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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Die Männer der konstitutionellen Monarchie haben die Republikaner aus ihrer
Mitte verdrängt und zu Hochverräthern gemacht, aber ihre "constitutionelle Mo¬
narchie" war nicht weniger ein Spuk, eine Abstraction, die sie dem concreten,
entwickelten Staatsleben entgegensetzten. Die Einheit Deutschlands war ein nega¬
tiver Begriff gegen die wirklichen Staaten.

Diese abstracte Einheit vermählte sich mit der Kleinstädterei. Ich habe von
eine"! geachteten Deputaten zu dein neuen Parlament allen Ernstes die Versicherung
gehört, das Bestehen der einzelnen dentschen Staaten in ihrer Sonderung und
Eigenthümlichkeit sei für das Gedeihen Dentschlands nothwendig, zugleich aber die
Klage, daß die Existenz Preußens und der specifisch preußische Geist dem deutscheu
Batertaude Gefahr drohe. Sachsen, Baiern, Baden, Würtemberg sollen bleiben,
aber Preußen soll aufgehoben werden. Nicht Alle sind so frech, es auszusprechen,
aber das ist ihr geheimes Ideal: Preußen soll in seine Provinzen auf¬
gelöst werden. Sie denken wie die Communisten, die zur Herstellung der
Gleichheit unter den Menschen, weil Einige Lumpen sind, Alle zu Lumpen machen
wollen.

Aus diesem Gründe trug anch Herr Biedermann ^ ich glaube wenigstens,
er war es -- im Ausschuß darauf an, die preußische Regierung aufzufordern,
ihre constituireude Versammlung nicht einzuberufen, bevor das Frankfurter Parla¬
ment seine Beschlüsse über die allgemeine Verfassung Dentschlands gefaßt haben
würde. Preußen sollte ruhig der wachsenden Anarchie zusehen, bis der unförmliche
Klumpen, der für jetzt deu Begriff Deutschlands repräsentirt, eine feste, gegliederte
Gestalt gewonnen hätte. Während mau früher darüber schrie, daß Preußen keine
Constitution habe, schreit mau uun über das Gegeutheil.

Es war Noth für Preußen, sich zu constituiren, nicht nur gegen das wüh¬
lerische Treiben unserer eigenen Anarchisten, sondern auch gegen den guten Willen
unserer dentschen Brüder. Als Preußen nach den Tagen vom 18. und l ö. März
in ernstlicher Gefahr war, sich in seine Elemente aufzulösen, fand unser Kampf
wie unsre Noth bei unsern deutschen Brüdern eine Aufnahme, die wir nicht ver¬
gessen werden. Jetzt steht Preußen anders; die polnischen Rebellen haben die
Waffen gestreckt, die constitutionelle Partei hat sich überall consolidirt und gekräf¬
tigt, und uach Beendigung des dänischen Krieges wird die Rückkehr unserer sieg¬
reichen Truppen die letzten Spuren des unseligen Zwiespalts austilgen, welcher
die Söhne Eines Vaterlandes bisher von einander trennte.

Diese Auferstehung Preußens wird die Ueberzeugung hervorrufen, daß das
"deutsche Volk" uicht außerhalb des bestehenden Staatsorganismus sich befindet,
sondern innerhalb desselben, daß die Einheit Deutschlands nicht in einer Auflösung
der bestehenden Staaten, sondern in einer innigen Konföderation derselben zu
realistren sei.

Die Nationalversammlung, aus den wirklichen Wahlen des Volks hervorge-


Die Männer der konstitutionellen Monarchie haben die Republikaner aus ihrer
Mitte verdrängt und zu Hochverräthern gemacht, aber ihre „constitutionelle Mo¬
narchie" war nicht weniger ein Spuk, eine Abstraction, die sie dem concreten,
entwickelten Staatsleben entgegensetzten. Die Einheit Deutschlands war ein nega¬
tiver Begriff gegen die wirklichen Staaten.

Diese abstracte Einheit vermählte sich mit der Kleinstädterei. Ich habe von
eine»! geachteten Deputaten zu dein neuen Parlament allen Ernstes die Versicherung
gehört, das Bestehen der einzelnen dentschen Staaten in ihrer Sonderung und
Eigenthümlichkeit sei für das Gedeihen Dentschlands nothwendig, zugleich aber die
Klage, daß die Existenz Preußens und der specifisch preußische Geist dem deutscheu
Batertaude Gefahr drohe. Sachsen, Baiern, Baden, Würtemberg sollen bleiben,
aber Preußen soll aufgehoben werden. Nicht Alle sind so frech, es auszusprechen,
aber das ist ihr geheimes Ideal: Preußen soll in seine Provinzen auf¬
gelöst werden. Sie denken wie die Communisten, die zur Herstellung der
Gleichheit unter den Menschen, weil Einige Lumpen sind, Alle zu Lumpen machen
wollen.

Aus diesem Gründe trug anch Herr Biedermann ^ ich glaube wenigstens,
er war es — im Ausschuß darauf an, die preußische Regierung aufzufordern,
ihre constituireude Versammlung nicht einzuberufen, bevor das Frankfurter Parla¬
ment seine Beschlüsse über die allgemeine Verfassung Dentschlands gefaßt haben
würde. Preußen sollte ruhig der wachsenden Anarchie zusehen, bis der unförmliche
Klumpen, der für jetzt deu Begriff Deutschlands repräsentirt, eine feste, gegliederte
Gestalt gewonnen hätte. Während mau früher darüber schrie, daß Preußen keine
Constitution habe, schreit mau uun über das Gegeutheil.

Es war Noth für Preußen, sich zu constituiren, nicht nur gegen das wüh¬
lerische Treiben unserer eigenen Anarchisten, sondern auch gegen den guten Willen
unserer dentschen Brüder. Als Preußen nach den Tagen vom 18. und l ö. März
in ernstlicher Gefahr war, sich in seine Elemente aufzulösen, fand unser Kampf
wie unsre Noth bei unsern deutschen Brüdern eine Aufnahme, die wir nicht ver¬
gessen werden. Jetzt steht Preußen anders; die polnischen Rebellen haben die
Waffen gestreckt, die constitutionelle Partei hat sich überall consolidirt und gekräf¬
tigt, und uach Beendigung des dänischen Krieges wird die Rückkehr unserer sieg¬
reichen Truppen die letzten Spuren des unseligen Zwiespalts austilgen, welcher
die Söhne Eines Vaterlandes bisher von einander trennte.

Diese Auferstehung Preußens wird die Ueberzeugung hervorrufen, daß das
„deutsche Volk" uicht außerhalb des bestehenden Staatsorganismus sich befindet,
sondern innerhalb desselben, daß die Einheit Deutschlands nicht in einer Auflösung
der bestehenden Staaten, sondern in einer innigen Konföderation derselben zu
realistren sei.

Die Nationalversammlung, aus den wirklichen Wahlen des Volks hervorge-


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[0255] Die Männer der konstitutionellen Monarchie haben die Republikaner aus ihrer Mitte verdrängt und zu Hochverräthern gemacht, aber ihre „constitutionelle Mo¬ narchie" war nicht weniger ein Spuk, eine Abstraction, die sie dem concreten, entwickelten Staatsleben entgegensetzten. Die Einheit Deutschlands war ein nega¬ tiver Begriff gegen die wirklichen Staaten. Diese abstracte Einheit vermählte sich mit der Kleinstädterei. Ich habe von eine»! geachteten Deputaten zu dein neuen Parlament allen Ernstes die Versicherung gehört, das Bestehen der einzelnen dentschen Staaten in ihrer Sonderung und Eigenthümlichkeit sei für das Gedeihen Dentschlands nothwendig, zugleich aber die Klage, daß die Existenz Preußens und der specifisch preußische Geist dem deutscheu Batertaude Gefahr drohe. Sachsen, Baiern, Baden, Würtemberg sollen bleiben, aber Preußen soll aufgehoben werden. Nicht Alle sind so frech, es auszusprechen, aber das ist ihr geheimes Ideal: Preußen soll in seine Provinzen auf¬ gelöst werden. Sie denken wie die Communisten, die zur Herstellung der Gleichheit unter den Menschen, weil Einige Lumpen sind, Alle zu Lumpen machen wollen. Aus diesem Gründe trug anch Herr Biedermann ^ ich glaube wenigstens, er war es — im Ausschuß darauf an, die preußische Regierung aufzufordern, ihre constituireude Versammlung nicht einzuberufen, bevor das Frankfurter Parla¬ ment seine Beschlüsse über die allgemeine Verfassung Dentschlands gefaßt haben würde. Preußen sollte ruhig der wachsenden Anarchie zusehen, bis der unförmliche Klumpen, der für jetzt deu Begriff Deutschlands repräsentirt, eine feste, gegliederte Gestalt gewonnen hätte. Während mau früher darüber schrie, daß Preußen keine Constitution habe, schreit mau uun über das Gegeutheil. Es war Noth für Preußen, sich zu constituiren, nicht nur gegen das wüh¬ lerische Treiben unserer eigenen Anarchisten, sondern auch gegen den guten Willen unserer dentschen Brüder. Als Preußen nach den Tagen vom 18. und l ö. März in ernstlicher Gefahr war, sich in seine Elemente aufzulösen, fand unser Kampf wie unsre Noth bei unsern deutschen Brüdern eine Aufnahme, die wir nicht ver¬ gessen werden. Jetzt steht Preußen anders; die polnischen Rebellen haben die Waffen gestreckt, die constitutionelle Partei hat sich überall consolidirt und gekräf¬ tigt, und uach Beendigung des dänischen Krieges wird die Rückkehr unserer sieg¬ reichen Truppen die letzten Spuren des unseligen Zwiespalts austilgen, welcher die Söhne Eines Vaterlandes bisher von einander trennte. Diese Auferstehung Preußens wird die Ueberzeugung hervorrufen, daß das „deutsche Volk" uicht außerhalb des bestehenden Staatsorganismus sich befindet, sondern innerhalb desselben, daß die Einheit Deutschlands nicht in einer Auflösung der bestehenden Staaten, sondern in einer innigen Konföderation derselben zu realistren sei. Die Nationalversammlung, aus den wirklichen Wahlen des Volks hervorge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/255>, abgerufen am 26.06.2024.