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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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sogar außerordentlich für ihre Sicherheit und Stärke, welcher Vorzug in seiner
Auseinandersetzung hinreichend deutlich hervortritt. Für's Erste bewahrt Oestreich
seine jetzigen Grenzen*); sind diese hinlänglich gesichert, so wird eS ein slavisches
Kaiserreich. Aber kein mit Rußland verbundenes, Gott bewahre! sondern ein
russenseindliches, als Vormauer den Deutschen gegen die Russen dienend. Und
da die Polen das Land zwischen der Ostsee und dem schwarzen Meer beanspruchen,
so bleibt den Czechen blos das Protectorat innerhalb der heutigen Grenzen
Oestreichs. Diese Großmuth muß jeden Deutschen, der es redlich meint, bis
in's Innerste rühren. Zwei slavische Stämme wollen alles Böse, was ihnen die
herrschsüchtigen Deutschen zugefügt, mit Gutem vergelten: sie wollen Deutschland
von allen Verlegenheiten befreien, in die es von dem heutigen Oestreich gestürzt
werden kann; sie wollen seine Mauer bilden gegen das gefährliche Russenreich.
Wohl würden bei dieser kostspieligen Befestigung ungefähr sieben und eine halbe
Millionen östreichische Deutsche als Baumaterial verwendet werden, aber berück¬
sichtigt man die unerschütterliche Sicherheit, die unstörbare Ruhe, welche das
mächtige Deutschland sodann genießen könnte, so darf man so kleine Verluste ge¬
wiß nicht in Betracht ziehen. Dieser von den Czechen zu Prag erfundene Plan
zur Pacificirung des gährenden Europa ist wirklich das einzige Beispiel einer
egoismuslosen Völkerpolitik, und aus diesem Grunde zweifeln wir nicht, daß die
übrigen östreichischen Provinzen: die Erzherzogtümer, Tirol, Steiermark, Kärn-
then, Krain, Jstrien, die ungarischen Länder, Siebenbürgen, Mähren und Schle¬
sien sich im Dienste Deutschlands und der Civilisation mit Freuden opfern werden.
Daß sich Mähren und Schlesien für jetzt noch die Ehre der Jncorporirung ver¬
beten haben, beweist höchstens, daß die czechischen Politiker ihre Gedanken nicht
deutlich genug aussprachen. Wir müßten es im Interesse der Civilisation und
der Achtung, welche wir den Nationalitäten schuldig siud, auf das Strengste ta¬
deln, wenn die östreichischen Deutschen und die Magyaren so wenig Aufopferungs¬
fähigkeit besäßen, daß sie diesem Werke zu Gunsten Deutschlands Schwierigkeiten
bereiten wollten.

Herr Palacky, welcher es für unerlaubt hielt, sich mit deutschen Männern
über Verhältnisse zu besprechen, in die seine Stammgenossen treten oder nicht
treten wollen, hat in seinem Absagebrief an den Fünfziger-Ausschuß mehrere An¬
sichren veröffentlicht, die wir benützen müssen, wollen wir uns die Stellung klar
machen, die Oestreich seiner Natur uach einzunehmen hat. Jedoch verwahren wir
uns ausdrücklich dagegen, daß wir Herrn Palacky das Projekt der Gründung
eines großen Czechenreiches vindiciren; wir wissen, daß seine Ansichten mit den
Hoffnungen seiner Stammgenossen nicht ganz übereinstimmen, und können als



*) Mit Italien mag die jetzige Regierung, die für eine deutsche gehalten wird, in's
Reine kommen.

sogar außerordentlich für ihre Sicherheit und Stärke, welcher Vorzug in seiner
Auseinandersetzung hinreichend deutlich hervortritt. Für's Erste bewahrt Oestreich
seine jetzigen Grenzen*); sind diese hinlänglich gesichert, so wird eS ein slavisches
Kaiserreich. Aber kein mit Rußland verbundenes, Gott bewahre! sondern ein
russenseindliches, als Vormauer den Deutschen gegen die Russen dienend. Und
da die Polen das Land zwischen der Ostsee und dem schwarzen Meer beanspruchen,
so bleibt den Czechen blos das Protectorat innerhalb der heutigen Grenzen
Oestreichs. Diese Großmuth muß jeden Deutschen, der es redlich meint, bis
in's Innerste rühren. Zwei slavische Stämme wollen alles Böse, was ihnen die
herrschsüchtigen Deutschen zugefügt, mit Gutem vergelten: sie wollen Deutschland
von allen Verlegenheiten befreien, in die es von dem heutigen Oestreich gestürzt
werden kann; sie wollen seine Mauer bilden gegen das gefährliche Russenreich.
Wohl würden bei dieser kostspieligen Befestigung ungefähr sieben und eine halbe
Millionen östreichische Deutsche als Baumaterial verwendet werden, aber berück¬
sichtigt man die unerschütterliche Sicherheit, die unstörbare Ruhe, welche das
mächtige Deutschland sodann genießen könnte, so darf man so kleine Verluste ge¬
wiß nicht in Betracht ziehen. Dieser von den Czechen zu Prag erfundene Plan
zur Pacificirung des gährenden Europa ist wirklich das einzige Beispiel einer
egoismuslosen Völkerpolitik, und aus diesem Grunde zweifeln wir nicht, daß die
übrigen östreichischen Provinzen: die Erzherzogtümer, Tirol, Steiermark, Kärn-
then, Krain, Jstrien, die ungarischen Länder, Siebenbürgen, Mähren und Schle¬
sien sich im Dienste Deutschlands und der Civilisation mit Freuden opfern werden.
Daß sich Mähren und Schlesien für jetzt noch die Ehre der Jncorporirung ver¬
beten haben, beweist höchstens, daß die czechischen Politiker ihre Gedanken nicht
deutlich genug aussprachen. Wir müßten es im Interesse der Civilisation und
der Achtung, welche wir den Nationalitäten schuldig siud, auf das Strengste ta¬
deln, wenn die östreichischen Deutschen und die Magyaren so wenig Aufopferungs¬
fähigkeit besäßen, daß sie diesem Werke zu Gunsten Deutschlands Schwierigkeiten
bereiten wollten.

Herr Palacky, welcher es für unerlaubt hielt, sich mit deutschen Männern
über Verhältnisse zu besprechen, in die seine Stammgenossen treten oder nicht
treten wollen, hat in seinem Absagebrief an den Fünfziger-Ausschuß mehrere An¬
sichren veröffentlicht, die wir benützen müssen, wollen wir uns die Stellung klar
machen, die Oestreich seiner Natur uach einzunehmen hat. Jedoch verwahren wir
uns ausdrücklich dagegen, daß wir Herrn Palacky das Projekt der Gründung
eines großen Czechenreiches vindiciren; wir wissen, daß seine Ansichten mit den
Hoffnungen seiner Stammgenossen nicht ganz übereinstimmen, und können als



*) Mit Italien mag die jetzige Regierung, die für eine deutsche gehalten wird, in's
Reine kommen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/146>, abgerufen am 29.06.2024.