Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

chischeil Regierung gewählten Deputaten, falls dieselben etwas beschließen, was
in der That die Integrität Oestreichs gefährdet, in die Schranken treten? --
Wir glauben, er wird es thun; aber nicht im Interesse der Civilisation, nicht
im Interesse der Deutschen, der Magyaren und jener Slaven, die da glauben,
es sei eher eine Befreiung vom Westen her als vom Osten zu hoffen, und die sich
überzeugt haben, daß die Deutschen doch keine gar zu eroberungssüchtige Nation
sind: sondern er wird protestiren im Interesse, auf den Wunsch der böhmischen
Czechen. Wer wird Herrn Palacky einen Vorwurf daraus machen, daß er jeden
Beschluß eiuer fremden Nation, welcher die theuersten Güter seiner Stammge¬
nossen angreift, welcher das Interesse seiner Nationalität beleidigt, mit Entrüstung
zurückweist? Gewiß Niemand. Wer aber hat ihn bevollmächtigten Namen der ü bri¬
gen Nationalitäten Oestreichs gegen selbstmörderische Reformen zu Protestiren?
Da Herr Palacky mit den Deutschen nicht einmal berathen wollte, so wird er
den östreichischen Deutschen und den Staaten, die mit Deutschland eins werden
wollen, wohl kaum das Vergnügen des Selbstmordes verwehren können, denn er
hat es versäumt, sie über ihren wahren Vortheil offen und gründlich aufzuklären.
Fürchten sich die östreichischen Slaven in der That vor den Russen, wie Herr
Palacky sagt, so hätte er ihnen rathen sollen sich an die Deutschen anzuschließen,
die bei weitem keine so große Angst vor dem Czarenreiche haben, als man in
slavischen Ländern erzählt. Die Deutschen werden sehr gerne die Vertheidigung
ihrer Grenzen selbst übernehmen und sie danken Herrn Palacky für das Anerbieten,
wodurch er ihnen in Aussicht stellt, mit dem slavischen Oestreich zu Gunsten ihrer.
Freiheit und Civilisation in intime Verbindung zu treten. Es wäre ihnen weit
erwünschter gewesen, von Herrn Palacky zu hören, durch welche Mittel ein
slavisches Oestreich zusammengehalten werden soll, nachdem ein deutsches so wenig
Hoffnung hat, seine Stellung zu behaupten. Wir geben zu, daß Metternich, das
heißt, das alte Oestreich fallen mußte, weil er uicht blos ein Feind der Freiheit,
sondern auch "ein Feind der slavischen Nationalität" war; wer aber wird den Deut¬
schen Bürgschaft leisten, daß sie im neuen slavischen Oestreich (nach dem Plane
der czechischen Partei umgestalteten) einen Freund der deutschen Nation finden?

Es ist schwer einzusehen, wie das deutsche Volk an Kraft und Sicherheit ge¬
winnt, wenn es ein Fünftheil seiner Brüder unter das Protectorat eines fremden
Stammes stellt, welcher, wie die czechische Partei selbst sagt, für Deutschland
niemals Sympathien empfand und überhaupt mit ihm in keinem freundlichen
Zusammenhange war. Besorgen die czechischen Liberalen an ihrer Nationalität und
Freiheit durch eine Verbindung mit Deutschland Schaden zu erleiden, so sollten
sie wenigstens so gerecht sein, die Zweifel zu erwägen , von denen die deutschen
Oestreicher befangen werden, wenn man ihnen den Vorschlag macht, sich von
ihren Brüdern zu trennen und sich in den Schutz der Slaven zu begeben. Wir
halten die Oestreicher für sehr großmüthig und tapfer, wir glauben jedoch, sie


chischeil Regierung gewählten Deputaten, falls dieselben etwas beschließen, was
in der That die Integrität Oestreichs gefährdet, in die Schranken treten? —
Wir glauben, er wird es thun; aber nicht im Interesse der Civilisation, nicht
im Interesse der Deutschen, der Magyaren und jener Slaven, die da glauben,
es sei eher eine Befreiung vom Westen her als vom Osten zu hoffen, und die sich
überzeugt haben, daß die Deutschen doch keine gar zu eroberungssüchtige Nation
sind: sondern er wird protestiren im Interesse, auf den Wunsch der böhmischen
Czechen. Wer wird Herrn Palacky einen Vorwurf daraus machen, daß er jeden
Beschluß eiuer fremden Nation, welcher die theuersten Güter seiner Stammge¬
nossen angreift, welcher das Interesse seiner Nationalität beleidigt, mit Entrüstung
zurückweist? Gewiß Niemand. Wer aber hat ihn bevollmächtigten Namen der ü bri¬
gen Nationalitäten Oestreichs gegen selbstmörderische Reformen zu Protestiren?
Da Herr Palacky mit den Deutschen nicht einmal berathen wollte, so wird er
den östreichischen Deutschen und den Staaten, die mit Deutschland eins werden
wollen, wohl kaum das Vergnügen des Selbstmordes verwehren können, denn er
hat es versäumt, sie über ihren wahren Vortheil offen und gründlich aufzuklären.
Fürchten sich die östreichischen Slaven in der That vor den Russen, wie Herr
Palacky sagt, so hätte er ihnen rathen sollen sich an die Deutschen anzuschließen,
die bei weitem keine so große Angst vor dem Czarenreiche haben, als man in
slavischen Ländern erzählt. Die Deutschen werden sehr gerne die Vertheidigung
ihrer Grenzen selbst übernehmen und sie danken Herrn Palacky für das Anerbieten,
wodurch er ihnen in Aussicht stellt, mit dem slavischen Oestreich zu Gunsten ihrer.
Freiheit und Civilisation in intime Verbindung zu treten. Es wäre ihnen weit
erwünschter gewesen, von Herrn Palacky zu hören, durch welche Mittel ein
slavisches Oestreich zusammengehalten werden soll, nachdem ein deutsches so wenig
Hoffnung hat, seine Stellung zu behaupten. Wir geben zu, daß Metternich, das
heißt, das alte Oestreich fallen mußte, weil er uicht blos ein Feind der Freiheit,
sondern auch „ein Feind der slavischen Nationalität" war; wer aber wird den Deut¬
schen Bürgschaft leisten, daß sie im neuen slavischen Oestreich (nach dem Plane
der czechischen Partei umgestalteten) einen Freund der deutschen Nation finden?

Es ist schwer einzusehen, wie das deutsche Volk an Kraft und Sicherheit ge¬
winnt, wenn es ein Fünftheil seiner Brüder unter das Protectorat eines fremden
Stammes stellt, welcher, wie die czechische Partei selbst sagt, für Deutschland
niemals Sympathien empfand und überhaupt mit ihm in keinem freundlichen
Zusammenhange war. Besorgen die czechischen Liberalen an ihrer Nationalität und
Freiheit durch eine Verbindung mit Deutschland Schaden zu erleiden, so sollten
sie wenigstens so gerecht sein, die Zweifel zu erwägen , von denen die deutschen
Oestreicher befangen werden, wenn man ihnen den Vorschlag macht, sich von
ihren Brüdern zu trennen und sich in den Schutz der Slaven zu begeben. Wir
halten die Oestreicher für sehr großmüthig und tapfer, wir glauben jedoch, sie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276354"/>
          <p xml:id="ID_499" prev="#ID_498"> chischeil Regierung gewählten Deputaten, falls dieselben etwas beschließen, was<lb/>
in der That die Integrität Oestreichs gefährdet, in die Schranken treten? &#x2014;<lb/>
Wir glauben, er wird es thun; aber nicht im Interesse der Civilisation, nicht<lb/>
im Interesse der Deutschen, der Magyaren und jener Slaven, die da glauben,<lb/>
es sei eher eine Befreiung vom Westen her als vom Osten zu hoffen, und die sich<lb/>
überzeugt haben, daß die Deutschen doch keine gar zu eroberungssüchtige Nation<lb/>
sind: sondern er wird protestiren im Interesse, auf den Wunsch der böhmischen<lb/>
Czechen. Wer wird Herrn Palacky einen Vorwurf daraus machen, daß er jeden<lb/>
Beschluß eiuer fremden Nation, welcher die theuersten Güter seiner Stammge¬<lb/>
nossen angreift, welcher das Interesse seiner Nationalität beleidigt, mit Entrüstung<lb/>
zurückweist? Gewiß Niemand. Wer aber hat ihn bevollmächtigten Namen der ü bri¬<lb/>
gen Nationalitäten Oestreichs gegen selbstmörderische Reformen zu Protestiren?<lb/>
Da Herr Palacky mit den Deutschen nicht einmal berathen wollte, so wird er<lb/>
den östreichischen Deutschen und den Staaten, die mit Deutschland eins werden<lb/>
wollen, wohl kaum das Vergnügen des Selbstmordes verwehren können, denn er<lb/>
hat es versäumt, sie über ihren wahren Vortheil offen und gründlich aufzuklären.<lb/>
Fürchten sich die östreichischen Slaven in der That vor den Russen, wie Herr<lb/>
Palacky sagt, so hätte er ihnen rathen sollen sich an die Deutschen anzuschließen,<lb/>
die bei weitem keine so große Angst vor dem Czarenreiche haben, als man in<lb/>
slavischen Ländern erzählt. Die Deutschen werden sehr gerne die Vertheidigung<lb/>
ihrer Grenzen selbst übernehmen und sie danken Herrn Palacky für das Anerbieten,<lb/>
wodurch er ihnen in Aussicht stellt, mit dem slavischen Oestreich zu Gunsten ihrer.<lb/>
Freiheit und Civilisation in intime Verbindung zu treten. Es wäre ihnen weit<lb/>
erwünschter gewesen, von Herrn Palacky zu hören, durch welche Mittel ein<lb/>
slavisches Oestreich zusammengehalten werden soll, nachdem ein deutsches so wenig<lb/>
Hoffnung hat, seine Stellung zu behaupten. Wir geben zu, daß Metternich, das<lb/>
heißt, das alte Oestreich fallen mußte, weil er uicht blos ein Feind der Freiheit,<lb/>
sondern auch &#x201E;ein Feind der slavischen Nationalität" war; wer aber wird den Deut¬<lb/>
schen Bürgschaft leisten, daß sie im neuen slavischen Oestreich (nach dem Plane<lb/>
der czechischen Partei umgestalteten) einen Freund der deutschen Nation finden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500" next="#ID_501"> Es ist schwer einzusehen, wie das deutsche Volk an Kraft und Sicherheit ge¬<lb/>
winnt, wenn es ein Fünftheil seiner Brüder unter das Protectorat eines fremden<lb/>
Stammes stellt, welcher, wie die czechische Partei selbst sagt, für Deutschland<lb/>
niemals Sympathien empfand und überhaupt mit ihm in keinem freundlichen<lb/>
Zusammenhange war. Besorgen die czechischen Liberalen an ihrer Nationalität und<lb/>
Freiheit durch eine Verbindung mit Deutschland Schaden zu erleiden, so sollten<lb/>
sie wenigstens so gerecht sein, die Zweifel zu erwägen , von denen die deutschen<lb/>
Oestreicher befangen werden, wenn man ihnen den Vorschlag macht, sich von<lb/>
ihren Brüdern zu trennen und sich in den Schutz der Slaven zu begeben. Wir<lb/>
halten die Oestreicher für sehr großmüthig und tapfer, wir glauben jedoch, sie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] chischeil Regierung gewählten Deputaten, falls dieselben etwas beschließen, was in der That die Integrität Oestreichs gefährdet, in die Schranken treten? — Wir glauben, er wird es thun; aber nicht im Interesse der Civilisation, nicht im Interesse der Deutschen, der Magyaren und jener Slaven, die da glauben, es sei eher eine Befreiung vom Westen her als vom Osten zu hoffen, und die sich überzeugt haben, daß die Deutschen doch keine gar zu eroberungssüchtige Nation sind: sondern er wird protestiren im Interesse, auf den Wunsch der böhmischen Czechen. Wer wird Herrn Palacky einen Vorwurf daraus machen, daß er jeden Beschluß eiuer fremden Nation, welcher die theuersten Güter seiner Stammge¬ nossen angreift, welcher das Interesse seiner Nationalität beleidigt, mit Entrüstung zurückweist? Gewiß Niemand. Wer aber hat ihn bevollmächtigten Namen der ü bri¬ gen Nationalitäten Oestreichs gegen selbstmörderische Reformen zu Protestiren? Da Herr Palacky mit den Deutschen nicht einmal berathen wollte, so wird er den östreichischen Deutschen und den Staaten, die mit Deutschland eins werden wollen, wohl kaum das Vergnügen des Selbstmordes verwehren können, denn er hat es versäumt, sie über ihren wahren Vortheil offen und gründlich aufzuklären. Fürchten sich die östreichischen Slaven in der That vor den Russen, wie Herr Palacky sagt, so hätte er ihnen rathen sollen sich an die Deutschen anzuschließen, die bei weitem keine so große Angst vor dem Czarenreiche haben, als man in slavischen Ländern erzählt. Die Deutschen werden sehr gerne die Vertheidigung ihrer Grenzen selbst übernehmen und sie danken Herrn Palacky für das Anerbieten, wodurch er ihnen in Aussicht stellt, mit dem slavischen Oestreich zu Gunsten ihrer. Freiheit und Civilisation in intime Verbindung zu treten. Es wäre ihnen weit erwünschter gewesen, von Herrn Palacky zu hören, durch welche Mittel ein slavisches Oestreich zusammengehalten werden soll, nachdem ein deutsches so wenig Hoffnung hat, seine Stellung zu behaupten. Wir geben zu, daß Metternich, das heißt, das alte Oestreich fallen mußte, weil er uicht blos ein Feind der Freiheit, sondern auch „ein Feind der slavischen Nationalität" war; wer aber wird den Deut¬ schen Bürgschaft leisten, daß sie im neuen slavischen Oestreich (nach dem Plane der czechischen Partei umgestalteten) einen Freund der deutschen Nation finden? Es ist schwer einzusehen, wie das deutsche Volk an Kraft und Sicherheit ge¬ winnt, wenn es ein Fünftheil seiner Brüder unter das Protectorat eines fremden Stammes stellt, welcher, wie die czechische Partei selbst sagt, für Deutschland niemals Sympathien empfand und überhaupt mit ihm in keinem freundlichen Zusammenhange war. Besorgen die czechischen Liberalen an ihrer Nationalität und Freiheit durch eine Verbindung mit Deutschland Schaden zu erleiden, so sollten sie wenigstens so gerecht sein, die Zweifel zu erwägen , von denen die deutschen Oestreicher befangen werden, wenn man ihnen den Vorschlag macht, sich von ihren Brüdern zu trennen und sich in den Schutz der Slaven zu begeben. Wir halten die Oestreicher für sehr großmüthig und tapfer, wir glauben jedoch, sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/148>, abgerufen am 29.06.2024.