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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Idee der Parlamentstruppen, unterstützte den Heckscher'schen Antrag und ging
in seiner poetischen Exaltation so weit, von Intriguen zu sprechen, die zu Gunsten
des Bundestages im Schooß des Ausschusses selbst angesponnen seien. Herr Mathy
wies diese Insinuation "mit Verachtung" zurück, worauf die Radicalen, an einen
ernsthaften Widerstand nicht gewohnt, zu schweigen anfingen. Die beiden Anträge
wurden, als extrem, zurückgewiesen und ein Mittelvorschlag angenommen, von dem
sich später ergab, daß er keinen Sinn habe, worauf Herr Mathy es doch wieder
zur Beschlußfassung in seinem Sinn brachte, trotz der Protestation mehrerer Mit¬
glieder, die einen einmal gefaßten Beschluß nicht wollten umstoßen lassen.

Und worin bestand dieser neue Beschluß, den man in so und so viel Pla¬
tten in allen Straßenecken Frankfurts anzuschlagen verordnete? -- In dem näm¬
lichen, worauf Preußen und Oestreich beim Bundestag angetragen hatten: der
Termin der definitiven Eröffnung der Nationalversammlung wurde bis spätestens
ans den 18. Mai hinausgeschoben.

Man sieht, der Fünfziger-Ausschuß wußte nachzugeben, wo er auf einen
Widerstand stieß. Davon uoch zwei Beispiele uach einer andern Richtung hin.

Die provisorische Regierung der insurgirten italienischen Provinzen hatte an
die deutsche Nation -- ich glaube wenigstens, daß die Adresse so lautete -- durch
Vermittelung eiues Mailänder Handlungshauses eine Art Zuschrift gerichtet, in welcher
perfider Weise die Deutschen als "gelehrte Männer" bezeichnet wurden -- ein
Schimpfwort, das wir Deutschen uns schon einmal von Lytton Bulwer gefallen
lassen mußten. Man hatte den "gelehrten" Deutschen erklärt, daß man sie mit
den Oestreichern keineswegs verwechsele; man hatte ihnen zu ihrer Revolution
gratulire und sie aufgefordert, mit ihren italienischen Brüdern gemeinschaftliche
Sache zu machen. Herr Pagenstecher aus Elberfeld übergab diese Adresse dem
Fünfziger-Ausschuß und verfaßte, gemeinschaftlich mit einer eigens dazu gewählten
Commission, eine Gegenadresse, worin die "Stellvertreter der deutschen Nation"
den Italienern ihre lebhaftesten Sympathien aussprachen, ihnen aber zugleich er¬
klärten, sie seien mit Oestreich Ein Herz und Eine Seele, Oestreich sei deutsch
und Deutschland östreichisch; übrigens forderten sie die Italiener ans, Deutschlands
Grenze nicht zu überschreiten. Unter der vorausgesetzten Doctrin, Deutschland
und Oestreich seien Eins, hatte diese Adresse freilich einen sonderbaren Anstrich;
einer Nation, gegen die man Krieg führt, seine Sympathien auszudrücken, ist we¬
nigstens sonst nicht Gebrauch. Diese Seite der Frage machten auch die öst¬
reichischen Deputirten geltend, die sich gegen den Gedanken, an die italienischen
Rebellen eine Adresse zu richten, wie ein Mann erhoben. Namentlich Herr Schu-
selka erwarb sich durch eine treffliche Rede zu diesem Zweck die Gunst der Trt-
bunen. Es wäre zu wünschen gewesen, daß man sich ausschließlich an diesen voll¬
kommen ausreichenden Gesichtspunkt gehalten hätte; so aber suchten sie auf jede
Weise die Italiener herabzusetzen, und Herr Hübner, der überhaupt zu jenen


Idee der Parlamentstruppen, unterstützte den Heckscher'schen Antrag und ging
in seiner poetischen Exaltation so weit, von Intriguen zu sprechen, die zu Gunsten
des Bundestages im Schooß des Ausschusses selbst angesponnen seien. Herr Mathy
wies diese Insinuation „mit Verachtung" zurück, worauf die Radicalen, an einen
ernsthaften Widerstand nicht gewohnt, zu schweigen anfingen. Die beiden Anträge
wurden, als extrem, zurückgewiesen und ein Mittelvorschlag angenommen, von dem
sich später ergab, daß er keinen Sinn habe, worauf Herr Mathy es doch wieder
zur Beschlußfassung in seinem Sinn brachte, trotz der Protestation mehrerer Mit¬
glieder, die einen einmal gefaßten Beschluß nicht wollten umstoßen lassen.

Und worin bestand dieser neue Beschluß, den man in so und so viel Pla¬
tten in allen Straßenecken Frankfurts anzuschlagen verordnete? — In dem näm¬
lichen, worauf Preußen und Oestreich beim Bundestag angetragen hatten: der
Termin der definitiven Eröffnung der Nationalversammlung wurde bis spätestens
ans den 18. Mai hinausgeschoben.

Man sieht, der Fünfziger-Ausschuß wußte nachzugeben, wo er auf einen
Widerstand stieß. Davon uoch zwei Beispiele uach einer andern Richtung hin.

Die provisorische Regierung der insurgirten italienischen Provinzen hatte an
die deutsche Nation — ich glaube wenigstens, daß die Adresse so lautete — durch
Vermittelung eiues Mailänder Handlungshauses eine Art Zuschrift gerichtet, in welcher
perfider Weise die Deutschen als „gelehrte Männer" bezeichnet wurden — ein
Schimpfwort, das wir Deutschen uns schon einmal von Lytton Bulwer gefallen
lassen mußten. Man hatte den „gelehrten" Deutschen erklärt, daß man sie mit
den Oestreichern keineswegs verwechsele; man hatte ihnen zu ihrer Revolution
gratulire und sie aufgefordert, mit ihren italienischen Brüdern gemeinschaftliche
Sache zu machen. Herr Pagenstecher aus Elberfeld übergab diese Adresse dem
Fünfziger-Ausschuß und verfaßte, gemeinschaftlich mit einer eigens dazu gewählten
Commission, eine Gegenadresse, worin die „Stellvertreter der deutschen Nation"
den Italienern ihre lebhaftesten Sympathien aussprachen, ihnen aber zugleich er¬
klärten, sie seien mit Oestreich Ein Herz und Eine Seele, Oestreich sei deutsch
und Deutschland östreichisch; übrigens forderten sie die Italiener ans, Deutschlands
Grenze nicht zu überschreiten. Unter der vorausgesetzten Doctrin, Deutschland
und Oestreich seien Eins, hatte diese Adresse freilich einen sonderbaren Anstrich;
einer Nation, gegen die man Krieg führt, seine Sympathien auszudrücken, ist we¬
nigstens sonst nicht Gebrauch. Diese Seite der Frage machten auch die öst¬
reichischen Deputirten geltend, die sich gegen den Gedanken, an die italienischen
Rebellen eine Adresse zu richten, wie ein Mann erhoben. Namentlich Herr Schu-
selka erwarb sich durch eine treffliche Rede zu diesem Zweck die Gunst der Trt-
bunen. Es wäre zu wünschen gewesen, daß man sich ausschließlich an diesen voll¬
kommen ausreichenden Gesichtspunkt gehalten hätte; so aber suchten sie auf jede
Weise die Italiener herabzusetzen, und Herr Hübner, der überhaupt zu jenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/257>, abgerufen am 26.06.2024.