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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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schlössen wären. Bekanntlich war von den Hananern die Revolution im Cassel-
schen ausgegangen. Es ist ein kräftiger Menschenschlag, mit starker Beimischung
französischen Blutes, etwas leichtsinnig, aber unternehmend und entschlossen. Die
Revolution war hier permanent erklärt und factisch war die Provinz von dem
Staatsverband mit Kassel gelöst. Die Hanauer schickten eine Deputation an den
Fünfziger Ausschuß, die Meinung auszusprechen, daß diese Truppen theils zur Un¬
terdrückung der Provinz, theils zur Einschüchterung der Nationalversammlung be¬
stimmt seien; in beiden Fällen verlangten sie ange>Mckliche Entfernung derselben,
widrigenfalls sie erklärten, sich mit gewaffneter Hand ihrem Einmarsch zu wider¬
setzen. In ihrer Eingabe war die Ansicht mit eingeflossen, daß es überhaupt
nicht in der Ordnung wäre, durch fremde Truppen die bewaffnete Abstimmung
eines souveränen Staats zu hintertreiben. Fremde Truppen! welches Attentat
gegen das sich so eben in seiner Einheit fühlende Deutschland! Die badischen
Deputirten, in ihren theuersten Interessen angegriffen, erhoben sich heftig gegen die
Bittsteller; der Präsident Soiron Marquis v. Soiron, wie ihn die Hanauer
nannten -- drang in ziemlich gereiztem Tone auf ihre Zurechtweisung und es
wurde denn auch eine ziemlich barsche Antwort beschlossen. Die Hanauer Depu¬
tirten, die angesehensten Männer ihres Volkes, waren entrüstet: "Meine Herren,
sagte der Eine von ihnen gleich nach der Sitzung zu einigen der Fünfziger, wir
find eine revolutionäre Behörde und werden gehängt, wenn die Reaction siegt,
und Sie sind gleichfalls eine revolutionäre Behörde und werden in demselben Fall
ebenfalls gehängt; ich dächte also, wir gingen höflich und collegialisch mit einander
um." Diese mit großer Gelassenheit vorgetragene Ansicht wirkte mehr, als die
heftigen Demonstrationen der übrigen Deputirten. -- "Hätten Sie uns gleich ge¬
sagt, daß Sie die gemäßigtesten Ihrer Provinz seien, so würden wir anders ent¬
schieden haben," -- Zunächst beschloß der Ausschuß noch denselben Nachmittag die
scharfe Abfertigung in eine höfliche zu verwandeln. Den folgenden Tag erschienen
die Hanauer wieder, begleitet von i?0 bis 40 Landsleuten; sie erklärten, sie haben
bei ihrer Rückkunft die Abgeordneten aller Gemeinden ihrer Provinz versammelt
getroffen, und diese haben ihnen erklärt, sie wollten augenblicklich unter die Waffen
treten, wenn nicht sofort ein günstigerer Abschied ihnen zu Theil würde. Sie woll¬
ten den Truppen ein Nachtquartier zum Durchmarsch gönnen, mehr aber nicht;
sie wollten sie gar nicht hereinlassen, wenn sie nicht vorher die Sicherheit hätten,
sie sofort wieder loszuwerden; und sie wollten sie herauswerfen, wenn sie trotzdem
länger blieben." "In Erwägung der eigenthümlichen Lage Haltaus" beschloß der
Ausschuß, augenblicklich -- jede nähere Erkundigung wurde abgeschnitten in
Anbetracht der dringenden Gefahr -- den Bundestag zu veranlassen -- sofort
die Entfernung der Truppen ans der Provinz Hanau zu bewerkstelligen. Welches
geschah.


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schlössen wären. Bekanntlich war von den Hananern die Revolution im Cassel-
schen ausgegangen. Es ist ein kräftiger Menschenschlag, mit starker Beimischung
französischen Blutes, etwas leichtsinnig, aber unternehmend und entschlossen. Die
Revolution war hier permanent erklärt und factisch war die Provinz von dem
Staatsverband mit Kassel gelöst. Die Hanauer schickten eine Deputation an den
Fünfziger Ausschuß, die Meinung auszusprechen, daß diese Truppen theils zur Un¬
terdrückung der Provinz, theils zur Einschüchterung der Nationalversammlung be¬
stimmt seien; in beiden Fällen verlangten sie ange>Mckliche Entfernung derselben,
widrigenfalls sie erklärten, sich mit gewaffneter Hand ihrem Einmarsch zu wider¬
setzen. In ihrer Eingabe war die Ansicht mit eingeflossen, daß es überhaupt
nicht in der Ordnung wäre, durch fremde Truppen die bewaffnete Abstimmung
eines souveränen Staats zu hintertreiben. Fremde Truppen! welches Attentat
gegen das sich so eben in seiner Einheit fühlende Deutschland! Die badischen
Deputirten, in ihren theuersten Interessen angegriffen, erhoben sich heftig gegen die
Bittsteller; der Präsident Soiron Marquis v. Soiron, wie ihn die Hanauer
nannten — drang in ziemlich gereiztem Tone auf ihre Zurechtweisung und es
wurde denn auch eine ziemlich barsche Antwort beschlossen. Die Hanauer Depu¬
tirten, die angesehensten Männer ihres Volkes, waren entrüstet: „Meine Herren,
sagte der Eine von ihnen gleich nach der Sitzung zu einigen der Fünfziger, wir
find eine revolutionäre Behörde und werden gehängt, wenn die Reaction siegt,
und Sie sind gleichfalls eine revolutionäre Behörde und werden in demselben Fall
ebenfalls gehängt; ich dächte also, wir gingen höflich und collegialisch mit einander
um." Diese mit großer Gelassenheit vorgetragene Ansicht wirkte mehr, als die
heftigen Demonstrationen der übrigen Deputirten. — „Hätten Sie uns gleich ge¬
sagt, daß Sie die gemäßigtesten Ihrer Provinz seien, so würden wir anders ent¬
schieden haben," — Zunächst beschloß der Ausschuß noch denselben Nachmittag die
scharfe Abfertigung in eine höfliche zu verwandeln. Den folgenden Tag erschienen
die Hanauer wieder, begleitet von i?0 bis 40 Landsleuten; sie erklärten, sie haben
bei ihrer Rückkunft die Abgeordneten aller Gemeinden ihrer Provinz versammelt
getroffen, und diese haben ihnen erklärt, sie wollten augenblicklich unter die Waffen
treten, wenn nicht sofort ein günstigerer Abschied ihnen zu Theil würde. Sie woll¬
ten den Truppen ein Nachtquartier zum Durchmarsch gönnen, mehr aber nicht;
sie wollten sie gar nicht hereinlassen, wenn sie nicht vorher die Sicherheit hätten,
sie sofort wieder loszuwerden; und sie wollten sie herauswerfen, wenn sie trotzdem
länger blieben." „In Erwägung der eigenthümlichen Lage Haltaus" beschloß der
Ausschuß, augenblicklich — jede nähere Erkundigung wurde abgeschnitten in
Anbetracht der dringenden Gefahr — den Bundestag zu veranlassen — sofort
die Entfernung der Truppen ans der Provinz Hanau zu bewerkstelligen. Welches
geschah.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/259>, abgerufen am 26.06.2024.