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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Beweise dafür anführen, daß die Böhmen zuerst mit separatistischen Ideen vor
den Thron traten, während Herr Palacky die Einigkeit Oestreichs erhalten wissen
will. -- Mit Befremden wird man bemerken, daß Herr Palacky an einer Theorie
festhält, deren UnHaltbarkeit sich in unsern Tagen auf das schlagendste bewiesen;
wir meinen nämlich jene, welche zwischen zwei Staaten einen dritten schieben zu
müssen glaubt, oder wenn uicht einen selbstständigen Staat, so doch eine Bevöl¬
kerung, deren Sympathien sür einige Zeit noch unentschieden sind, um den ersten
zu schützen. Besonders die Deutschen haben die schmerzliche Erfahrung gemacht,
wie theuer diese Befestigungskunst zu stehen kommt und sie sind gewiß ernstlich
entschlossen, dieselbe ein für alle Mal aufzugeben. Diese Vormauern haben sicher¬
lich auf einer Seite mehr Halt als auf der andern und müssen daher auf diese
Seite stürzen. Auf welche Seite aber Oestreich als Vormauer stürzen wird, wenn
die slavische Partei die herrschende wird, ist leicht abzusehen; gewiß uicht auf die
russische, sondern auf die deutsche; und wir zweifeln, daß sich die Deutschen dar¬
unterstellen werden. Die Völker ziehen es heutzutage vor, mit ihren mächtigen
Nachbarn in unmittelbare Beziehung zu treten. Selbst die Deutschen denken
größer von den Russen als die nichtrnssischen Slaven, und fürchten bei einer
Berührung mit ihnen für ihre Civilisation sehr wenig.

Herr Palacky sagt, daß man den östreichischen Staat, ungefähr so wie er
jetzt ist, im Interesse der Civilisation schaffen müßte, falls er noch nicht vorhanden
wäre. Glaubt Herr Palacky dies in der That? Glaubt er, daß dies überhaupt
möglich ist? Leichtsinniger als er, werfen wir alle Bedenklichkeiten in Bezug auf
unsere Competenz hinweg und erklären, daß sich sämmtliche Völker Oestreichs
nicht berufen fühlen, so lange zwischen der Barbarei und der Civilisation als
Mauer zu stehen, bis sie von der einen oder der andern hinlänglich inficirt
sind. Sie werden darüber ihre Meinung äußern, und zwar ganz unverhohlen,
ohne bei ihrer Trennung von einander dem Nachbar mehr zu versprechen, als sie
zu halten Willens sind.

Unverträglich mit der Einigkeit Oestreichs, welche Herr Palacky verlangt, erscheint
seine entschiedene Weigerung, der Einladung des Fünfziger-Ausschusses zu folgen,
wo er Böhmens Sympathien und Pläne aus das deutlichste zur Wissenschaft Jener
hätte bringen können, die sich darüber im Irrthum befinden. Und doch hat die Regie¬
rung, für deren Stärke er ängstlich besorgt ist, die Wahlen für das deutsche Parlament
nach dem Ausspruche des Ausschusses angeordnet. Er hielt sich nicht für competent,
an den Berathungen deutscher Männer Theil zu nehmen, weil er ein Slave ist und
Böhmen seit jeher mit Deutschland in gar keinem Z usammenhang e
war; aber er steht keinen Augenblick an, jede die Integrität Oestreichs verletzende
Maßregel des Parlamentes oder der Versammlung, welche das östreichische Volk
mit 190 Deputirten beschicken wird, im Voraus zurückzuweisen. Wird Herr Pa¬
lacky gegen die östreichischen Bundestagsgesandter und die auf Befehl der östrei-


Beweise dafür anführen, daß die Böhmen zuerst mit separatistischen Ideen vor
den Thron traten, während Herr Palacky die Einigkeit Oestreichs erhalten wissen
will. — Mit Befremden wird man bemerken, daß Herr Palacky an einer Theorie
festhält, deren UnHaltbarkeit sich in unsern Tagen auf das schlagendste bewiesen;
wir meinen nämlich jene, welche zwischen zwei Staaten einen dritten schieben zu
müssen glaubt, oder wenn uicht einen selbstständigen Staat, so doch eine Bevöl¬
kerung, deren Sympathien sür einige Zeit noch unentschieden sind, um den ersten
zu schützen. Besonders die Deutschen haben die schmerzliche Erfahrung gemacht,
wie theuer diese Befestigungskunst zu stehen kommt und sie sind gewiß ernstlich
entschlossen, dieselbe ein für alle Mal aufzugeben. Diese Vormauern haben sicher¬
lich auf einer Seite mehr Halt als auf der andern und müssen daher auf diese
Seite stürzen. Auf welche Seite aber Oestreich als Vormauer stürzen wird, wenn
die slavische Partei die herrschende wird, ist leicht abzusehen; gewiß uicht auf die
russische, sondern auf die deutsche; und wir zweifeln, daß sich die Deutschen dar¬
unterstellen werden. Die Völker ziehen es heutzutage vor, mit ihren mächtigen
Nachbarn in unmittelbare Beziehung zu treten. Selbst die Deutschen denken
größer von den Russen als die nichtrnssischen Slaven, und fürchten bei einer
Berührung mit ihnen für ihre Civilisation sehr wenig.

Herr Palacky sagt, daß man den östreichischen Staat, ungefähr so wie er
jetzt ist, im Interesse der Civilisation schaffen müßte, falls er noch nicht vorhanden
wäre. Glaubt Herr Palacky dies in der That? Glaubt er, daß dies überhaupt
möglich ist? Leichtsinniger als er, werfen wir alle Bedenklichkeiten in Bezug auf
unsere Competenz hinweg und erklären, daß sich sämmtliche Völker Oestreichs
nicht berufen fühlen, so lange zwischen der Barbarei und der Civilisation als
Mauer zu stehen, bis sie von der einen oder der andern hinlänglich inficirt
sind. Sie werden darüber ihre Meinung äußern, und zwar ganz unverhohlen,
ohne bei ihrer Trennung von einander dem Nachbar mehr zu versprechen, als sie
zu halten Willens sind.

Unverträglich mit der Einigkeit Oestreichs, welche Herr Palacky verlangt, erscheint
seine entschiedene Weigerung, der Einladung des Fünfziger-Ausschusses zu folgen,
wo er Böhmens Sympathien und Pläne aus das deutlichste zur Wissenschaft Jener
hätte bringen können, die sich darüber im Irrthum befinden. Und doch hat die Regie¬
rung, für deren Stärke er ängstlich besorgt ist, die Wahlen für das deutsche Parlament
nach dem Ausspruche des Ausschusses angeordnet. Er hielt sich nicht für competent,
an den Berathungen deutscher Männer Theil zu nehmen, weil er ein Slave ist und
Böhmen seit jeher mit Deutschland in gar keinem Z usammenhang e
war; aber er steht keinen Augenblick an, jede die Integrität Oestreichs verletzende
Maßregel des Parlamentes oder der Versammlung, welche das östreichische Volk
mit 190 Deputirten beschicken wird, im Voraus zurückzuweisen. Wird Herr Pa¬
lacky gegen die östreichischen Bundestagsgesandter und die auf Befehl der östrei-


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[0147] Beweise dafür anführen, daß die Böhmen zuerst mit separatistischen Ideen vor den Thron traten, während Herr Palacky die Einigkeit Oestreichs erhalten wissen will. — Mit Befremden wird man bemerken, daß Herr Palacky an einer Theorie festhält, deren UnHaltbarkeit sich in unsern Tagen auf das schlagendste bewiesen; wir meinen nämlich jene, welche zwischen zwei Staaten einen dritten schieben zu müssen glaubt, oder wenn uicht einen selbstständigen Staat, so doch eine Bevöl¬ kerung, deren Sympathien sür einige Zeit noch unentschieden sind, um den ersten zu schützen. Besonders die Deutschen haben die schmerzliche Erfahrung gemacht, wie theuer diese Befestigungskunst zu stehen kommt und sie sind gewiß ernstlich entschlossen, dieselbe ein für alle Mal aufzugeben. Diese Vormauern haben sicher¬ lich auf einer Seite mehr Halt als auf der andern und müssen daher auf diese Seite stürzen. Auf welche Seite aber Oestreich als Vormauer stürzen wird, wenn die slavische Partei die herrschende wird, ist leicht abzusehen; gewiß uicht auf die russische, sondern auf die deutsche; und wir zweifeln, daß sich die Deutschen dar¬ unterstellen werden. Die Völker ziehen es heutzutage vor, mit ihren mächtigen Nachbarn in unmittelbare Beziehung zu treten. Selbst die Deutschen denken größer von den Russen als die nichtrnssischen Slaven, und fürchten bei einer Berührung mit ihnen für ihre Civilisation sehr wenig. Herr Palacky sagt, daß man den östreichischen Staat, ungefähr so wie er jetzt ist, im Interesse der Civilisation schaffen müßte, falls er noch nicht vorhanden wäre. Glaubt Herr Palacky dies in der That? Glaubt er, daß dies überhaupt möglich ist? Leichtsinniger als er, werfen wir alle Bedenklichkeiten in Bezug auf unsere Competenz hinweg und erklären, daß sich sämmtliche Völker Oestreichs nicht berufen fühlen, so lange zwischen der Barbarei und der Civilisation als Mauer zu stehen, bis sie von der einen oder der andern hinlänglich inficirt sind. Sie werden darüber ihre Meinung äußern, und zwar ganz unverhohlen, ohne bei ihrer Trennung von einander dem Nachbar mehr zu versprechen, als sie zu halten Willens sind. Unverträglich mit der Einigkeit Oestreichs, welche Herr Palacky verlangt, erscheint seine entschiedene Weigerung, der Einladung des Fünfziger-Ausschusses zu folgen, wo er Böhmens Sympathien und Pläne aus das deutlichste zur Wissenschaft Jener hätte bringen können, die sich darüber im Irrthum befinden. Und doch hat die Regie¬ rung, für deren Stärke er ängstlich besorgt ist, die Wahlen für das deutsche Parlament nach dem Ausspruche des Ausschusses angeordnet. Er hielt sich nicht für competent, an den Berathungen deutscher Männer Theil zu nehmen, weil er ein Slave ist und Böhmen seit jeher mit Deutschland in gar keinem Z usammenhang e war; aber er steht keinen Augenblick an, jede die Integrität Oestreichs verletzende Maßregel des Parlamentes oder der Versammlung, welche das östreichische Volk mit 190 Deputirten beschicken wird, im Voraus zurückzuweisen. Wird Herr Pa¬ lacky gegen die östreichischen Bundestagsgesandter und die auf Befehl der östrei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/147>, abgerufen am 29.06.2024.