Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.unredliche Schlauheit aus. Denn durch jenen Beisatz ergebe sich ja, daß nur von unredliche Schlauheit aus. Denn durch jenen Beisatz ergebe sich ja, daß nur von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276377"/> <p xml:id="ID_578" prev="#ID_577" next="#ID_579"> unredliche Schlauheit aus. Denn durch jenen Beisatz ergebe sich ja, daß nur von<lb/> bloßen rhetorischen Uebungen die Rede sei. Nun Schmidt hat sich wohl auch<lb/> nicht erkühnt, das verhehlen zu wollen, wie es seine Worte jedem Unbefangenen<lb/> bezeugen; er will an jener Stelle zunächst von nichts, als von rhetorischen Uebun¬<lb/> gen sprechen. Aber die Sache bleibt dennoch dieselbe. Denn daß mau auf der<lb/> Schule in solcher Weise sich exercirte, zeugt doch mindestens von großem religiösen<lb/> Jndifferentismus. Als wenn übrigens der Versasser den mehr und mehr um sich<lb/> greifenden Rationalismus nicht auch sonst noch durch andere Citate genugsam be¬<lb/> legt hätte! (z. B. S. 3X1 die Meinungen über die Egeria). — In ähnlicher Art<lb/> krittelnd sticht Recensent das Citat ans Juvenal (2. ü.) auf: „yui On-in« »ii»»Juni,<lb/> vt ö^ii-unten vivunt," worin Schmidt mit Recht Heuchelei bezeichnet glaubt.<lb/> Hier sei vou keiner Religion die Rede! sagt er. Von christlicher Religion freilich<lb/> nicht. Aber wir meinen, in der Nachahmung des Turins liegt neben der Genüg¬<lb/> samkeit die alte römische Sitte überhaupt, welche nie ohne Frömmigkeit bestand.<lb/> Was will denn der Recensent? steife er sich doch sonst so sehr ans die Mei¬<lb/> nung, daß nationales und religiöses Bewußtsein dem Römer nicht verschieden<lb/> war?! — Ganz ebenso erbittert er sich ferner über S. :!«>7 und .'!08, wo<lb/> der Verfasser, Juvenal folgend, den Weibern mit ihrer Unzüchtigkeit Hang zu<lb/> abergläubischer Frömmelei schuldgibt. Recensent will aber wissen, Juvenal stellte<lb/> nie Unzucht und Heuchelei in einem weiblichen Individuum zusammen dar, er<lb/> zeige blos, einige Weiber seien unzüchtig, einige heuchlerisch. Es ist wirklich,<lb/> als ob sich der Recensent vor der Bestätigung muckerischer Thatsachen fürchte.<lb/> Und diese Dinge sind doch zu allen Zeiten vorgekommen, und ihr psychologischer<lb/> Grund so durchsichtig. Im Uebrigen verräth er ein sehr schwaches Verständniß<lb/> der innerlich sehr unter sich zusammenhängenden Genregemälde des römischen Mei¬<lb/> sters. Unmöglich kann er den ganzen Juvenal mit Aufmerksamkeit gelesen haben!<lb/> Er vergleiche nur einstweilen Sal. 6 V. 529. 605. 538. 557. Wem aber das im<lb/> Allgemeinen nicht genug schlagender Beweis sür das Bestehen der Scheinheiligkeit<lb/> sein sollte, der denke nur an die Persönlichkeiten des Vellejus und des Valerius<lb/> Maximus, deren Bilder der Verfasser so trefflich abgezeichnet hat (S. :»30 und<lb/> :!34). — Einen andern Widerspruch wähnt Recensent dem Verfasser nachgewiesen<lb/> zu haben, indem er die von Tigellinus verfolgten Stoiker Offenbarungsglänbige<lb/> nennt (S. 346 ff.) als welche sie ja doch, nach des Verfassers Ansicht, der i.,i-ii>.<lb/> eens und seine Rathgeber nicht hätten verfolgen können. Das ist aber geradezu<lb/> Unwissenheit. Denn wenn irgend eine philosophische Sekte in ihrem Verhältnisse<lb/> zur Religion mit unsern heutigen Rationalisten verglichen werden kann, so ist es<lb/> gewiß diese. Auch Schmidt sagt nichts anders (vgl. S. -216). — Einen entsetz¬<lb/> lichen Lärm endlich macht der Recensent über Schmidt's Erzählung vom Tode<lb/> des Palus nach Tacitus. Man kann es aber ruhig jedem unparteiischen Beur¬<lb/> theiler überlassen, zu bestimmen: ob wirklich in irgend einem Pnnkte der Text</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
unredliche Schlauheit aus. Denn durch jenen Beisatz ergebe sich ja, daß nur von
bloßen rhetorischen Uebungen die Rede sei. Nun Schmidt hat sich wohl auch
nicht erkühnt, das verhehlen zu wollen, wie es seine Worte jedem Unbefangenen
bezeugen; er will an jener Stelle zunächst von nichts, als von rhetorischen Uebun¬
gen sprechen. Aber die Sache bleibt dennoch dieselbe. Denn daß mau auf der
Schule in solcher Weise sich exercirte, zeugt doch mindestens von großem religiösen
Jndifferentismus. Als wenn übrigens der Versasser den mehr und mehr um sich
greifenden Rationalismus nicht auch sonst noch durch andere Citate genugsam be¬
legt hätte! (z. B. S. 3X1 die Meinungen über die Egeria). — In ähnlicher Art
krittelnd sticht Recensent das Citat ans Juvenal (2. ü.) auf: „yui On-in« »ii»»Juni,
vt ö^ii-unten vivunt," worin Schmidt mit Recht Heuchelei bezeichnet glaubt.
Hier sei vou keiner Religion die Rede! sagt er. Von christlicher Religion freilich
nicht. Aber wir meinen, in der Nachahmung des Turins liegt neben der Genüg¬
samkeit die alte römische Sitte überhaupt, welche nie ohne Frömmigkeit bestand.
Was will denn der Recensent? steife er sich doch sonst so sehr ans die Mei¬
nung, daß nationales und religiöses Bewußtsein dem Römer nicht verschieden
war?! — Ganz ebenso erbittert er sich ferner über S. :!«>7 und .'!08, wo
der Verfasser, Juvenal folgend, den Weibern mit ihrer Unzüchtigkeit Hang zu
abergläubischer Frömmelei schuldgibt. Recensent will aber wissen, Juvenal stellte
nie Unzucht und Heuchelei in einem weiblichen Individuum zusammen dar, er
zeige blos, einige Weiber seien unzüchtig, einige heuchlerisch. Es ist wirklich,
als ob sich der Recensent vor der Bestätigung muckerischer Thatsachen fürchte.
Und diese Dinge sind doch zu allen Zeiten vorgekommen, und ihr psychologischer
Grund so durchsichtig. Im Uebrigen verräth er ein sehr schwaches Verständniß
der innerlich sehr unter sich zusammenhängenden Genregemälde des römischen Mei¬
sters. Unmöglich kann er den ganzen Juvenal mit Aufmerksamkeit gelesen haben!
Er vergleiche nur einstweilen Sal. 6 V. 529. 605. 538. 557. Wem aber das im
Allgemeinen nicht genug schlagender Beweis sür das Bestehen der Scheinheiligkeit
sein sollte, der denke nur an die Persönlichkeiten des Vellejus und des Valerius
Maximus, deren Bilder der Verfasser so trefflich abgezeichnet hat (S. :»30 und
:!34). — Einen andern Widerspruch wähnt Recensent dem Verfasser nachgewiesen
zu haben, indem er die von Tigellinus verfolgten Stoiker Offenbarungsglänbige
nennt (S. 346 ff.) als welche sie ja doch, nach des Verfassers Ansicht, der i.,i-ii>.
eens und seine Rathgeber nicht hätten verfolgen können. Das ist aber geradezu
Unwissenheit. Denn wenn irgend eine philosophische Sekte in ihrem Verhältnisse
zur Religion mit unsern heutigen Rationalisten verglichen werden kann, so ist es
gewiß diese. Auch Schmidt sagt nichts anders (vgl. S. -216). — Einen entsetz¬
lichen Lärm endlich macht der Recensent über Schmidt's Erzählung vom Tode
des Palus nach Tacitus. Man kann es aber ruhig jedem unparteiischen Beur¬
theiler überlassen, zu bestimmen: ob wirklich in irgend einem Pnnkte der Text
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