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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Armee des Grafen Radetzky hat sich mit starkem Verluste vor den Mailändern
zurückgezogen; Venedig wurde ohne Schwertstreich verlasse" und das Aufstellen
eines neuen Armeekorps an der Grenze hat die Sardinier nud Tvskaner in's
Land gerufen. Das östreichische Wappen wird in allen italienischen Städten be¬
schimpft, ohne daß Eine der Regierungen der Halbinsel im Stande gewesen wäre,
diesem Ausbruche der Volkswuth Einhalt zu thun. Die östreichische Regierung
wird sich endlich gezwungen sehen, mit den Italienern Frieden zu schließen. Vor
einigen Monaten hätte sie noch die italische Provinz mit einer freien Verfassung
beschenken und den Hafen von Venedig durch eine östreichische Kriegs- und Handels¬
marine zum Hauptstapelplatze des mittelländischen Handels machen können. Heute
muß sie um einen günstigen Handelstraktat mit der Republik Venedig unterhandeln
und die Kriegskosten, vielleicht noch die rückständigen Verwaltungskosten der Lom¬
bardei werden von den übrigen Provinzen der Monarchie getragen werden. Her¬
vorgerufen ward diese plötzliche Aenderung der Lage durch die Taktlosigkeit des
Ministeriums des Auswärtigen und die nutzlose Bravour des Feldmarschall Radetzky.
Die östreichische Revolution war in ihrem Hanptacte vollbracht und Metternich gestürzt.
Fiquelmont nahm seine Stelle im Ministerium ein. So hatten sich die Zeiten
schnell geändert -- aber die Menschen hatten sich nicht in ihnen geändert. So¬
wohl der neue Minister in Wien als der alte Soldat in Mailand bewiesen
dies thatsächlich durch ihre Maßregeln in der Lombardei., Statt im Geiste der
neuen Zeit zu handeln, ließen sie den Geist des alten nochmals auferstehen, um
eine begeisterte Nation um viele theure Brüder ärmer, und das östreichische Volk
um einen großen Feind reicher zu machen. Das letzte Zucken des absolutistischen
Nerves erregte in Italien das revolutionäre Blut so heftig, daß sich die Fürsten mit
hineinstürzen mußten in die allgemeine Bewegung gegen Oestreich. Der Kampf
gegen die "tyrannischen Deutschen" war für die Italiener ein heiliger geworden
und bedrohte selbst die Throne der weltlichen Herren, welche sich einem solchen
Aufschwünge des Volksgeistes widersetzt hätten. Daher das Anerbieten des Protek¬
torats an den heiligen Vater zu Rom, daher die Bereitwilligkeit des habsburgischen
Großherzogs von Toskana, die Schwäche des Königs von Neapel und der rasche
Kriegszug des Königs von Sardinien. Glaube mau ja nicht an irgend welche
weltliche Gedanken im Kopfe des ^IKvrto I-i, Lp-ulu. Er ist zu lauge Carbonari
und Jesuit gewesen, um nicht in jedem Augenblicke die ganze innere Bedeutung
der Verhältnisse zu begreifen. Die stets gewandte zweideutige Politik der sar¬
dinischen Könige hat sich überlebt. Savoyen soll sich bereits selbstständig erklärt
haben. Dies wäre der letzte Wink für die italienischen Fürsten, daß ihre Zeit um
und der letzte Akt der Tyrannenkomödie ausgespielt ist.

Die Oestreicher mögen nun sehen, daß sie so schnell wie möglich die Schmach
ihrer Armee in Italien durch einen ehrenvollen Frieden tilgen und daß ihnen ein
Fürst Windischgräz mit der Nordarmee keine ähnliche Bläue vor den Augen En-


Armee des Grafen Radetzky hat sich mit starkem Verluste vor den Mailändern
zurückgezogen; Venedig wurde ohne Schwertstreich verlasse» und das Aufstellen
eines neuen Armeekorps an der Grenze hat die Sardinier nud Tvskaner in's
Land gerufen. Das östreichische Wappen wird in allen italienischen Städten be¬
schimpft, ohne daß Eine der Regierungen der Halbinsel im Stande gewesen wäre,
diesem Ausbruche der Volkswuth Einhalt zu thun. Die östreichische Regierung
wird sich endlich gezwungen sehen, mit den Italienern Frieden zu schließen. Vor
einigen Monaten hätte sie noch die italische Provinz mit einer freien Verfassung
beschenken und den Hafen von Venedig durch eine östreichische Kriegs- und Handels¬
marine zum Hauptstapelplatze des mittelländischen Handels machen können. Heute
muß sie um einen günstigen Handelstraktat mit der Republik Venedig unterhandeln
und die Kriegskosten, vielleicht noch die rückständigen Verwaltungskosten der Lom¬
bardei werden von den übrigen Provinzen der Monarchie getragen werden. Her¬
vorgerufen ward diese plötzliche Aenderung der Lage durch die Taktlosigkeit des
Ministeriums des Auswärtigen und die nutzlose Bravour des Feldmarschall Radetzky.
Die östreichische Revolution war in ihrem Hanptacte vollbracht und Metternich gestürzt.
Fiquelmont nahm seine Stelle im Ministerium ein. So hatten sich die Zeiten
schnell geändert — aber die Menschen hatten sich nicht in ihnen geändert. So¬
wohl der neue Minister in Wien als der alte Soldat in Mailand bewiesen
dies thatsächlich durch ihre Maßregeln in der Lombardei., Statt im Geiste der
neuen Zeit zu handeln, ließen sie den Geist des alten nochmals auferstehen, um
eine begeisterte Nation um viele theure Brüder ärmer, und das östreichische Volk
um einen großen Feind reicher zu machen. Das letzte Zucken des absolutistischen
Nerves erregte in Italien das revolutionäre Blut so heftig, daß sich die Fürsten mit
hineinstürzen mußten in die allgemeine Bewegung gegen Oestreich. Der Kampf
gegen die „tyrannischen Deutschen" war für die Italiener ein heiliger geworden
und bedrohte selbst die Throne der weltlichen Herren, welche sich einem solchen
Aufschwünge des Volksgeistes widersetzt hätten. Daher das Anerbieten des Protek¬
torats an den heiligen Vater zu Rom, daher die Bereitwilligkeit des habsburgischen
Großherzogs von Toskana, die Schwäche des Königs von Neapel und der rasche
Kriegszug des Königs von Sardinien. Glaube mau ja nicht an irgend welche
weltliche Gedanken im Kopfe des ^IKvrto I-i, Lp-ulu. Er ist zu lauge Carbonari
und Jesuit gewesen, um nicht in jedem Augenblicke die ganze innere Bedeutung
der Verhältnisse zu begreifen. Die stets gewandte zweideutige Politik der sar¬
dinischen Könige hat sich überlebt. Savoyen soll sich bereits selbstständig erklärt
haben. Dies wäre der letzte Wink für die italienischen Fürsten, daß ihre Zeit um
und der letzte Akt der Tyrannenkomödie ausgespielt ist.

Die Oestreicher mögen nun sehen, daß sie so schnell wie möglich die Schmach
ihrer Armee in Italien durch einen ehrenvollen Frieden tilgen und daß ihnen ein
Fürst Windischgräz mit der Nordarmee keine ähnliche Bläue vor den Augen En-


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[0104] Armee des Grafen Radetzky hat sich mit starkem Verluste vor den Mailändern zurückgezogen; Venedig wurde ohne Schwertstreich verlasse» und das Aufstellen eines neuen Armeekorps an der Grenze hat die Sardinier nud Tvskaner in's Land gerufen. Das östreichische Wappen wird in allen italienischen Städten be¬ schimpft, ohne daß Eine der Regierungen der Halbinsel im Stande gewesen wäre, diesem Ausbruche der Volkswuth Einhalt zu thun. Die östreichische Regierung wird sich endlich gezwungen sehen, mit den Italienern Frieden zu schließen. Vor einigen Monaten hätte sie noch die italische Provinz mit einer freien Verfassung beschenken und den Hafen von Venedig durch eine östreichische Kriegs- und Handels¬ marine zum Hauptstapelplatze des mittelländischen Handels machen können. Heute muß sie um einen günstigen Handelstraktat mit der Republik Venedig unterhandeln und die Kriegskosten, vielleicht noch die rückständigen Verwaltungskosten der Lom¬ bardei werden von den übrigen Provinzen der Monarchie getragen werden. Her¬ vorgerufen ward diese plötzliche Aenderung der Lage durch die Taktlosigkeit des Ministeriums des Auswärtigen und die nutzlose Bravour des Feldmarschall Radetzky. Die östreichische Revolution war in ihrem Hanptacte vollbracht und Metternich gestürzt. Fiquelmont nahm seine Stelle im Ministerium ein. So hatten sich die Zeiten schnell geändert — aber die Menschen hatten sich nicht in ihnen geändert. So¬ wohl der neue Minister in Wien als der alte Soldat in Mailand bewiesen dies thatsächlich durch ihre Maßregeln in der Lombardei., Statt im Geiste der neuen Zeit zu handeln, ließen sie den Geist des alten nochmals auferstehen, um eine begeisterte Nation um viele theure Brüder ärmer, und das östreichische Volk um einen großen Feind reicher zu machen. Das letzte Zucken des absolutistischen Nerves erregte in Italien das revolutionäre Blut so heftig, daß sich die Fürsten mit hineinstürzen mußten in die allgemeine Bewegung gegen Oestreich. Der Kampf gegen die „tyrannischen Deutschen" war für die Italiener ein heiliger geworden und bedrohte selbst die Throne der weltlichen Herren, welche sich einem solchen Aufschwünge des Volksgeistes widersetzt hätten. Daher das Anerbieten des Protek¬ torats an den heiligen Vater zu Rom, daher die Bereitwilligkeit des habsburgischen Großherzogs von Toskana, die Schwäche des Königs von Neapel und der rasche Kriegszug des Königs von Sardinien. Glaube mau ja nicht an irgend welche weltliche Gedanken im Kopfe des ^IKvrto I-i, Lp-ulu. Er ist zu lauge Carbonari und Jesuit gewesen, um nicht in jedem Augenblicke die ganze innere Bedeutung der Verhältnisse zu begreifen. Die stets gewandte zweideutige Politik der sar¬ dinischen Könige hat sich überlebt. Savoyen soll sich bereits selbstständig erklärt haben. Dies wäre der letzte Wink für die italienischen Fürsten, daß ihre Zeit um und der letzte Akt der Tyrannenkomödie ausgespielt ist. Die Oestreicher mögen nun sehen, daß sie so schnell wie möglich die Schmach ihrer Armee in Italien durch einen ehrenvollen Frieden tilgen und daß ihnen ein Fürst Windischgräz mit der Nordarmee keine ähnliche Bläue vor den Augen En-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/104>, abgerufen am 28.09.2024.