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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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sollte. So war eine Commission ernannt, die Volksbewaffnung zu arrangiren.
Diese beschloß, die östreichische Communalgarde und die preußische Landwehr zu
empfehlen und außerdem eine roth - schwarz - goldne Armbinde anzurathen. - -

Indem ich nun auf die einzelnen Persönlichkeiten übergehe, schicke ich voraus,
daß mein Aufenthalt von wenig Tagen natürlich nur zur Darstellung der äußern
Erscheinung berechtigen kann.

Ich fange vom Präsidenten an. Herr v. Soiron, Mitglied der liberalen
Opposition der zweiten badischen Kammer, jetzt conservativ gegen die Republikaner.
Eine stattliche, derbe Figur, volle Baßstimme, festes durchdringendes Ange, eine
echte Präsidentenhaltung; in seiner Sprache langsam und ungeübt und daher wenig
fürs Reden, aber zum Vorsitzer einer Versammlung unter den Fünfzigern am
meisten geeignet; sehr selten mit seiner persönlichen Ansicht in die Debatte eingrei¬
fend, in Aufrechthaltung der Ordnung derb bis zur Grobheit, aber so, daß
keiner durch diese Grobheit beleidigt wird, denn sie trägt zugleich das entschiedene
Gepräge der Gutmütigkeit. Ein gelinder, sehr gelinder Anstrich von aristokrati¬
schem Wesen ist in seiner Haltung so wenig zu verkennen, wie in seiner Gesinnung.
Sehr komisch ist es, wenn er im Zank mit seinem Freunde Buhl -- ein Zank,
der sich fast regelmäßig erhebt, wenn Letzterer spricht, plötzlich in's Schwäbische
fällt, während er sonst ein reines Hochdeutsch spricht. Was seine politische Stel¬
lung betrifft, so steht er den Radicalen noch schroffer entgegen, als den Neactio-
närs. Sein Antrag im Vorparlament, der zu dem entschiedensten Beschluß desselben
führte, es solle nämlich der Constituante überlassen bleiben, ob sie mit den Fürsten
über die Konstitution des deutschen Reichs in Vernehmen treten wolle oder nicht,
sieht radicaler ans, als er eigentlich gemeint ist; die kleinen, namentlich süd¬
deutsche" Staaten haben bei einer solchen Unterwerfung unter die Volkssouveräni-
tät weniger zu fürchten, als Oestreich und Preußen.

Wenn bei Soiron schon die äußere Persönlichkeit etwas Jinponirendcs hat,
so wird man in der äußern Erscheinung seines Freundes Matrhy, der j^t in
das badische Staatsministerium eingetreten ist, zu geringer Erwartung angeregt.
Auch sein Vortrag hat etwas Trockenes und zugleich Breites. Wenn man aber
genauer seine parlamentarische Wirksamkeit beachtet, so erkennt man bald eine
scharfe Berechnung heraus und einen klaren Blick auf alles Wesentliche. Matrhy
konnte als das eigentliche Haupt der conservativen Partei angesehen werden. Der
Verdacht reactivnärer Tendenzen, den man von radicaler Seite geneigt ist, ihm
aufzubürden, entbehrt aller Begründung; dagegen muß ich aufrichtig gestehen, daß
der constitutionelle Doctrinarismus der badischen Liberalen mich doch einigermaßen
befremdet hat. Der unglückselige Aufstand der Republikaner in Baden hat auf der
andern Seite eiuen Fanatismus erzeugt, der bei der Neigung der Deutschen, sich
augenblicklich von einer herrschenden Stimmung hinreißen zu lassen, nur allzuleicht
der Reaction in die Hände arbeiten kann.. Ob der entscheidende Schritt, durch


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sollte. So war eine Commission ernannt, die Volksbewaffnung zu arrangiren.
Diese beschloß, die östreichische Communalgarde und die preußische Landwehr zu
empfehlen und außerdem eine roth - schwarz - goldne Armbinde anzurathen. - -

Indem ich nun auf die einzelnen Persönlichkeiten übergehe, schicke ich voraus,
daß mein Aufenthalt von wenig Tagen natürlich nur zur Darstellung der äußern
Erscheinung berechtigen kann.

Ich fange vom Präsidenten an. Herr v. Soiron, Mitglied der liberalen
Opposition der zweiten badischen Kammer, jetzt conservativ gegen die Republikaner.
Eine stattliche, derbe Figur, volle Baßstimme, festes durchdringendes Ange, eine
echte Präsidentenhaltung; in seiner Sprache langsam und ungeübt und daher wenig
fürs Reden, aber zum Vorsitzer einer Versammlung unter den Fünfzigern am
meisten geeignet; sehr selten mit seiner persönlichen Ansicht in die Debatte eingrei¬
fend, in Aufrechthaltung der Ordnung derb bis zur Grobheit, aber so, daß
keiner durch diese Grobheit beleidigt wird, denn sie trägt zugleich das entschiedene
Gepräge der Gutmütigkeit. Ein gelinder, sehr gelinder Anstrich von aristokrati¬
schem Wesen ist in seiner Haltung so wenig zu verkennen, wie in seiner Gesinnung.
Sehr komisch ist es, wenn er im Zank mit seinem Freunde Buhl — ein Zank,
der sich fast regelmäßig erhebt, wenn Letzterer spricht, plötzlich in's Schwäbische
fällt, während er sonst ein reines Hochdeutsch spricht. Was seine politische Stel¬
lung betrifft, so steht er den Radicalen noch schroffer entgegen, als den Neactio-
närs. Sein Antrag im Vorparlament, der zu dem entschiedensten Beschluß desselben
führte, es solle nämlich der Constituante überlassen bleiben, ob sie mit den Fürsten
über die Konstitution des deutschen Reichs in Vernehmen treten wolle oder nicht,
sieht radicaler ans, als er eigentlich gemeint ist; die kleinen, namentlich süd¬
deutsche» Staaten haben bei einer solchen Unterwerfung unter die Volkssouveräni-
tät weniger zu fürchten, als Oestreich und Preußen.

Wenn bei Soiron schon die äußere Persönlichkeit etwas Jinponirendcs hat,
so wird man in der äußern Erscheinung seines Freundes Matrhy, der j^t in
das badische Staatsministerium eingetreten ist, zu geringer Erwartung angeregt.
Auch sein Vortrag hat etwas Trockenes und zugleich Breites. Wenn man aber
genauer seine parlamentarische Wirksamkeit beachtet, so erkennt man bald eine
scharfe Berechnung heraus und einen klaren Blick auf alles Wesentliche. Matrhy
konnte als das eigentliche Haupt der conservativen Partei angesehen werden. Der
Verdacht reactivnärer Tendenzen, den man von radicaler Seite geneigt ist, ihm
aufzubürden, entbehrt aller Begründung; dagegen muß ich aufrichtig gestehen, daß
der constitutionelle Doctrinarismus der badischen Liberalen mich doch einigermaßen
befremdet hat. Der unglückselige Aufstand der Republikaner in Baden hat auf der
andern Seite eiuen Fanatismus erzeugt, der bei der Neigung der Deutschen, sich
augenblicklich von einer herrschenden Stimmung hinreißen zu lassen, nur allzuleicht
der Reaction in die Hände arbeiten kann.. Ob der entscheidende Schritt, durch


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[0261] sollte. So war eine Commission ernannt, die Volksbewaffnung zu arrangiren. Diese beschloß, die östreichische Communalgarde und die preußische Landwehr zu empfehlen und außerdem eine roth - schwarz - goldne Armbinde anzurathen. - - Indem ich nun auf die einzelnen Persönlichkeiten übergehe, schicke ich voraus, daß mein Aufenthalt von wenig Tagen natürlich nur zur Darstellung der äußern Erscheinung berechtigen kann. Ich fange vom Präsidenten an. Herr v. Soiron, Mitglied der liberalen Opposition der zweiten badischen Kammer, jetzt conservativ gegen die Republikaner. Eine stattliche, derbe Figur, volle Baßstimme, festes durchdringendes Ange, eine echte Präsidentenhaltung; in seiner Sprache langsam und ungeübt und daher wenig fürs Reden, aber zum Vorsitzer einer Versammlung unter den Fünfzigern am meisten geeignet; sehr selten mit seiner persönlichen Ansicht in die Debatte eingrei¬ fend, in Aufrechthaltung der Ordnung derb bis zur Grobheit, aber so, daß keiner durch diese Grobheit beleidigt wird, denn sie trägt zugleich das entschiedene Gepräge der Gutmütigkeit. Ein gelinder, sehr gelinder Anstrich von aristokrati¬ schem Wesen ist in seiner Haltung so wenig zu verkennen, wie in seiner Gesinnung. Sehr komisch ist es, wenn er im Zank mit seinem Freunde Buhl — ein Zank, der sich fast regelmäßig erhebt, wenn Letzterer spricht, plötzlich in's Schwäbische fällt, während er sonst ein reines Hochdeutsch spricht. Was seine politische Stel¬ lung betrifft, so steht er den Radicalen noch schroffer entgegen, als den Neactio- närs. Sein Antrag im Vorparlament, der zu dem entschiedensten Beschluß desselben führte, es solle nämlich der Constituante überlassen bleiben, ob sie mit den Fürsten über die Konstitution des deutschen Reichs in Vernehmen treten wolle oder nicht, sieht radicaler ans, als er eigentlich gemeint ist; die kleinen, namentlich süd¬ deutsche» Staaten haben bei einer solchen Unterwerfung unter die Volkssouveräni- tät weniger zu fürchten, als Oestreich und Preußen. Wenn bei Soiron schon die äußere Persönlichkeit etwas Jinponirendcs hat, so wird man in der äußern Erscheinung seines Freundes Matrhy, der j^t in das badische Staatsministerium eingetreten ist, zu geringer Erwartung angeregt. Auch sein Vortrag hat etwas Trockenes und zugleich Breites. Wenn man aber genauer seine parlamentarische Wirksamkeit beachtet, so erkennt man bald eine scharfe Berechnung heraus und einen klaren Blick auf alles Wesentliche. Matrhy konnte als das eigentliche Haupt der conservativen Partei angesehen werden. Der Verdacht reactivnärer Tendenzen, den man von radicaler Seite geneigt ist, ihm aufzubürden, entbehrt aller Begründung; dagegen muß ich aufrichtig gestehen, daß der constitutionelle Doctrinarismus der badischen Liberalen mich doch einigermaßen befremdet hat. Der unglückselige Aufstand der Republikaner in Baden hat auf der andern Seite eiuen Fanatismus erzeugt, der bei der Neigung der Deutschen, sich augenblicklich von einer herrschenden Stimmung hinreißen zu lassen, nur allzuleicht der Reaction in die Hände arbeiten kann.. Ob der entscheidende Schritt, durch 33*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/261>, abgerufen am 26.06.2024.