans. Wenn<lb/>
Oestreich nicht freiwillig uns in die Arme sank, so konnte es nach einer längern<lb/>
oder kürzern Galgenfrist schwerlich einer Explosion entgehen, dnrch welche wenig¬<lb/>
stens die deutschen Elemente Oestreichs uns zuflogen, &#x2014; ans unsanfte Weise<lb/>
obendrein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_969"> Aber das Perthalerthum war in Wien noch nicht ganz erstorben, als es auf<lb/>
einem andern Felde schon auferstand und rasch zu einer gefährlichen Bedeutung<lb/>
erwuchs. Es wurde nämlich in's Slavische übersetzt, erst durch Palacky, dann<lb/>
durch Jellacicz und Seur. Die Slaven hatten mit großer Schlauheit den Par°<lb/>
teienstreit in Wien beobachtet und rasch des Pudels Kern herausgefunden. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Das Cabinet", so mögen sie argumentire haben, &#x201E;ist weder deutsch, noch italie¬<lb/>
nisch, noch slavisch, sondern dynastisch, d. h. habsburgisch. Ihm ist es gleich,<lb/>
welche Nationalität es beherrscht, und uns ist es einerlei, welche Konstitution wir<lb/>
bekommen, vorausgesetzt, daß unsere Nationalität dabei sich consolidiren kann.<lb/>
Die Italiener haben Recht, wenn sie keine Unterthanen des Kaisertums bleiben<lb/>
wollen, denn sie wären in der Minorität; wir Slaven aber können nur dabei ge¬<lb/>
winnen, wenn Oestreich das alte bleibt. Schwach gegen Deutschland, sind wir<lb/>
numerisch den Deutschen im Kaiserthum überlegen. Die Dynastie wird sich auf<lb/>
die größere Masse ihrer Unterthanen, also ans den Slavismus stützen müssen, um<lb/>
absolut herrschen zu können. Was schadet die Abkunft der Dynastie? In Peters¬<lb/>
burg herrscht ja auch eine deutsche Familie. Bestärker wir sie also in der Furcht<lb/>
vor der Republik und bieten ihr unsere Stütze an, so stechen wir die Deut¬<lb/>
schen aus."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_970" next="#ID_971"> In einem solchen Wettstreit um das Verdienst, die Monarchie zu erhalten,<lb/>
ist der Vortheil allerdings auf Seite der Slaven. Da den Panslavisten an Frei¬<lb/>
heit, Bildung und modernen Ideen sehr wenig und Alles nur an der künftigen<lb/>
Herrschaft ihrer Slovenia gelegen ist, so können sie dem Cabinet eine unerhörte<lb/>
Summe von Loyalität und absolutem Gehorsam biete». Die Lehre vom östreichisch<lb/>
kaiserlichen Bewußtsein war ihnen ganz aus der Seele geschrieben. Das aocieu<lb/>
re^ime erscheint ihnen als ein paradiesisches Zeitalter, welches um jeden Preis<lb/>
festgehalten werden müsse und charakteristisch ist, daß die Monarchie, welche, bei<lb/>
der Bewerbung um den deutschen Kaisermantel, sich auf ihre historischen Verdienste</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0281] stets, selbst nach den Märztagen, ans die schwierige Stellung Oestreichs die scho- nendste Rücksicht nahm, verlor endlich auch die Geduld und sah ein, daß dies keine Zeit mehr für's Leisctrcten und Streicheln und Diplomatistren sei. Die Augsburger, sonst das Orakel des Konservatismus in Oestreich, hat den aller¬ höchsten Personen mit einem Male Dinge gesagt, wovon ihnen die Ohren gellen und die Fensterscheiben in der Hofburg klirren mochten. Jetzt sanken die Actien der Ultraöstreicher und der „Staateubündler." Man begann mit Schrecken zu ahnen, wohin die Isolirung Oestreichs führen müsse und söhnte sich mit dem Gedanken an den unmittelbaren Anschluß allmälig ans. Wenn Oestreich nicht freiwillig uns in die Arme sank, so konnte es nach einer längern oder kürzern Galgenfrist schwerlich einer Explosion entgehen, dnrch welche wenig¬ stens die deutschen Elemente Oestreichs uns zuflogen, — ans unsanfte Weise obendrein. Aber das Perthalerthum war in Wien noch nicht ganz erstorben, als es auf einem andern Felde schon auferstand und rasch zu einer gefährlichen Bedeutung erwuchs. Es wurde nämlich in's Slavische übersetzt, erst durch Palacky, dann durch Jellacicz und Seur. Die Slaven hatten mit großer Schlauheit den Par° teienstreit in Wien beobachtet und rasch des Pudels Kern herausgefunden. — „Das Cabinet", so mögen sie argumentire haben, „ist weder deutsch, noch italie¬ nisch, noch slavisch, sondern dynastisch, d. h. habsburgisch. Ihm ist es gleich, welche Nationalität es beherrscht, und uns ist es einerlei, welche Konstitution wir bekommen, vorausgesetzt, daß unsere Nationalität dabei sich consolidiren kann. Die Italiener haben Recht, wenn sie keine Unterthanen des Kaisertums bleiben wollen, denn sie wären in der Minorität; wir Slaven aber können nur dabei ge¬ winnen, wenn Oestreich das alte bleibt. Schwach gegen Deutschland, sind wir numerisch den Deutschen im Kaiserthum überlegen. Die Dynastie wird sich auf die größere Masse ihrer Unterthanen, also ans den Slavismus stützen müssen, um absolut herrschen zu können. Was schadet die Abkunft der Dynastie? In Peters¬ burg herrscht ja auch eine deutsche Familie. Bestärker wir sie also in der Furcht vor der Republik und bieten ihr unsere Stütze an, so stechen wir die Deut¬ schen aus." In einem solchen Wettstreit um das Verdienst, die Monarchie zu erhalten, ist der Vortheil allerdings auf Seite der Slaven. Da den Panslavisten an Frei¬ heit, Bildung und modernen Ideen sehr wenig und Alles nur an der künftigen Herrschaft ihrer Slovenia gelegen ist, so können sie dem Cabinet eine unerhörte Summe von Loyalität und absolutem Gehorsam biete». Die Lehre vom östreichisch kaiserlichen Bewußtsein war ihnen ganz aus der Seele geschrieben. Das aocieu re^ime erscheint ihnen als ein paradiesisches Zeitalter, welches um jeden Preis festgehalten werden müsse und charakteristisch ist, daß die Monarchie, welche, bei der Bewerbung um den deutschen Kaisermantel, sich auf ihre historischen Verdienste

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/281
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/281>, abgerufen am 26.06.2024.