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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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ropa's bereite, wie Graf Radetzky mit der Südarmee. Der Wiener Freischaarenzug
nach Italien, welchen wir hier beiläufig erwähnen wollen, erhält seine beste Charakteristik
dadurch, daß ihn die Regierung unter das Commando eines Mannes gestellt hat,
der stets die Waffen blindlings für eine absolutistische und jesuitische Partei er¬
griffen hat. Der viele Male verabschiedete und stets wiederkehrende Landsknecht
hat seine Don Quixotefahrten sowohl unter dem pfäffischen Don Carlos, als in
Galizien, so wie beim Sonderbund mit gleichem Glücke unternommen. Wahr¬
scheinlich wird er bald von seinem neuen Feldzuge an der Spitze eines trunkenen
und backhändelsüchtigen Haufens zurückkehren! Die Romantik findet doch überall
ihre treuen Helden.

Für den Anschluß an den deutschen Bund hat das Ministerium bisher kaum
noch mit Worten etwas gethan. Der östreichische Bundestagsgesandte in Frank¬
furt hat blos den Wunsch ausgedrückt, daß die Wahlen (d. h. der Entschluß zur
Wahl) für die einzelnen Staaten bis zum 1. Mai hinausgeschoben werden sollen.
Hat das Ministerium die Wichtigkeit eines deutschen Parlaments und der von
demselben zu fassenden Beschlüsse erkannt, dann können nur Unentschiedenheit,
diplomatische Klugheit oder entschiedene Abneigung gegen die Souveränität einer
dentschen Volkskammer die östreichische Regierung von einem offenen Bündnisse
mit Deutschland abhalten.

Die Grundlagen des Volkswohls, welche das Vorparlament anerkannt hat
und welche in einzelnen Gesetzvorschlägen vom künftigen Parlamente berathen und
beschlossen werden sollen, sind allerdings von hoher Bedeutung. "Unbedingte Frei¬
heit der Meinungsäußerung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Vereinigungsrecht,
Schutz der persönlichen Einheit, Unabhängigkeit der Rechtspflege und Schwur¬
gerichte, Schutz der arbeitenden Klassen, gerechte Vertheilung der Staatslasten,
Selbstständigkeit der Gemeinden," auf diesen Grundlagen sollen die unveräußer¬
lichen Rechte eines jeden deutscheu Staatsbürgers, also auch des verbündeten
Oestreichers begründet werden. Aber diese Rechte sind dieselben, welche bereits
in mehreren Petitionen einzelner östreichischer Provinzen angesprochen wurden.
Mit dem vollständigen Eintritt in den deutschen Volksbund würden also diese An¬
sprüche der Oestreicher ohne Weiteres garantirt sein. Oestreich hat jedoch wesent¬
lich zwei Punkte in Erwägung zu ziehen, ehe es ohne weiteren Rückhalt in den
deutschen Bundesstaat als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen werden kann.

Der erste betrifft die verschiedenen Nationalitäten. Man scheint in Frankfurt
auf die Lombardei und Ungarn gänzlich verzichtet zu haben, indem man über die
Aufnahme Oestreichs in den Bund verhandelte. Die Lombardei wird wohl in
den nächsten Tagen in die neugestiftete italienische Bundesversammlung eintreten.
Ungarn jedoch steht noch im Unterthanenverband mit dem Hause Habslmrg. Die
Souveränität der ungarischen Nation ist durch die pragmatische Sanction gelähmt
und der deutsche Bundesfürst von Oestreich trägt zu gleicher Zeit die ungarisch-


ropa's bereite, wie Graf Radetzky mit der Südarmee. Der Wiener Freischaarenzug
nach Italien, welchen wir hier beiläufig erwähnen wollen, erhält seine beste Charakteristik
dadurch, daß ihn die Regierung unter das Commando eines Mannes gestellt hat,
der stets die Waffen blindlings für eine absolutistische und jesuitische Partei er¬
griffen hat. Der viele Male verabschiedete und stets wiederkehrende Landsknecht
hat seine Don Quixotefahrten sowohl unter dem pfäffischen Don Carlos, als in
Galizien, so wie beim Sonderbund mit gleichem Glücke unternommen. Wahr¬
scheinlich wird er bald von seinem neuen Feldzuge an der Spitze eines trunkenen
und backhändelsüchtigen Haufens zurückkehren! Die Romantik findet doch überall
ihre treuen Helden.

Für den Anschluß an den deutschen Bund hat das Ministerium bisher kaum
noch mit Worten etwas gethan. Der östreichische Bundestagsgesandte in Frank¬
furt hat blos den Wunsch ausgedrückt, daß die Wahlen (d. h. der Entschluß zur
Wahl) für die einzelnen Staaten bis zum 1. Mai hinausgeschoben werden sollen.
Hat das Ministerium die Wichtigkeit eines deutschen Parlaments und der von
demselben zu fassenden Beschlüsse erkannt, dann können nur Unentschiedenheit,
diplomatische Klugheit oder entschiedene Abneigung gegen die Souveränität einer
dentschen Volkskammer die östreichische Regierung von einem offenen Bündnisse
mit Deutschland abhalten.

Die Grundlagen des Volkswohls, welche das Vorparlament anerkannt hat
und welche in einzelnen Gesetzvorschlägen vom künftigen Parlamente berathen und
beschlossen werden sollen, sind allerdings von hoher Bedeutung. „Unbedingte Frei¬
heit der Meinungsäußerung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Vereinigungsrecht,
Schutz der persönlichen Einheit, Unabhängigkeit der Rechtspflege und Schwur¬
gerichte, Schutz der arbeitenden Klassen, gerechte Vertheilung der Staatslasten,
Selbstständigkeit der Gemeinden," auf diesen Grundlagen sollen die unveräußer¬
lichen Rechte eines jeden deutscheu Staatsbürgers, also auch des verbündeten
Oestreichers begründet werden. Aber diese Rechte sind dieselben, welche bereits
in mehreren Petitionen einzelner östreichischer Provinzen angesprochen wurden.
Mit dem vollständigen Eintritt in den deutschen Volksbund würden also diese An¬
sprüche der Oestreicher ohne Weiteres garantirt sein. Oestreich hat jedoch wesent¬
lich zwei Punkte in Erwägung zu ziehen, ehe es ohne weiteren Rückhalt in den
deutschen Bundesstaat als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen werden kann.

Der erste betrifft die verschiedenen Nationalitäten. Man scheint in Frankfurt
auf die Lombardei und Ungarn gänzlich verzichtet zu haben, indem man über die
Aufnahme Oestreichs in den Bund verhandelte. Die Lombardei wird wohl in
den nächsten Tagen in die neugestiftete italienische Bundesversammlung eintreten.
Ungarn jedoch steht noch im Unterthanenverband mit dem Hause Habslmrg. Die
Souveränität der ungarischen Nation ist durch die pragmatische Sanction gelähmt
und der deutsche Bundesfürst von Oestreich trägt zu gleicher Zeit die ungarisch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/105>, abgerufen am 29.06.2024.