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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Veränderung erleiden. Eine Beurtheilung der einzelnen Posten desselben, so wie
die Uebersicht des Staatsetats müssen wir sachkundigen Staatsöconomen überlassen.
Leider mußte Baron Kübeck in dem Augenblicke von seinem Posten abtreten, in
welchem er sich des allgemeinen Vertrauens hätte am würdigsten zeigen können.
Sein Nachfolger im Finanzministerium, Herr v. Kraus, ist, wenn wir nicht irren,
der Schöpfer der genialen östreichischen Zoll- und Monopvlordnnng, deren gründ¬
liches Studium als 13. Herkulesarbeit (gleich nach der Räumung des Augias¬
stalles) aufgezählt werden könnte. Wir wollen hoffen, daß der neue Finanzminister
in die Staatsausgaben und Einnahmen mehr Ordnung und weise Berechnung
bringen werde, als er dies in der Zoll- und Monopolordnung zu thun im
Stande war.

Das Ministerium der Justiz hat außer der Vollziehung der kaiserlichen Am¬
nestie *) und der obenerwähnten Preßgesetzerklärung kein öffentliches Lebenszeichen
gegeben. Auch ist von dem jetzigen Vorstande dieses Ministeriums kaum ein
thatkräftiges Einschreiten im Sinne des Fortschrittes zu erwarten.

Der erst kürzlich ernannte Minister des Unterrichts, Baron v. Somaruga,
begann seine Thätigkeit mit väterlichen Ermahnungen an die Studenten: sie (die
Helden des Tages!) mögen doch die Semestralprüfungen ablegen und ihre Fami¬
lien nicht durch Müßiggang kränken. Es ist wohl ziemlich gleichgültig, ob die
Studenten noch einige -Kollegien nach der alten Zopfdisciplin anhören oder sich
den nutzlosen, schulmeisterlichen Prüfungen unterziehen. Ihre Verdienste um den
Staat, oder das Vertrauen der Bürger zu deren Tüchtigkeit werden dadurch wahr-
lich nicht erhöht. Man könnte also füglich bis zum nächsten Semester, mit wel¬
chem zugleich die versprochene Lehr- und Lernfreiheit in Wirksamkeit treten soll,
die Universitäten schließen. Baron Somaruga wird als ein rechtlicher und libe¬
raler Mann gerühmt. Hoffentlich besitzt der Unterrichtsminister noch einige andere
wesentliche Vorzüge. Denn rechtlich und liberal muß nun auch der geringste
Bürger sein, wenn er das öffentliche Vertrauen genießen will.

Werfen wir noch einen Blick auf das Ministerium des Auswärtigen, so be¬
zeichnen wir eine Hauptseite in der Wirksamkeit dieses Ministeriums dadurch, daß
wir die italienischen Verwicklungen im Ressort des Ministeriums des Auswärtigen
anführen. Das Ministerium des Innern hat die lombardisch-venetianische Provinz,
unter dem Titel: Italien, an das Ministerium des Auswärtigen abgegeben. Dies
ist ein einfacher Vorgang innerhalb der Wände des Staatsbnreau, welcher jedoch
außerhalb derselben viel Blut, Schmach und Buße kostet. Die vielgerühmte



*) Deren vollständige Erfüllung in Zweifel gezogen wurde. Herr Heinrich Kern hat in
dieser Sache, gestützt auf authentische Aussagen von Seiten der Polen, eine schwere Anklage
gegen den Justizminister erhoben, welche derselbe bisher durch die Presse ungenügend zurück¬
zuweisen im Stande war.

Veränderung erleiden. Eine Beurtheilung der einzelnen Posten desselben, so wie
die Uebersicht des Staatsetats müssen wir sachkundigen Staatsöconomen überlassen.
Leider mußte Baron Kübeck in dem Augenblicke von seinem Posten abtreten, in
welchem er sich des allgemeinen Vertrauens hätte am würdigsten zeigen können.
Sein Nachfolger im Finanzministerium, Herr v. Kraus, ist, wenn wir nicht irren,
der Schöpfer der genialen östreichischen Zoll- und Monopvlordnnng, deren gründ¬
liches Studium als 13. Herkulesarbeit (gleich nach der Räumung des Augias¬
stalles) aufgezählt werden könnte. Wir wollen hoffen, daß der neue Finanzminister
in die Staatsausgaben und Einnahmen mehr Ordnung und weise Berechnung
bringen werde, als er dies in der Zoll- und Monopolordnung zu thun im
Stande war.

Das Ministerium der Justiz hat außer der Vollziehung der kaiserlichen Am¬
nestie *) und der obenerwähnten Preßgesetzerklärung kein öffentliches Lebenszeichen
gegeben. Auch ist von dem jetzigen Vorstande dieses Ministeriums kaum ein
thatkräftiges Einschreiten im Sinne des Fortschrittes zu erwarten.

Der erst kürzlich ernannte Minister des Unterrichts, Baron v. Somaruga,
begann seine Thätigkeit mit väterlichen Ermahnungen an die Studenten: sie (die
Helden des Tages!) mögen doch die Semestralprüfungen ablegen und ihre Fami¬
lien nicht durch Müßiggang kränken. Es ist wohl ziemlich gleichgültig, ob die
Studenten noch einige -Kollegien nach der alten Zopfdisciplin anhören oder sich
den nutzlosen, schulmeisterlichen Prüfungen unterziehen. Ihre Verdienste um den
Staat, oder das Vertrauen der Bürger zu deren Tüchtigkeit werden dadurch wahr-
lich nicht erhöht. Man könnte also füglich bis zum nächsten Semester, mit wel¬
chem zugleich die versprochene Lehr- und Lernfreiheit in Wirksamkeit treten soll,
die Universitäten schließen. Baron Somaruga wird als ein rechtlicher und libe¬
raler Mann gerühmt. Hoffentlich besitzt der Unterrichtsminister noch einige andere
wesentliche Vorzüge. Denn rechtlich und liberal muß nun auch der geringste
Bürger sein, wenn er das öffentliche Vertrauen genießen will.

Werfen wir noch einen Blick auf das Ministerium des Auswärtigen, so be¬
zeichnen wir eine Hauptseite in der Wirksamkeit dieses Ministeriums dadurch, daß
wir die italienischen Verwicklungen im Ressort des Ministeriums des Auswärtigen
anführen. Das Ministerium des Innern hat die lombardisch-venetianische Provinz,
unter dem Titel: Italien, an das Ministerium des Auswärtigen abgegeben. Dies
ist ein einfacher Vorgang innerhalb der Wände des Staatsbnreau, welcher jedoch
außerhalb derselben viel Blut, Schmach und Buße kostet. Die vielgerühmte



*) Deren vollständige Erfüllung in Zweifel gezogen wurde. Herr Heinrich Kern hat in
dieser Sache, gestützt auf authentische Aussagen von Seiten der Polen, eine schwere Anklage
gegen den Justizminister erhoben, welche derselbe bisher durch die Presse ungenügend zurück¬
zuweisen im Stande war.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/103>, abgerufen am 29.06.2024.