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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Woran lag das? Ist der preußische Staat so viel schlechter, als alle übrigen
deutschen? Die preußischen Deputirten der jetzt zusammentretender deutschen
Nationalversammlung werden unsere Brüder in Süddeutschland eines bessern be¬
lehren. Es kam einfach daber, daß Preußen seine ständischen Abgeordneten nicht
hatte einschicken können. Unter den Männern der conservativen Partei, die sich
Preußens annahmen, als die Preußen selbst ihren Staat im Stiche ließen, zeich¬
neten sich Herr Ruder aus Oldenburg und Herr Pastor Jürgens aus Braunschweig
aus; sie thaten es nicht im Interesse Preußens, sondern im Interesse der gesetz¬
lichen Entwickelung.

Ganz anders hielten sich die östreichischen Deputirten. Wenn sie auch in all¬
gemeinen Fragen verschiedener Meinung waren -- Wicsncr, Knranda und Schu-
selka gehörten offenbar einer liberaleren Richtung an, als ihre übrigen Kollegen --
so traten sie in allen östreichischen Fragen wie Ein Mann auf; ein Verfahren,
das nur dazu diente, die Achtung vor Oestreich, wie vor seinen Deputirten zu
vermehren, denn man äußere sich kosmopolitisch wie man wolle, es macht nie
einen guten Eindruck, wenn man sein politisches Wirken darauf begründet, das
sittliche Gemeinwesen, dem man bis dahin angehörte, mit Füßen zu treten. Herr
Blum, offenbar der Entschiedenste unter den Radikalen, ließ es sich doch nicht
einfallen, Sachsen zum Gegenstande seiner Denunciationen zu machen.

Was nnn die conservative Partei, oder die rechte Seite der Versammlung
angeht, so ist es schwer, einen bestimmten Ausdruck für sie zu finden. Sie war
entschieden gegen die republikanischen Bestrebungen und hielt es demnach für die
Hauptaufgabe des Ausschusses, den Regierungen, so lange sie den Anforderungen
des Liberalismus nicht entgegentraten, mit entschiedenem Vertrauen zu Hülse zu
kommen.

Die erste Schilderhcbung der Republikaner hatte eben stattgefunden. Herr
v. Soiron, Präsident des Fünfziger-Ausschusses, hatte an der Spitze einer
Commission die dortigen Verhältnisse in Augenschein genommen und bei seiner
Anwesenheit in der Ständekammer zu Karlsruhe dieselbe zu einem entschiedenen
Vertrauensvotum für das Ministerium in der Verfolgung der Insurgenten ver -
anlaßt. Gleich nachdem er seinen Bericht abgestattet, berief er eine geheime
Sitzung des Ausschusses, um über eine projectirte Verstärkung der Bnndeöccntral-
gewalt in Berathung zu treten. Es.war der Kanzler Wächter aus Tübingen,
der den Antrag stellte, den Bundestag zu der Ernennung von drei Mäimern zu
ermächtigen, die interimistisch eine Art Dictatur in den innern Angelegenheiten
Deutschlands ausüben sollte. Uuter den Regierungen waren darüber schon lebhafte
Verhandlungen gepflogen; wie man sagte, reisten so eben die östreichischen Ab¬
geordneten Professor Endlicher -- für den mit einer Vollmacht von der Redaction
des Loyd Herr Hübner eingetreten war -- und Schilling nach Berlin. Von jenen
drei Dictatoren sollte einer von Oestreich, einer von Preußen gestellt werden;


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Woran lag das? Ist der preußische Staat so viel schlechter, als alle übrigen
deutschen? Die preußischen Deputirten der jetzt zusammentretender deutschen
Nationalversammlung werden unsere Brüder in Süddeutschland eines bessern be¬
lehren. Es kam einfach daber, daß Preußen seine ständischen Abgeordneten nicht
hatte einschicken können. Unter den Männern der conservativen Partei, die sich
Preußens annahmen, als die Preußen selbst ihren Staat im Stiche ließen, zeich¬
neten sich Herr Ruder aus Oldenburg und Herr Pastor Jürgens aus Braunschweig
aus; sie thaten es nicht im Interesse Preußens, sondern im Interesse der gesetz¬
lichen Entwickelung.

Ganz anders hielten sich die östreichischen Deputirten. Wenn sie auch in all¬
gemeinen Fragen verschiedener Meinung waren — Wicsncr, Knranda und Schu-
selka gehörten offenbar einer liberaleren Richtung an, als ihre übrigen Kollegen —
so traten sie in allen östreichischen Fragen wie Ein Mann auf; ein Verfahren,
das nur dazu diente, die Achtung vor Oestreich, wie vor seinen Deputirten zu
vermehren, denn man äußere sich kosmopolitisch wie man wolle, es macht nie
einen guten Eindruck, wenn man sein politisches Wirken darauf begründet, das
sittliche Gemeinwesen, dem man bis dahin angehörte, mit Füßen zu treten. Herr
Blum, offenbar der Entschiedenste unter den Radikalen, ließ es sich doch nicht
einfallen, Sachsen zum Gegenstande seiner Denunciationen zu machen.

Was nnn die conservative Partei, oder die rechte Seite der Versammlung
angeht, so ist es schwer, einen bestimmten Ausdruck für sie zu finden. Sie war
entschieden gegen die republikanischen Bestrebungen und hielt es demnach für die
Hauptaufgabe des Ausschusses, den Regierungen, so lange sie den Anforderungen
des Liberalismus nicht entgegentraten, mit entschiedenem Vertrauen zu Hülse zu
kommen.

Die erste Schilderhcbung der Republikaner hatte eben stattgefunden. Herr
v. Soiron, Präsident des Fünfziger-Ausschusses, hatte an der Spitze einer
Commission die dortigen Verhältnisse in Augenschein genommen und bei seiner
Anwesenheit in der Ständekammer zu Karlsruhe dieselbe zu einem entschiedenen
Vertrauensvotum für das Ministerium in der Verfolgung der Insurgenten ver -
anlaßt. Gleich nachdem er seinen Bericht abgestattet, berief er eine geheime
Sitzung des Ausschusses, um über eine projectirte Verstärkung der Bnndeöccntral-
gewalt in Berathung zu treten. Es.war der Kanzler Wächter aus Tübingen,
der den Antrag stellte, den Bundestag zu der Ernennung von drei Mäimern zu
ermächtigen, die interimistisch eine Art Dictatur in den innern Angelegenheiten
Deutschlands ausüben sollte. Uuter den Regierungen waren darüber schon lebhafte
Verhandlungen gepflogen; wie man sagte, reisten so eben die östreichischen Ab¬
geordneten Professor Endlicher — für den mit einer Vollmacht von der Redaction
des Loyd Herr Hübner eingetreten war — und Schilling nach Berlin. Von jenen
drei Dictatoren sollte einer von Oestreich, einer von Preußen gestellt werden;


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[0253] Woran lag das? Ist der preußische Staat so viel schlechter, als alle übrigen deutschen? Die preußischen Deputirten der jetzt zusammentretender deutschen Nationalversammlung werden unsere Brüder in Süddeutschland eines bessern be¬ lehren. Es kam einfach daber, daß Preußen seine ständischen Abgeordneten nicht hatte einschicken können. Unter den Männern der conservativen Partei, die sich Preußens annahmen, als die Preußen selbst ihren Staat im Stiche ließen, zeich¬ neten sich Herr Ruder aus Oldenburg und Herr Pastor Jürgens aus Braunschweig aus; sie thaten es nicht im Interesse Preußens, sondern im Interesse der gesetz¬ lichen Entwickelung. Ganz anders hielten sich die östreichischen Deputirten. Wenn sie auch in all¬ gemeinen Fragen verschiedener Meinung waren — Wicsncr, Knranda und Schu- selka gehörten offenbar einer liberaleren Richtung an, als ihre übrigen Kollegen — so traten sie in allen östreichischen Fragen wie Ein Mann auf; ein Verfahren, das nur dazu diente, die Achtung vor Oestreich, wie vor seinen Deputirten zu vermehren, denn man äußere sich kosmopolitisch wie man wolle, es macht nie einen guten Eindruck, wenn man sein politisches Wirken darauf begründet, das sittliche Gemeinwesen, dem man bis dahin angehörte, mit Füßen zu treten. Herr Blum, offenbar der Entschiedenste unter den Radikalen, ließ es sich doch nicht einfallen, Sachsen zum Gegenstande seiner Denunciationen zu machen. Was nnn die conservative Partei, oder die rechte Seite der Versammlung angeht, so ist es schwer, einen bestimmten Ausdruck für sie zu finden. Sie war entschieden gegen die republikanischen Bestrebungen und hielt es demnach für die Hauptaufgabe des Ausschusses, den Regierungen, so lange sie den Anforderungen des Liberalismus nicht entgegentraten, mit entschiedenem Vertrauen zu Hülse zu kommen. Die erste Schilderhcbung der Republikaner hatte eben stattgefunden. Herr v. Soiron, Präsident des Fünfziger-Ausschusses, hatte an der Spitze einer Commission die dortigen Verhältnisse in Augenschein genommen und bei seiner Anwesenheit in der Ständekammer zu Karlsruhe dieselbe zu einem entschiedenen Vertrauensvotum für das Ministerium in der Verfolgung der Insurgenten ver - anlaßt. Gleich nachdem er seinen Bericht abgestattet, berief er eine geheime Sitzung des Ausschusses, um über eine projectirte Verstärkung der Bnndeöccntral- gewalt in Berathung zu treten. Es.war der Kanzler Wächter aus Tübingen, der den Antrag stellte, den Bundestag zu der Ernennung von drei Mäimern zu ermächtigen, die interimistisch eine Art Dictatur in den innern Angelegenheiten Deutschlands ausüben sollte. Uuter den Regierungen waren darüber schon lebhafte Verhandlungen gepflogen; wie man sagte, reisten so eben die östreichischen Ab¬ geordneten Professor Endlicher — für den mit einer Vollmacht von der Redaction des Loyd Herr Hübner eingetreten war — und Schilling nach Berlin. Von jenen drei Dictatoren sollte einer von Oestreich, einer von Preußen gestellt werden; 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/253>, abgerufen am 23.07.2024.