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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Gine Fahrt nach Frankfurt.



I.

Von der allgemeinen Bewegung, die alle Verhältnisse Deutschlands in ge¬
waltsamen Umschwunge mit sich fortreißt, ist Ein Institut unberührt geblieben,
die fürstlich Thurn - und Taxissche rothe Postkutsche, die uns in 22 Stunden von
Eisenach nach Frankfurt führt. Sie geht den alten legitimen Trott, als ob sie
vier Wochen geschlafen, als ob sie von der ganzen Revolution nichts gehört hätte.
Der fieberhafte Pulsschlag der Zeit hat dies aristokratische Blut nicht in Wallung
gesetzt. Im fürstlich Thurn- und Taxisschen Palais zu Frankfurt, wo der deutsche
Bund zur Miethe wohnt, geschehen Dinge, die jedem wackern, hoch-, Hochwohl-,
wohl- und hochedelgebornen Unterthan eines der :Z4 freien Männer von Gottes
Gnaden die Apoplexie zuziehen konnten;,der k. k. Bnndespräsidialgesandte ist nicht
allein genöthigt, mit Weinhändlern, Advokaten und ähnlichen apokryphischen Größen
zu verkehren, als wäre er ein Mensch wie andere auch, er empfängt gar von ihnen
Gesetze, und ein "hoher" oder "wohllöblicher" Ausschuß der Fünfziger -- über
die Titulatur ist die junge Generation noch nicht recht mit sich im Reinen -- hat
ihn zu seinem Briefträger ernannt. Wundert euch, so viel ihr wollt, ihr Gläu¬
bigen der heiligen Allianz; ein jüdischer, bürgerlicher Arzt, der wegen Hochver¬
raths und anderer Unarten mehrfach in Untersuchung gewesen, der also -- abge¬
sehen von seiner ganz und gar nicht courfähigen Herkunft -- nach der Erklärung
des Herrn v> Rochow im königl. preußischen Landtagsausschuß einen "Kraals" für
sein ganzes Leben wegbekommen hat, dieser höchstens in Beziehung ans sein Doctor-
diplom Wohlgeborne hat die Verwegenheit, die sämmtlichen Excellenzen, die bei
Thurn- und Taxis tagen, seine Briefträger zu nennen! Ja er will ihnen selbst
diesen einträglichen Posten nur aus besondern Rücksichten zugestehen, er will sie
nur unter der Bedingung zu seinen Diensten verwenden, daß sie ehrliche brauch¬
bare Leute sind; und den bestehenden Excellenzen kann er dies Zeugniß nicht aus¬
stellen, sie sind nicht zuverlässig, und er fordert die Regierungen auf, besser qua-
lificirte Subjecte zu schicken, von denen man eine Untreue in der Expedition ihrer
Posten nicht voraussetzen darf. Es liegt in dieser bürgerlichen Jndelicatesse mehr


Gine Fahrt nach Frankfurt.



I.

Von der allgemeinen Bewegung, die alle Verhältnisse Deutschlands in ge¬
waltsamen Umschwunge mit sich fortreißt, ist Ein Institut unberührt geblieben,
die fürstlich Thurn - und Taxissche rothe Postkutsche, die uns in 22 Stunden von
Eisenach nach Frankfurt führt. Sie geht den alten legitimen Trott, als ob sie
vier Wochen geschlafen, als ob sie von der ganzen Revolution nichts gehört hätte.
Der fieberhafte Pulsschlag der Zeit hat dies aristokratische Blut nicht in Wallung
gesetzt. Im fürstlich Thurn- und Taxisschen Palais zu Frankfurt, wo der deutsche
Bund zur Miethe wohnt, geschehen Dinge, die jedem wackern, hoch-, Hochwohl-,
wohl- und hochedelgebornen Unterthan eines der :Z4 freien Männer von Gottes
Gnaden die Apoplexie zuziehen konnten;,der k. k. Bnndespräsidialgesandte ist nicht
allein genöthigt, mit Weinhändlern, Advokaten und ähnlichen apokryphischen Größen
zu verkehren, als wäre er ein Mensch wie andere auch, er empfängt gar von ihnen
Gesetze, und ein „hoher" oder „wohllöblicher" Ausschuß der Fünfziger — über
die Titulatur ist die junge Generation noch nicht recht mit sich im Reinen — hat
ihn zu seinem Briefträger ernannt. Wundert euch, so viel ihr wollt, ihr Gläu¬
bigen der heiligen Allianz; ein jüdischer, bürgerlicher Arzt, der wegen Hochver¬
raths und anderer Unarten mehrfach in Untersuchung gewesen, der also — abge¬
sehen von seiner ganz und gar nicht courfähigen Herkunft — nach der Erklärung
des Herrn v> Rochow im königl. preußischen Landtagsausschuß einen „Kraals" für
sein ganzes Leben wegbekommen hat, dieser höchstens in Beziehung ans sein Doctor-
diplom Wohlgeborne hat die Verwegenheit, die sämmtlichen Excellenzen, die bei
Thurn- und Taxis tagen, seine Briefträger zu nennen! Ja er will ihnen selbst
diesen einträglichen Posten nur aus besondern Rücksichten zugestehen, er will sie
nur unter der Bedingung zu seinen Diensten verwenden, daß sie ehrliche brauch¬
bare Leute sind; und den bestehenden Excellenzen kann er dies Zeugniß nicht aus¬
stellen, sie sind nicht zuverlässig, und er fordert die Regierungen auf, besser qua-
lificirte Subjecte zu schicken, von denen man eine Untreue in der Expedition ihrer
Posten nicht voraussetzen darf. Es liegt in dieser bürgerlichen Jndelicatesse mehr


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[0198] Gine Fahrt nach Frankfurt. I. Von der allgemeinen Bewegung, die alle Verhältnisse Deutschlands in ge¬ waltsamen Umschwunge mit sich fortreißt, ist Ein Institut unberührt geblieben, die fürstlich Thurn - und Taxissche rothe Postkutsche, die uns in 22 Stunden von Eisenach nach Frankfurt führt. Sie geht den alten legitimen Trott, als ob sie vier Wochen geschlafen, als ob sie von der ganzen Revolution nichts gehört hätte. Der fieberhafte Pulsschlag der Zeit hat dies aristokratische Blut nicht in Wallung gesetzt. Im fürstlich Thurn- und Taxisschen Palais zu Frankfurt, wo der deutsche Bund zur Miethe wohnt, geschehen Dinge, die jedem wackern, hoch-, Hochwohl-, wohl- und hochedelgebornen Unterthan eines der :Z4 freien Männer von Gottes Gnaden die Apoplexie zuziehen konnten;,der k. k. Bnndespräsidialgesandte ist nicht allein genöthigt, mit Weinhändlern, Advokaten und ähnlichen apokryphischen Größen zu verkehren, als wäre er ein Mensch wie andere auch, er empfängt gar von ihnen Gesetze, und ein „hoher" oder „wohllöblicher" Ausschuß der Fünfziger — über die Titulatur ist die junge Generation noch nicht recht mit sich im Reinen — hat ihn zu seinem Briefträger ernannt. Wundert euch, so viel ihr wollt, ihr Gläu¬ bigen der heiligen Allianz; ein jüdischer, bürgerlicher Arzt, der wegen Hochver¬ raths und anderer Unarten mehrfach in Untersuchung gewesen, der also — abge¬ sehen von seiner ganz und gar nicht courfähigen Herkunft — nach der Erklärung des Herrn v> Rochow im königl. preußischen Landtagsausschuß einen „Kraals" für sein ganzes Leben wegbekommen hat, dieser höchstens in Beziehung ans sein Doctor- diplom Wohlgeborne hat die Verwegenheit, die sämmtlichen Excellenzen, die bei Thurn- und Taxis tagen, seine Briefträger zu nennen! Ja er will ihnen selbst diesen einträglichen Posten nur aus besondern Rücksichten zugestehen, er will sie nur unter der Bedingung zu seinen Diensten verwenden, daß sie ehrliche brauch¬ bare Leute sind; und den bestehenden Excellenzen kann er dies Zeugniß nicht aus¬ stellen, sie sind nicht zuverlässig, und er fordert die Regierungen auf, besser qua- lificirte Subjecte zu schicken, von denen man eine Untreue in der Expedition ihrer Posten nicht voraussetzen darf. Es liegt in dieser bürgerlichen Jndelicatesse mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/198>, abgerufen am 28.09.2024.