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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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ein für alle Mal aufgehoben, sie darf nie mehr eingeführt wer¬
den," eine mehr beruhigende Kraft ausüben würden").

Die Emancipation der Nichtkatholiten ist nirgends ausgesprochen. Die Kon¬
stitution beruft sich sogar auf die beschränkende Gewalt früherer Gesetze, ohne das
Versprechen zu ertheile", dieselben einer Revision zu unterwerfen. So wird im
Paragraph ni den Deutschkatholiken die freie Ausübung des Gottesdienstes nicht
gesichert, weil der Deutsch- und Chnstkathvlicismus kein durch Gesetze anerkanntes
Glaubensbekenntniß ist, wiewohl im Paragraph 17 allen Staatsbürgern volle
Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet wird. Eine Hindeutung auf eine
später zu bewerkstelligende Emancipation enthält wohl der Paragraph 27: die
Beseitigung der in einigen Theilen der Monarchie gesetzlich be¬
stehenden Verschiedenheiten der bürgerlichen und politischen
Rechte einzelner Religionsconfessionen, so wie die Aufhebung
der der Erwerbung aller Arten von Grundbesitz noch entgegen¬
stehenden Beschränkungen, werden den Gegenstand dem ersten
Reichstage vorzulegender Gesetzvorschläge bilden. Es ist nur zu
wünschen, daß die Worte "bürgerliche und politische Rechte" eine bessere
Auslegung erhalten, als sie bisher in Oestreich erfahren hatten.

Der ungeheure Schritt, den Oestreich gethan, verringerte sich bei der Email'
cipativnsfrage zu einem sehr mäßigen Vorwärtsbewegen und Joseph's II. Toleranz¬
patent wird dadurch neuerlich als eine ganz absonderliche Erscheinung im östrei¬
chischen Kaiserthum herausgestellt. Hierzu muß noch bemerkt werden, daß die
Gesetzgebung über die Beseitigung jener Hemmnisse, welche den Nichtkatholiten
ihre staatsbürgerlichen Rechte verkümmern, einem Reichstage übertragen wird, der
nach einer provisorischen Wahlordnung zusammentritt. Den Juden ist die freie
Ausübung des Gottesdienstes gesichert. -- Ueberhaupt leidet der dritte Abschnitt
der Konstitution, welcher von den staatsbürgerlichen und politischen
Rechten der Staatseiuwohuer handelt, fast durchgehends an Unklarheit
und Unbestimmtheit. Die meisten Paragraphe enthalten nur Versprechungen und
auf ihrer Basis wären die Bewegungen des politischen und bürgerlichen Lebens
in Oestreich uoch immer höchst unsicher, wenn nicht gefährlich. Nach deu ersten
Reichstagen wird dieser Abschnitt erst seine vollste Wichtigkeit erhalten.

Noch ist das Haus des Oestreichers nicht seine Burg. -- Das Militair
behält bis auf Weiteres noch immer seinen abgesonderten Gerichtsstand, obwohl
ein gleicher Gerichtsstand allen Staatsbürgern zugesichert wurde. Die ei¬
genthümlichen Militärverhältnisse Oestreichs mögen in dieser Beziehung hinder¬
lich sein.

Das definitive Wahlgesetz wird ein Elaborat des Reichstags sein. Einzelne



*) Das provisorische Preßgcsetz scheint ohne bindende Kraft geblieben zu sein.

ein für alle Mal aufgehoben, sie darf nie mehr eingeführt wer¬
den," eine mehr beruhigende Kraft ausüben würden").

Die Emancipation der Nichtkatholiten ist nirgends ausgesprochen. Die Kon¬
stitution beruft sich sogar auf die beschränkende Gewalt früherer Gesetze, ohne das
Versprechen zu ertheile», dieselben einer Revision zu unterwerfen. So wird im
Paragraph ni den Deutschkatholiken die freie Ausübung des Gottesdienstes nicht
gesichert, weil der Deutsch- und Chnstkathvlicismus kein durch Gesetze anerkanntes
Glaubensbekenntniß ist, wiewohl im Paragraph 17 allen Staatsbürgern volle
Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet wird. Eine Hindeutung auf eine
später zu bewerkstelligende Emancipation enthält wohl der Paragraph 27: die
Beseitigung der in einigen Theilen der Monarchie gesetzlich be¬
stehenden Verschiedenheiten der bürgerlichen und politischen
Rechte einzelner Religionsconfessionen, so wie die Aufhebung
der der Erwerbung aller Arten von Grundbesitz noch entgegen¬
stehenden Beschränkungen, werden den Gegenstand dem ersten
Reichstage vorzulegender Gesetzvorschläge bilden. Es ist nur zu
wünschen, daß die Worte „bürgerliche und politische Rechte" eine bessere
Auslegung erhalten, als sie bisher in Oestreich erfahren hatten.

Der ungeheure Schritt, den Oestreich gethan, verringerte sich bei der Email'
cipativnsfrage zu einem sehr mäßigen Vorwärtsbewegen und Joseph's II. Toleranz¬
patent wird dadurch neuerlich als eine ganz absonderliche Erscheinung im östrei¬
chischen Kaiserthum herausgestellt. Hierzu muß noch bemerkt werden, daß die
Gesetzgebung über die Beseitigung jener Hemmnisse, welche den Nichtkatholiten
ihre staatsbürgerlichen Rechte verkümmern, einem Reichstage übertragen wird, der
nach einer provisorischen Wahlordnung zusammentritt. Den Juden ist die freie
Ausübung des Gottesdienstes gesichert. — Ueberhaupt leidet der dritte Abschnitt
der Konstitution, welcher von den staatsbürgerlichen und politischen
Rechten der Staatseiuwohuer handelt, fast durchgehends an Unklarheit
und Unbestimmtheit. Die meisten Paragraphe enthalten nur Versprechungen und
auf ihrer Basis wären die Bewegungen des politischen und bürgerlichen Lebens
in Oestreich uoch immer höchst unsicher, wenn nicht gefährlich. Nach deu ersten
Reichstagen wird dieser Abschnitt erst seine vollste Wichtigkeit erhalten.

Noch ist das Haus des Oestreichers nicht seine Burg. — Das Militair
behält bis auf Weiteres noch immer seinen abgesonderten Gerichtsstand, obwohl
ein gleicher Gerichtsstand allen Staatsbürgern zugesichert wurde. Die ei¬
genthümlichen Militärverhältnisse Oestreichs mögen in dieser Beziehung hinder¬
lich sein.

Das definitive Wahlgesetz wird ein Elaborat des Reichstags sein. Einzelne



*) Das provisorische Preßgcsetz scheint ohne bindende Kraft geblieben zu sein.
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[0187] ein für alle Mal aufgehoben, sie darf nie mehr eingeführt wer¬ den," eine mehr beruhigende Kraft ausüben würden"). Die Emancipation der Nichtkatholiten ist nirgends ausgesprochen. Die Kon¬ stitution beruft sich sogar auf die beschränkende Gewalt früherer Gesetze, ohne das Versprechen zu ertheile», dieselben einer Revision zu unterwerfen. So wird im Paragraph ni den Deutschkatholiken die freie Ausübung des Gottesdienstes nicht gesichert, weil der Deutsch- und Chnstkathvlicismus kein durch Gesetze anerkanntes Glaubensbekenntniß ist, wiewohl im Paragraph 17 allen Staatsbürgern volle Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet wird. Eine Hindeutung auf eine später zu bewerkstelligende Emancipation enthält wohl der Paragraph 27: die Beseitigung der in einigen Theilen der Monarchie gesetzlich be¬ stehenden Verschiedenheiten der bürgerlichen und politischen Rechte einzelner Religionsconfessionen, so wie die Aufhebung der der Erwerbung aller Arten von Grundbesitz noch entgegen¬ stehenden Beschränkungen, werden den Gegenstand dem ersten Reichstage vorzulegender Gesetzvorschläge bilden. Es ist nur zu wünschen, daß die Worte „bürgerliche und politische Rechte" eine bessere Auslegung erhalten, als sie bisher in Oestreich erfahren hatten. Der ungeheure Schritt, den Oestreich gethan, verringerte sich bei der Email' cipativnsfrage zu einem sehr mäßigen Vorwärtsbewegen und Joseph's II. Toleranz¬ patent wird dadurch neuerlich als eine ganz absonderliche Erscheinung im östrei¬ chischen Kaiserthum herausgestellt. Hierzu muß noch bemerkt werden, daß die Gesetzgebung über die Beseitigung jener Hemmnisse, welche den Nichtkatholiten ihre staatsbürgerlichen Rechte verkümmern, einem Reichstage übertragen wird, der nach einer provisorischen Wahlordnung zusammentritt. Den Juden ist die freie Ausübung des Gottesdienstes gesichert. — Ueberhaupt leidet der dritte Abschnitt der Konstitution, welcher von den staatsbürgerlichen und politischen Rechten der Staatseiuwohuer handelt, fast durchgehends an Unklarheit und Unbestimmtheit. Die meisten Paragraphe enthalten nur Versprechungen und auf ihrer Basis wären die Bewegungen des politischen und bürgerlichen Lebens in Oestreich uoch immer höchst unsicher, wenn nicht gefährlich. Nach deu ersten Reichstagen wird dieser Abschnitt erst seine vollste Wichtigkeit erhalten. Noch ist das Haus des Oestreichers nicht seine Burg. — Das Militair behält bis auf Weiteres noch immer seinen abgesonderten Gerichtsstand, obwohl ein gleicher Gerichtsstand allen Staatsbürgern zugesichert wurde. Die ei¬ genthümlichen Militärverhältnisse Oestreichs mögen in dieser Beziehung hinder¬ lich sein. Das definitive Wahlgesetz wird ein Elaborat des Reichstags sein. Einzelne *) Das provisorische Preßgcsetz scheint ohne bindende Kraft geblieben zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/187>, abgerufen am 29.06.2024.