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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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über den dritten erfuhr man nichts näheres. Man bezeichnete drei Prinzen als
diejenigen, die zu dieser eben so hohen als unklaren Aufgabe bestimmt waren.
Eben die Dunkelheit über den Umfang der Machtvollkommenheit, welche diesen
Männern zugedacht war, mußte beunruhigend wirken und dem leidenschaftlichen
Mißtrauen, welches für den Augenblick beschwichtigt war, neuen Spielraum geben.
Die linke Seite der Versammlung erhob sich daher mit eben so großer Energie
gegen diesen Antrag, als die rechte ihn unterstützte. Das Hauptargument der
ersten war: entweder haben diese Dreimänner keine andre Vollmacht, als welche
der Bundestag kraft der ihm inwohnenden ihnen zugesteht, und baun hat der
Fünfziger-Ausschuß nicht nöthig, sich einzumischen, oder sie haben eine größere,
"ut dann hat er kein Recht, sie ihnen zu ertheilen. Entweder, sagte Herr Kuranda,
wird Oestreich von dieser Dictatur ausgeschlossen, und dann Protestire ich dagegen
im Namen Oestreichs; oder nicht, dann protestire ich dagegen im Interesse der
Freiheit. Es steht mit Oestreich noch keineswegs so, daß wir keine Reaction zu
fürchten hätten. -- Sprechen Sie in Ihrem eigenen Namen! rief ihm Dr,
v. Mühlfeld zu, der büreaukratische Vertreter des alten legitimen Oestreich. Am
meisten Mühe gaben sich die Badenser, den Antrag zu unterstützen: er hatte
offenbar für sie die größte Bedeutung, denn er war wesentlich gegen die Republi¬
kaner gerichtet. Dennoch wurde er uach zweitägigem heißem Kampfe zurückgewiesen.
Komisch war es, wie in demselben Augenblick der Stuhl unter dem Antragsteller
zusammenbrach.

Es ist bekannt, wie gleich darauf der Bundestag selber an die Berathung
dieses wichtigen Gegenstandes ging, wie wenige Tage darauf in einer öffentlichen
Sitzung des Ausschusses der frühere Beschluß ratiftcirt und die bedenkliche Idee
des Triumvirats adoptirt wurde. Der Ausschuß hat sich baun zwar in seinen
letzten Zügen gegen die Art der Ausführung gesperrt, aber die inzwischen theil¬
weise zusammentretende constituirende Versammlung hat ihm den letzten Rest seiner
Autorität geraul't. Eine bestimmte Physiognomie hat die neue Idee noch hente
nicht angenommen, und die kaiserlichen Phantasien der modernen Doctrinärö die¬
nen nur noch dazu, einen weitern Schatten darüber zu breiten.

Vielleicht wird bald die Zeit kommen, wo wir einsehen werden, im Rausch
unsrer jungen Revolution uns allzuweit in's Land der Träume eingelassen zu
haben. Erst haben 51 deutsche Männer in Heidelberg getagt, und dann haben
sie aus ihrer Mitte einen Siebncransschuß gewählt; dieser Siebncrausschuß, von
iaiserttch-republikanisch-einheitlich-deutschen Ideen erfüllt, hat eine Versammlung
von Notabeln zusammenberufen; diese haben in der Paulskirche eine National¬
versammlung ausgeschrieben und vorläufig einen Fünfziger-Ausschuß gleichsam als
provisorische Regierung festgesetzt, und in allen diesen Formen haben sich diese
5l, 7, 5 00 und 50 deutsche Männer als Repräsentanten Deutschlands angesehen,
obgleich ebeu diese Macht, die sie repräsentire n wollten, noch gar nicht existirte.


über den dritten erfuhr man nichts näheres. Man bezeichnete drei Prinzen als
diejenigen, die zu dieser eben so hohen als unklaren Aufgabe bestimmt waren.
Eben die Dunkelheit über den Umfang der Machtvollkommenheit, welche diesen
Männern zugedacht war, mußte beunruhigend wirken und dem leidenschaftlichen
Mißtrauen, welches für den Augenblick beschwichtigt war, neuen Spielraum geben.
Die linke Seite der Versammlung erhob sich daher mit eben so großer Energie
gegen diesen Antrag, als die rechte ihn unterstützte. Das Hauptargument der
ersten war: entweder haben diese Dreimänner keine andre Vollmacht, als welche
der Bundestag kraft der ihm inwohnenden ihnen zugesteht, und baun hat der
Fünfziger-Ausschuß nicht nöthig, sich einzumischen, oder sie haben eine größere,
»ut dann hat er kein Recht, sie ihnen zu ertheilen. Entweder, sagte Herr Kuranda,
wird Oestreich von dieser Dictatur ausgeschlossen, und dann Protestire ich dagegen
im Namen Oestreichs; oder nicht, dann protestire ich dagegen im Interesse der
Freiheit. Es steht mit Oestreich noch keineswegs so, daß wir keine Reaction zu
fürchten hätten. — Sprechen Sie in Ihrem eigenen Namen! rief ihm Dr,
v. Mühlfeld zu, der büreaukratische Vertreter des alten legitimen Oestreich. Am
meisten Mühe gaben sich die Badenser, den Antrag zu unterstützen: er hatte
offenbar für sie die größte Bedeutung, denn er war wesentlich gegen die Republi¬
kaner gerichtet. Dennoch wurde er uach zweitägigem heißem Kampfe zurückgewiesen.
Komisch war es, wie in demselben Augenblick der Stuhl unter dem Antragsteller
zusammenbrach.

Es ist bekannt, wie gleich darauf der Bundestag selber an die Berathung
dieses wichtigen Gegenstandes ging, wie wenige Tage darauf in einer öffentlichen
Sitzung des Ausschusses der frühere Beschluß ratiftcirt und die bedenkliche Idee
des Triumvirats adoptirt wurde. Der Ausschuß hat sich baun zwar in seinen
letzten Zügen gegen die Art der Ausführung gesperrt, aber die inzwischen theil¬
weise zusammentretende constituirende Versammlung hat ihm den letzten Rest seiner
Autorität geraul't. Eine bestimmte Physiognomie hat die neue Idee noch hente
nicht angenommen, und die kaiserlichen Phantasien der modernen Doctrinärö die¬
nen nur noch dazu, einen weitern Schatten darüber zu breiten.

Vielleicht wird bald die Zeit kommen, wo wir einsehen werden, im Rausch
unsrer jungen Revolution uns allzuweit in's Land der Träume eingelassen zu
haben. Erst haben 51 deutsche Männer in Heidelberg getagt, und dann haben
sie aus ihrer Mitte einen Siebncransschuß gewählt; dieser Siebncrausschuß, von
iaiserttch-republikanisch-einheitlich-deutschen Ideen erfüllt, hat eine Versammlung
von Notabeln zusammenberufen; diese haben in der Paulskirche eine National¬
versammlung ausgeschrieben und vorläufig einen Fünfziger-Ausschuß gleichsam als
provisorische Regierung festgesetzt, und in allen diesen Formen haben sich diese
5l, 7, 5 00 und 50 deutsche Männer als Repräsentanten Deutschlands angesehen,
obgleich ebeu diese Macht, die sie repräsentire n wollten, noch gar nicht existirte.


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[0254] über den dritten erfuhr man nichts näheres. Man bezeichnete drei Prinzen als diejenigen, die zu dieser eben so hohen als unklaren Aufgabe bestimmt waren. Eben die Dunkelheit über den Umfang der Machtvollkommenheit, welche diesen Männern zugedacht war, mußte beunruhigend wirken und dem leidenschaftlichen Mißtrauen, welches für den Augenblick beschwichtigt war, neuen Spielraum geben. Die linke Seite der Versammlung erhob sich daher mit eben so großer Energie gegen diesen Antrag, als die rechte ihn unterstützte. Das Hauptargument der ersten war: entweder haben diese Dreimänner keine andre Vollmacht, als welche der Bundestag kraft der ihm inwohnenden ihnen zugesteht, und baun hat der Fünfziger-Ausschuß nicht nöthig, sich einzumischen, oder sie haben eine größere, »ut dann hat er kein Recht, sie ihnen zu ertheilen. Entweder, sagte Herr Kuranda, wird Oestreich von dieser Dictatur ausgeschlossen, und dann Protestire ich dagegen im Namen Oestreichs; oder nicht, dann protestire ich dagegen im Interesse der Freiheit. Es steht mit Oestreich noch keineswegs so, daß wir keine Reaction zu fürchten hätten. — Sprechen Sie in Ihrem eigenen Namen! rief ihm Dr, v. Mühlfeld zu, der büreaukratische Vertreter des alten legitimen Oestreich. Am meisten Mühe gaben sich die Badenser, den Antrag zu unterstützen: er hatte offenbar für sie die größte Bedeutung, denn er war wesentlich gegen die Republi¬ kaner gerichtet. Dennoch wurde er uach zweitägigem heißem Kampfe zurückgewiesen. Komisch war es, wie in demselben Augenblick der Stuhl unter dem Antragsteller zusammenbrach. Es ist bekannt, wie gleich darauf der Bundestag selber an die Berathung dieses wichtigen Gegenstandes ging, wie wenige Tage darauf in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses der frühere Beschluß ratiftcirt und die bedenkliche Idee des Triumvirats adoptirt wurde. Der Ausschuß hat sich baun zwar in seinen letzten Zügen gegen die Art der Ausführung gesperrt, aber die inzwischen theil¬ weise zusammentretende constituirende Versammlung hat ihm den letzten Rest seiner Autorität geraul't. Eine bestimmte Physiognomie hat die neue Idee noch hente nicht angenommen, und die kaiserlichen Phantasien der modernen Doctrinärö die¬ nen nur noch dazu, einen weitern Schatten darüber zu breiten. Vielleicht wird bald die Zeit kommen, wo wir einsehen werden, im Rausch unsrer jungen Revolution uns allzuweit in's Land der Träume eingelassen zu haben. Erst haben 51 deutsche Männer in Heidelberg getagt, und dann haben sie aus ihrer Mitte einen Siebncransschuß gewählt; dieser Siebncrausschuß, von iaiserttch-republikanisch-einheitlich-deutschen Ideen erfüllt, hat eine Versammlung von Notabeln zusammenberufen; diese haben in der Paulskirche eine National¬ versammlung ausgeschrieben und vorläufig einen Fünfziger-Ausschuß gleichsam als provisorische Regierung festgesetzt, und in allen diesen Formen haben sich diese 5l, 7, 5 00 und 50 deutsche Männer als Repräsentanten Deutschlands angesehen, obgleich ebeu diese Macht, die sie repräsentire n wollten, noch gar nicht existirte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/254>, abgerufen am 26.06.2024.