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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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der Gemeinde, an deren Spitze. Sein bekannter Charakter und seine gründ¬
liche Kenntniß der Unterthansverhältnisse hatten ihm in der ganzen Gegend
großes Ansehen verschafft; er beschloß dasselbe zu Gunsten der Negierung
zu benutzen. Alle Dörfer hielten damals Wache, Szela organisirte ein förm¬
liches Aufgebot. Er hielt stets mehre berittene Bauern als Ordonnanzen in
Bereitschaft, forderte die nächsten Gemeinden zur Durchstreifung der Wälder
auf, stellte Vorposten aus und schickte nach allen Richtungen ordentliche
Patrouillen. Alle verdächtigen Individuen ließ er anhalten. Dabei beobachtete
er die strengste Mannszucht; die Bauern, die er uuter seinein Befehle hatte,
haben weder Raub uoch Mord begangen. Kaiserlichen Beamten und Offi¬
zieren, mit denen er zusammentraf, zeigte Szela die größte Ehrerbietung
und befolgte ihre Weisungen. Als er nach Tarnow citirt wurde, um sich
hinsichtlich seines Treibens zu verantworten, erschien er angenblicklich und
gehorchte pünktlich dem Befehl, seine Streifnngen einzustellen, die Bauern
der Umgegend nicht mehr zu versammeln und für seine Person Smarzowa
nicht zu verlassen ohne Erlaubniß des Kreisamtes." -- "Seine unverholen
ausgesprochnc Absicht war, sämmtliche Bauern, so weit sein Einfluß reichte,
zu der Bitte an die Regierung zu bewegen, die Robot aus einen Tag jährlich)
für jedes Joch unterthänigen Grundes zu beschränken und nur zum Anbau
der herrschaftlichen Felder verwenden zu lassen, alle sonstigen Leistungen aber
in einen Geldzins zu verwandeln."

Schließlich sucht der Verf. nachzuweisen, daß die Negierung an der
Aufregung der Bauern keinen Antheil gehabt, derselben vielmehr von vorn¬
herein nach Kräften entgegengearbeitet habe. Das Genauere darüber wird,
soweit es wenigstens einzelne Persönlichkeiten betrifft, wohl nicht mehr er¬
mittelt werden. -- --

2) Ungarische Zustände. Leipzig l847. Brockhaus.

No. 2 ist durchaus in entgegengesetztem Sinne geschrieben; hier wird
der Regierung alle Schuld zugeschoben. Der Verfasser ergeht sich leider
zu sehr in allgemeinen Raisonnements, und setzt eigentlich überall eine genaue
Kenntniß des Materials, über welches er handelt, schon voraus; für einen,
der in das Detail der ungarischen Zustände uicht eingeweiht ist, wird es
in den meisten Fällen schwer zu errathen, worauf der Verf. anspielt. Eine
einfache Erzählung und Schilderung wäre entschieden vortheilhafter gewesen.
Der springende, etwas barocke Styl, von dem einige Proben angeführt
werden sollen, trägt noch dazu bei, das Ganze unverständlicher zu machen.


der Gemeinde, an deren Spitze. Sein bekannter Charakter und seine gründ¬
liche Kenntniß der Unterthansverhältnisse hatten ihm in der ganzen Gegend
großes Ansehen verschafft; er beschloß dasselbe zu Gunsten der Negierung
zu benutzen. Alle Dörfer hielten damals Wache, Szela organisirte ein förm¬
liches Aufgebot. Er hielt stets mehre berittene Bauern als Ordonnanzen in
Bereitschaft, forderte die nächsten Gemeinden zur Durchstreifung der Wälder
auf, stellte Vorposten aus und schickte nach allen Richtungen ordentliche
Patrouillen. Alle verdächtigen Individuen ließ er anhalten. Dabei beobachtete
er die strengste Mannszucht; die Bauern, die er uuter seinein Befehle hatte,
haben weder Raub uoch Mord begangen. Kaiserlichen Beamten und Offi¬
zieren, mit denen er zusammentraf, zeigte Szela die größte Ehrerbietung
und befolgte ihre Weisungen. Als er nach Tarnow citirt wurde, um sich
hinsichtlich seines Treibens zu verantworten, erschien er angenblicklich und
gehorchte pünktlich dem Befehl, seine Streifnngen einzustellen, die Bauern
der Umgegend nicht mehr zu versammeln und für seine Person Smarzowa
nicht zu verlassen ohne Erlaubniß des Kreisamtes." — „Seine unverholen
ausgesprochnc Absicht war, sämmtliche Bauern, so weit sein Einfluß reichte,
zu der Bitte an die Regierung zu bewegen, die Robot aus einen Tag jährlich)
für jedes Joch unterthänigen Grundes zu beschränken und nur zum Anbau
der herrschaftlichen Felder verwenden zu lassen, alle sonstigen Leistungen aber
in einen Geldzins zu verwandeln."

Schließlich sucht der Verf. nachzuweisen, daß die Negierung an der
Aufregung der Bauern keinen Antheil gehabt, derselben vielmehr von vorn¬
herein nach Kräften entgegengearbeitet habe. Das Genauere darüber wird,
soweit es wenigstens einzelne Persönlichkeiten betrifft, wohl nicht mehr er¬
mittelt werden. — —

2) Ungarische Zustände. Leipzig l847. Brockhaus.

No. 2 ist durchaus in entgegengesetztem Sinne geschrieben; hier wird
der Regierung alle Schuld zugeschoben. Der Verfasser ergeht sich leider
zu sehr in allgemeinen Raisonnements, und setzt eigentlich überall eine genaue
Kenntniß des Materials, über welches er handelt, schon voraus; für einen,
der in das Detail der ungarischen Zustände uicht eingeweiht ist, wird es
in den meisten Fällen schwer zu errathen, worauf der Verf. anspielt. Eine
einfache Erzählung und Schilderung wäre entschieden vortheilhafter gewesen.
Der springende, etwas barocke Styl, von dem einige Proben angeführt
werden sollen, trägt noch dazu bei, das Ganze unverständlicher zu machen.


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[0069] der Gemeinde, an deren Spitze. Sein bekannter Charakter und seine gründ¬ liche Kenntniß der Unterthansverhältnisse hatten ihm in der ganzen Gegend großes Ansehen verschafft; er beschloß dasselbe zu Gunsten der Negierung zu benutzen. Alle Dörfer hielten damals Wache, Szela organisirte ein förm¬ liches Aufgebot. Er hielt stets mehre berittene Bauern als Ordonnanzen in Bereitschaft, forderte die nächsten Gemeinden zur Durchstreifung der Wälder auf, stellte Vorposten aus und schickte nach allen Richtungen ordentliche Patrouillen. Alle verdächtigen Individuen ließ er anhalten. Dabei beobachtete er die strengste Mannszucht; die Bauern, die er uuter seinein Befehle hatte, haben weder Raub uoch Mord begangen. Kaiserlichen Beamten und Offi¬ zieren, mit denen er zusammentraf, zeigte Szela die größte Ehrerbietung und befolgte ihre Weisungen. Als er nach Tarnow citirt wurde, um sich hinsichtlich seines Treibens zu verantworten, erschien er angenblicklich und gehorchte pünktlich dem Befehl, seine Streifnngen einzustellen, die Bauern der Umgegend nicht mehr zu versammeln und für seine Person Smarzowa nicht zu verlassen ohne Erlaubniß des Kreisamtes." — „Seine unverholen ausgesprochnc Absicht war, sämmtliche Bauern, so weit sein Einfluß reichte, zu der Bitte an die Regierung zu bewegen, die Robot aus einen Tag jährlich) für jedes Joch unterthänigen Grundes zu beschränken und nur zum Anbau der herrschaftlichen Felder verwenden zu lassen, alle sonstigen Leistungen aber in einen Geldzins zu verwandeln." Schließlich sucht der Verf. nachzuweisen, daß die Negierung an der Aufregung der Bauern keinen Antheil gehabt, derselben vielmehr von vorn¬ herein nach Kräften entgegengearbeitet habe. Das Genauere darüber wird, soweit es wenigstens einzelne Persönlichkeiten betrifft, wohl nicht mehr er¬ mittelt werden. — — 2) Ungarische Zustände. Leipzig l847. Brockhaus. No. 2 ist durchaus in entgegengesetztem Sinne geschrieben; hier wird der Regierung alle Schuld zugeschoben. Der Verfasser ergeht sich leider zu sehr in allgemeinen Raisonnements, und setzt eigentlich überall eine genaue Kenntniß des Materials, über welches er handelt, schon voraus; für einen, der in das Detail der ungarischen Zustände uicht eingeweiht ist, wird es in den meisten Fällen schwer zu errathen, worauf der Verf. anspielt. Eine einfache Erzählung und Schilderung wäre entschieden vortheilhafter gewesen. Der springende, etwas barocke Styl, von dem einige Proben angeführt werden sollen, trägt noch dazu bei, das Ganze unverständlicher zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/69>, abgerufen am 27.07.2024.