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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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schlechten Tischen von rohem Holze liegen Karten, Würfel, Käse, Brot, Tags¬
befehl, Wachtrapport in der soldatenhaftestcn Unordnung und stolziren unbändige
Bierkruge und Weinflaschen. Alle Zu- und Ausgänge des Gebäudes halten
Studentenwachen besetzt und machen dabei ein unbändiges Gesicht, trotz dem herr¬
lichsten Ungargrenadier. Statt der Prüfungsanzeigen, die noch vor kurzem an
den schwarzen Anzeigetafeln ohne und unter Eisendrahtgitter hasteten, prangen
jetzt überall Proklamationen und Dienstanzeigcn, Adressen und Kompagniebefehle.

So wie das Gebäude selbst, so sind aber auch seine Besucher ganz andere
geworden. Es gibt keine Hörer des Rechtes, der Medicin, der Technik, der
Philosophie mehr u> s. w. Es gibt nur Juristencompagnien, Medicinercompagnien,
Technikercompagnien und Philosophencompagnien. Kein filziger Cylinder bedeckt
mehr irgend ein Haupt,

Die deutsche Kappe, der deutsche Hut,
Sie passen dem Burschen gar so gut!

Das schlichte und edel-kecke Modell des jugendlichen Bildhauers Gassner
hat den entschiedenen Sieg über die soldateskische Uniform davongetragen, und
der Student in seinen weiten grauen Beinkleidern, seinem blauen Waffenrocke mit
Armwülsten und einer Reihe schwarzer Glanzknöpfe ist der Gegenstand der Be¬
wunderung aller schönen Augen, wenn er so hinschreitet nach der Universität und
den langen Korbsäbel nach sich klirren läßt über das berühmte Wiener Pflaster,
und das Gewehr blitzen läßt in der berühmten Sonne Oestreichs.

Unansdrückbar ist die Emphase, die dem Worte Student anhaftet! Was
von Studenten spricht, um den schciart sich augenblicklich eine Masse Neugieriger;
wo ein Student geht, da sehen ihm tausend Angen nach, und Fremde wie Ein-
geborne grüßen dankbar jeden jungen Mann im blauen Wasfenrocke und deutschen
Federhut. Wer aber glauben wollte, daß dies edle, kecke Stndentenwesen eine
Neugeburt, oder besser Mtgebnrt der jungen Freiheit sei, würde sehr irren!
Der gute, edle Geist, der echte deutsche Comersch ist wie ein heiliges Vermächt¬
nis von einem kleinen Häuflein Abtrünniger des FuclMhums und Anhänger der
Kneipe seit Jahren bewahrt und vorbereitet worden, und da muß man vor allem
die jungen Maler und neben ihnen die oberöstreichischen und Tiroler Studenten
nennen, die sind es auch, die als alte Häuser jetzt vorangehen, und kampffertig
wie Minerva aus dem Haupt des Jupiter-Martins gesprungen sind!

Haben die letzten Wochen auf diese Weise das Studententhum der hiesigen
Hochschule nach einer Seite, nach der eigentlich studentenhasten hin so glänzend
entwickelt, so hat der Drang der Ereignisse der Aula eine Tendenz gegeben, die
bisher einzig in der Geschichte dasteht. Man thut nicht zu viel, wenn man die
Wiener Aula das Centraltribunal unsrer Anarchie nennt; hier werden die Mini¬
sterien beurtheilt, die gegen dieselben vorzunehmenden Demonstrationen und Katzen¬
musiken, deren Folgen gewöhnlich Abdankungen sind, beschlossen; hier spricht man


schlechten Tischen von rohem Holze liegen Karten, Würfel, Käse, Brot, Tags¬
befehl, Wachtrapport in der soldatenhaftestcn Unordnung und stolziren unbändige
Bierkruge und Weinflaschen. Alle Zu- und Ausgänge des Gebäudes halten
Studentenwachen besetzt und machen dabei ein unbändiges Gesicht, trotz dem herr¬
lichsten Ungargrenadier. Statt der Prüfungsanzeigen, die noch vor kurzem an
den schwarzen Anzeigetafeln ohne und unter Eisendrahtgitter hasteten, prangen
jetzt überall Proklamationen und Dienstanzeigcn, Adressen und Kompagniebefehle.

So wie das Gebäude selbst, so sind aber auch seine Besucher ganz andere
geworden. Es gibt keine Hörer des Rechtes, der Medicin, der Technik, der
Philosophie mehr u> s. w. Es gibt nur Juristencompagnien, Medicinercompagnien,
Technikercompagnien und Philosophencompagnien. Kein filziger Cylinder bedeckt
mehr irgend ein Haupt,

Die deutsche Kappe, der deutsche Hut,
Sie passen dem Burschen gar so gut!

Das schlichte und edel-kecke Modell des jugendlichen Bildhauers Gassner
hat den entschiedenen Sieg über die soldateskische Uniform davongetragen, und
der Student in seinen weiten grauen Beinkleidern, seinem blauen Waffenrocke mit
Armwülsten und einer Reihe schwarzer Glanzknöpfe ist der Gegenstand der Be¬
wunderung aller schönen Augen, wenn er so hinschreitet nach der Universität und
den langen Korbsäbel nach sich klirren läßt über das berühmte Wiener Pflaster,
und das Gewehr blitzen läßt in der berühmten Sonne Oestreichs.

Unansdrückbar ist die Emphase, die dem Worte Student anhaftet! Was
von Studenten spricht, um den schciart sich augenblicklich eine Masse Neugieriger;
wo ein Student geht, da sehen ihm tausend Angen nach, und Fremde wie Ein-
geborne grüßen dankbar jeden jungen Mann im blauen Wasfenrocke und deutschen
Federhut. Wer aber glauben wollte, daß dies edle, kecke Stndentenwesen eine
Neugeburt, oder besser Mtgebnrt der jungen Freiheit sei, würde sehr irren!
Der gute, edle Geist, der echte deutsche Comersch ist wie ein heiliges Vermächt¬
nis von einem kleinen Häuflein Abtrünniger des FuclMhums und Anhänger der
Kneipe seit Jahren bewahrt und vorbereitet worden, und da muß man vor allem
die jungen Maler und neben ihnen die oberöstreichischen und Tiroler Studenten
nennen, die sind es auch, die als alte Häuser jetzt vorangehen, und kampffertig
wie Minerva aus dem Haupt des Jupiter-Martins gesprungen sind!

Haben die letzten Wochen auf diese Weise das Studententhum der hiesigen
Hochschule nach einer Seite, nach der eigentlich studentenhasten hin so glänzend
entwickelt, so hat der Drang der Ereignisse der Aula eine Tendenz gegeben, die
bisher einzig in der Geschichte dasteht. Man thut nicht zu viel, wenn man die
Wiener Aula das Centraltribunal unsrer Anarchie nennt; hier werden die Mini¬
sterien beurtheilt, die gegen dieselben vorzunehmenden Demonstrationen und Katzen¬
musiken, deren Folgen gewöhnlich Abdankungen sind, beschlossen; hier spricht man


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[0268] schlechten Tischen von rohem Holze liegen Karten, Würfel, Käse, Brot, Tags¬ befehl, Wachtrapport in der soldatenhaftestcn Unordnung und stolziren unbändige Bierkruge und Weinflaschen. Alle Zu- und Ausgänge des Gebäudes halten Studentenwachen besetzt und machen dabei ein unbändiges Gesicht, trotz dem herr¬ lichsten Ungargrenadier. Statt der Prüfungsanzeigen, die noch vor kurzem an den schwarzen Anzeigetafeln ohne und unter Eisendrahtgitter hasteten, prangen jetzt überall Proklamationen und Dienstanzeigcn, Adressen und Kompagniebefehle. So wie das Gebäude selbst, so sind aber auch seine Besucher ganz andere geworden. Es gibt keine Hörer des Rechtes, der Medicin, der Technik, der Philosophie mehr u> s. w. Es gibt nur Juristencompagnien, Medicinercompagnien, Technikercompagnien und Philosophencompagnien. Kein filziger Cylinder bedeckt mehr irgend ein Haupt, Die deutsche Kappe, der deutsche Hut, Sie passen dem Burschen gar so gut! Das schlichte und edel-kecke Modell des jugendlichen Bildhauers Gassner hat den entschiedenen Sieg über die soldateskische Uniform davongetragen, und der Student in seinen weiten grauen Beinkleidern, seinem blauen Waffenrocke mit Armwülsten und einer Reihe schwarzer Glanzknöpfe ist der Gegenstand der Be¬ wunderung aller schönen Augen, wenn er so hinschreitet nach der Universität und den langen Korbsäbel nach sich klirren läßt über das berühmte Wiener Pflaster, und das Gewehr blitzen läßt in der berühmten Sonne Oestreichs. Unansdrückbar ist die Emphase, die dem Worte Student anhaftet! Was von Studenten spricht, um den schciart sich augenblicklich eine Masse Neugieriger; wo ein Student geht, da sehen ihm tausend Angen nach, und Fremde wie Ein- geborne grüßen dankbar jeden jungen Mann im blauen Wasfenrocke und deutschen Federhut. Wer aber glauben wollte, daß dies edle, kecke Stndentenwesen eine Neugeburt, oder besser Mtgebnrt der jungen Freiheit sei, würde sehr irren! Der gute, edle Geist, der echte deutsche Comersch ist wie ein heiliges Vermächt¬ nis von einem kleinen Häuflein Abtrünniger des FuclMhums und Anhänger der Kneipe seit Jahren bewahrt und vorbereitet worden, und da muß man vor allem die jungen Maler und neben ihnen die oberöstreichischen und Tiroler Studenten nennen, die sind es auch, die als alte Häuser jetzt vorangehen, und kampffertig wie Minerva aus dem Haupt des Jupiter-Martins gesprungen sind! Haben die letzten Wochen auf diese Weise das Studententhum der hiesigen Hochschule nach einer Seite, nach der eigentlich studentenhasten hin so glänzend entwickelt, so hat der Drang der Ereignisse der Aula eine Tendenz gegeben, die bisher einzig in der Geschichte dasteht. Man thut nicht zu viel, wenn man die Wiener Aula das Centraltribunal unsrer Anarchie nennt; hier werden die Mini¬ sterien beurtheilt, die gegen dieselben vorzunehmenden Demonstrationen und Katzen¬ musiken, deren Folgen gewöhnlich Abdankungen sind, beschlossen; hier spricht man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/268>, abgerufen am 26.06.2024.