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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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"Oesterreich soll seine alte Politik der Zukunft opfern, es soll die freie
gesetzmäßige Entwickelung Ungarns befördern, nach den Verhältnissen und
der Nothwendigkeit alle Interessen in Schutz nehmen, die eines solchen durch
Rechts- und Vernunftgründe würdig sind; der alte Gedanke soll nichts
mehr niederhalten, was konstitutionelles Leben in sich bedingt. Oesterreich
soll den Versuch wage", und die Achtung, Treue und Energie eines Volkes,
welches eine große Zukunft hat, wird seiue Dynastie vor allen Stürmen
schützen." --

3) Rückblick aus ältere Flugschriften.

Wenn in dieser Schrift ein gleichsam erbliches aus deu geschichtlichen
Verhältnissen hervorgegangenes Unwesen zwar uicht in Schutz genommen,
aber doch den centralisirenden Tendenzen der Regierung gegenüber als das
höher Berechtigte vertheidigt wird, so streben dagegen andere österreichische
Schriftsteller, die gleichfalls die Sache der Freiheit vertheidigen, dahin, in
den Particularitäten der ständischen Verhältnisse und in dem Einfluß der
Kirche den bösen Geist zu suchen, dessen Ueberwindung allein Oesterreich
retten kann. "Die römisch-katholische Kirche spielt seit geraumer Zeit die
Rolle des in!Üa6"z uns^iii-uro mit vielem Erfolg, und hätte uicht eine tau¬
sendjährige Erfahrung die Richtigkeit des mephistophelischen Ausspruches
über sie bewährt, so müßte man allerdings der Besorgniß Raum geben,
ihr guter Magen werde den unverdaulichen Bissen, mit denen sie der Zeit¬
geist süttert, nicht lange mehr widerstehen können. Wie sich diese fortwähren¬
den Klagen über Verfolgung und Befeindung mit der Gewißheit räumen,
welche die Kirche hat, daß ihr, als auf den Felsen Petri gegründet, die
Pforten der Hölle nichts anhaben können, ist nicht klar; wir wollen indessen
zur Hebung des anscheinenden Widerspruches annehmen, daß sie nur von
unbefugten Sachwaltern und kleingläubigen Seelen ausgehen, welche entwe¬
der auf die goldenen Strahlen der Heiligenscheine Rechnung machen, oder
den furchtsamen Jüngern des Herrn während des Sturmes auf dem See
gleichem." -- Es versteht sich von selbst, daß das Hauptorgan der IZoclösiu,
militini", die Jesuiten, in diesen Tendenzen eine wesentliche Stelle einneh¬
men. "Eine der betrübendsten Erscheinungen, denen wir in der Geschichte
deS menschlichen Geistes begegnen, ist ohne Zweifel diese, daß er sich zuwei¬
len genöthigt sieht, auf Erörterung von Fragen zurückzukommen, die mit al¬
lem Rechte schon als abgethan gelten konnten. Zu dieser Bemerkung veran¬
laßt uns die Thatsache, daß die Gesellschaft Jesu, nachdem die beiden höch¬
sten Autoritäten, welche die Welt verehrt, der Papst und die öffentliche Mei-


„Oesterreich soll seine alte Politik der Zukunft opfern, es soll die freie
gesetzmäßige Entwickelung Ungarns befördern, nach den Verhältnissen und
der Nothwendigkeit alle Interessen in Schutz nehmen, die eines solchen durch
Rechts- und Vernunftgründe würdig sind; der alte Gedanke soll nichts
mehr niederhalten, was konstitutionelles Leben in sich bedingt. Oesterreich
soll den Versuch wage», und die Achtung, Treue und Energie eines Volkes,
welches eine große Zukunft hat, wird seiue Dynastie vor allen Stürmen
schützen." —

3) Rückblick aus ältere Flugschriften.

Wenn in dieser Schrift ein gleichsam erbliches aus deu geschichtlichen
Verhältnissen hervorgegangenes Unwesen zwar uicht in Schutz genommen,
aber doch den centralisirenden Tendenzen der Regierung gegenüber als das
höher Berechtigte vertheidigt wird, so streben dagegen andere österreichische
Schriftsteller, die gleichfalls die Sache der Freiheit vertheidigen, dahin, in
den Particularitäten der ständischen Verhältnisse und in dem Einfluß der
Kirche den bösen Geist zu suchen, dessen Ueberwindung allein Oesterreich
retten kann. „Die römisch-katholische Kirche spielt seit geraumer Zeit die
Rolle des in!Üa6«z uns^iii-uro mit vielem Erfolg, und hätte uicht eine tau¬
sendjährige Erfahrung die Richtigkeit des mephistophelischen Ausspruches
über sie bewährt, so müßte man allerdings der Besorgniß Raum geben,
ihr guter Magen werde den unverdaulichen Bissen, mit denen sie der Zeit¬
geist süttert, nicht lange mehr widerstehen können. Wie sich diese fortwähren¬
den Klagen über Verfolgung und Befeindung mit der Gewißheit räumen,
welche die Kirche hat, daß ihr, als auf den Felsen Petri gegründet, die
Pforten der Hölle nichts anhaben können, ist nicht klar; wir wollen indessen
zur Hebung des anscheinenden Widerspruches annehmen, daß sie nur von
unbefugten Sachwaltern und kleingläubigen Seelen ausgehen, welche entwe¬
der auf die goldenen Strahlen der Heiligenscheine Rechnung machen, oder
den furchtsamen Jüngern des Herrn während des Sturmes auf dem See
gleichem." — Es versteht sich von selbst, daß das Hauptorgan der IZoclösiu,
militini«, die Jesuiten, in diesen Tendenzen eine wesentliche Stelle einneh¬
men. „Eine der betrübendsten Erscheinungen, denen wir in der Geschichte
deS menschlichen Geistes begegnen, ist ohne Zweifel diese, daß er sich zuwei¬
len genöthigt sieht, auf Erörterung von Fragen zurückzukommen, die mit al¬
lem Rechte schon als abgethan gelten konnten. Zu dieser Bemerkung veran¬
laßt uns die Thatsache, daß die Gesellschaft Jesu, nachdem die beiden höch¬
sten Autoritäten, welche die Welt verehrt, der Papst und die öffentliche Mei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/74>, abgerufen am 28.07.2024.