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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Recensent spöttelt über die Ansicht des Verfassers, daß er die von ihm be¬
handelte Periode "eine Uebergangsperiode großer idealer Entwicklung nennt."
Auch wir sind der Meinung und haben nichts zu entgegnen, als das derjenige,
dem das nicht so vorkommt, wenig das Panorama der Universalgeschichte, die Ge¬
schichte im Ganzen und Großen betrachtet zu habe" scheint.

Recensent ruft empört aus: "Wie kann man unsrer Zeit die Schmach an¬
thun, sie mit dem "iteculum corruptissimui" zu vergleichen? Darauf ist ruhig
zu antworten: Die Geschichtschreibung hat keine Sympathien und Antipathien.
Sie weiß zwar, daß nichts genau so wieder geschieht, was einmal geschehn, aber
Aehnlichkeit findet sie viel, wie sehr auch die Erscheinungen dem Grade und der
Modalität nach verschieden; überall bemerkt sie die Einheit in der Mannigfaltig¬
keit, und nur, indem sie darauf hinweist, vermag sie fruchtbringend zu lehren. --.
Recensent scheint wirklich gar nicht zu ahnen, was menschlich ewig in der Welt¬
geschichte ist, noch, daß gewisse sittliche Gruudforderuugeu für alle Zeiten und
Verhältnisse gelten. Er sagt z. B.: daß solche Forderungen (der Lehrfreiheit
u. s. w.) den römischen Despoten gegenüber lächerlich erscheinen, fühle ein Je¬
der^) Ueberhaupt liebt er es sehr, sich auf das Gefühl zu berufen und mit
demselben zu beweisen. Denn triviale Phrasen, als: "wo es Sclaven gibt, gibt
es auch Despoten" können unmöglich sür Beweise gelten. -- Die Anschauung
Schmidt's, daß noch viel Herrliches im Heidenthum gewesen, das durch den
Despotismus in seiner Blüthe unterdrückt worden, ist ihm entsetzlich. Wir
bekennen uns zu der nämlichen Ansicht. Wir meinen, die Keime des Christen¬
thums , das auch ein Zeichen jener Zeit war, ja das größte und stärkste, hätten
sich vielleicht frischer und lebensvoller entfaltet, als unter den obwaltenden Um¬
ständen möglich war. -- Wenn Recensent ferner aufstellt: nur durch die Solda¬
tenmacht habe der Despotismus sich erhalten, nicht durch die orthodoxe Religion
- so hat das in der That einen Schein für sich. Aber man könnte doch auch
erwidern: Wie aber? wenn das aufgeklärte Volk sich aufgerafft hätte, wenn pa¬
triotische Begeisterung die Bürger wieder zu Soldaten und die Soldaten wieder
zu Bürgern gemacht hätte?! --

, Nun einiges Einzelne. -- Zuvörderst (um dem Recensenten zu zeigen, daß wir
gerecht) merken wir an, daß auch uns der Verfasser in der Erklärung jener Stelle
aus ^edle ^pp. (28. 16.) zu irren scheint und daß wir den Paulus nicht blos
nnter polizeilicher Aussicht, sonderU für angeschmiedet halten. So kommt es uns
vor, wir weisen indeß die Möglichkeit, unsrerseits geirrt zu haben, nicht ab. --
S. 421 citirt aber Schmidt eine Stelle aus Suetous Buch "lo cliuis illvtoribii",
damit zu bewahrheiten, daß man in den Schulen häufig sehr rationalistisch ge¬
dacht. "Ksepe talauf unen tira-u-e, uut lüstorün clomvre (quoll ^crus F-vel-,'
et et z-"r"ssx-v"s Kraeci von-me)." -- Diese letzte Parenthese hat
Schmidt weggelassen. Das legt ihm nun der Recensent, kleinlich genug, als eine


Recensent spöttelt über die Ansicht des Verfassers, daß er die von ihm be¬
handelte Periode „eine Uebergangsperiode großer idealer Entwicklung nennt."
Auch wir sind der Meinung und haben nichts zu entgegnen, als das derjenige,
dem das nicht so vorkommt, wenig das Panorama der Universalgeschichte, die Ge¬
schichte im Ganzen und Großen betrachtet zu habe» scheint.

Recensent ruft empört aus: „Wie kann man unsrer Zeit die Schmach an¬
thun, sie mit dem «iteculum corruptissimui» zu vergleichen? Darauf ist ruhig
zu antworten: Die Geschichtschreibung hat keine Sympathien und Antipathien.
Sie weiß zwar, daß nichts genau so wieder geschieht, was einmal geschehn, aber
Aehnlichkeit findet sie viel, wie sehr auch die Erscheinungen dem Grade und der
Modalität nach verschieden; überall bemerkt sie die Einheit in der Mannigfaltig¬
keit, und nur, indem sie darauf hinweist, vermag sie fruchtbringend zu lehren. —.
Recensent scheint wirklich gar nicht zu ahnen, was menschlich ewig in der Welt¬
geschichte ist, noch, daß gewisse sittliche Gruudforderuugeu für alle Zeiten und
Verhältnisse gelten. Er sagt z. B.: daß solche Forderungen (der Lehrfreiheit
u. s. w.) den römischen Despoten gegenüber lächerlich erscheinen, fühle ein Je¬
der^) Ueberhaupt liebt er es sehr, sich auf das Gefühl zu berufen und mit
demselben zu beweisen. Denn triviale Phrasen, als: „wo es Sclaven gibt, gibt
es auch Despoten" können unmöglich sür Beweise gelten. — Die Anschauung
Schmidt's, daß noch viel Herrliches im Heidenthum gewesen, das durch den
Despotismus in seiner Blüthe unterdrückt worden, ist ihm entsetzlich. Wir
bekennen uns zu der nämlichen Ansicht. Wir meinen, die Keime des Christen¬
thums , das auch ein Zeichen jener Zeit war, ja das größte und stärkste, hätten
sich vielleicht frischer und lebensvoller entfaltet, als unter den obwaltenden Um¬
ständen möglich war. — Wenn Recensent ferner aufstellt: nur durch die Solda¬
tenmacht habe der Despotismus sich erhalten, nicht durch die orthodoxe Religion
- so hat das in der That einen Schein für sich. Aber man könnte doch auch
erwidern: Wie aber? wenn das aufgeklärte Volk sich aufgerafft hätte, wenn pa¬
triotische Begeisterung die Bürger wieder zu Soldaten und die Soldaten wieder
zu Bürgern gemacht hätte?! —

, Nun einiges Einzelne. — Zuvörderst (um dem Recensenten zu zeigen, daß wir
gerecht) merken wir an, daß auch uns der Verfasser in der Erklärung jener Stelle
aus ^edle ^pp. (28. 16.) zu irren scheint und daß wir den Paulus nicht blos
nnter polizeilicher Aussicht, sonderU für angeschmiedet halten. So kommt es uns
vor, wir weisen indeß die Möglichkeit, unsrerseits geirrt zu haben, nicht ab. —
S. 421 citirt aber Schmidt eine Stelle aus Suetous Buch «lo cliuis illvtoribii«,
damit zu bewahrheiten, daß man in den Schulen häufig sehr rationalistisch ge¬
dacht. „Ksepe talauf unen tira-u-e, uut lüstorün clomvre (quoll ^crus F-vel-,'
et et z-«r«ssx-v«s Kraeci von-me)." — Diese letzte Parenthese hat
Schmidt weggelassen. Das legt ihm nun der Recensent, kleinlich genug, als eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/170>, abgerufen am 26.06.2024.