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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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befördernde, hiedurch aber die Nation täuschende, und -- sobald dies letztere
nicht mehr gelingt, -- von ihr mißachtete Puppen. Der That nach will sie we¬
der der Monarch noch das Volt, und die österreichischen Stände wurden es selbst
nicht sein wollen.

Was für Stände sollei? also Oesterreichs heutige Provinzialstände werden?

Ohne des Volkes Haß und Fluch aus sich zu laden, ohne der Verachtung
des Auslandes und Inlandes, so wie ihrer eigenen zu verfallen, können und
dürfen sie sich nicht auflösen, können und dürfen sie aber auch nicht das
wieder werden, was sie vor Kurzem noch waren, können und dürfen sie nicht die
wenigen Schritte wieder zurückmachen, um die sie seit einigen Jahren vorwärts
rückten. Weder das Eine noch das Andere können und dürfe" sie, weder das
Eine noch das Andere wollen und werden sie.

Keiner dieser drei möglichen Klassen sollen die österreichischen Stände ange¬
hören, und absterben sollen sie eben so wenig; was also können, was sollen sie
thun, um ans diesem Dilemma herauszukommen?

Sie müssen Alles daran setzen, um von Bürger und Bauer
als Volks-Repräsentanten anerkannt zu werden.

Ist ihnen einmal diese, Anerkennung geworden, dann sind sie es thatsächlich,
dann kann ihnen die weitere, von Seite der Regierung, nicht lange mehr entge¬
hen. Muß sich aber die Regierung das Bestehen activer Volksrepräsentanten einmal
gefallen lassen, dann wird sie selbst dafür sorgen, sie nicht ans den zwei privile-
girten Kasten allein bestehen zu lassen, sondern so verschiedene Elemente in diese
Repräsentation zu bringen, als uur immer möglich ist, denn die Mischung ist
dann eine Lebensfrage für sie.

Dann aber, erst dann werden die heutigen Stände ihre Aufgabe gelöset und
ihre alte Schuld gegen die Nation getilgt haben. Dann aber werden sie nicht
mehr allein, sondern, wie dies in Preußen bereits der Fall ist, mit der Nation
Hand in Hand auf dem Wege politischer Entwickelung vorwärts schreiten, den
Thron befestigen, und ihn, statt ihrer alten Rechte, gegen alle Stürme, sie mögen
von Innen oder Außen kommen, wahren und vertheidigen. Steht der Thron der
Hohenzollern trotz der Verordnungen vom Februar nicht heilte, wo ein besseres
Verständniß zwischen König und Volk angebahnt wurde, um so fester?

Um aber von dem Volte zur Repräsentation selbst nur einstweilen zu¬
gelassen zu werden, müssen die Stände die Vvlkssympathie gewinnen; und um
diese zu gewinnen, müssen sie Volksfreunde, fast möchten wir sagen Demokraten werden.

Man lächle so viel mau will über das Paradoxon, daß Oesterreichs weltbe¬
rühmte Aristokraten, im Handumwenden zu Demokraten werden sollen. Man
kaun um das Wort Demokrat streiten und wir wollen es gerne opfern, wenn man
uns ein anderes besseres, zu substituiren weiß, die Sache bleibt aber doch dieselbe.
Wer in der Ueberzeugung lebt, daß seine adelige Geburt ihn zu einem höheren,


GrenMcn. III, 1Si7. -74

befördernde, hiedurch aber die Nation täuschende, und — sobald dies letztere
nicht mehr gelingt, — von ihr mißachtete Puppen. Der That nach will sie we¬
der der Monarch noch das Volt, und die österreichischen Stände wurden es selbst
nicht sein wollen.

Was für Stände sollei? also Oesterreichs heutige Provinzialstände werden?

Ohne des Volkes Haß und Fluch aus sich zu laden, ohne der Verachtung
des Auslandes und Inlandes, so wie ihrer eigenen zu verfallen, können und
dürfen sie sich nicht auflösen, können und dürfen sie aber auch nicht das
wieder werden, was sie vor Kurzem noch waren, können und dürfen sie nicht die
wenigen Schritte wieder zurückmachen, um die sie seit einigen Jahren vorwärts
rückten. Weder das Eine noch das Andere können und dürfe» sie, weder das
Eine noch das Andere wollen und werden sie.

Keiner dieser drei möglichen Klassen sollen die österreichischen Stände ange¬
hören, und absterben sollen sie eben so wenig; was also können, was sollen sie
thun, um ans diesem Dilemma herauszukommen?

Sie müssen Alles daran setzen, um von Bürger und Bauer
als Volks-Repräsentanten anerkannt zu werden.

Ist ihnen einmal diese, Anerkennung geworden, dann sind sie es thatsächlich,
dann kann ihnen die weitere, von Seite der Regierung, nicht lange mehr entge¬
hen. Muß sich aber die Regierung das Bestehen activer Volksrepräsentanten einmal
gefallen lassen, dann wird sie selbst dafür sorgen, sie nicht ans den zwei privile-
girten Kasten allein bestehen zu lassen, sondern so verschiedene Elemente in diese
Repräsentation zu bringen, als uur immer möglich ist, denn die Mischung ist
dann eine Lebensfrage für sie.

Dann aber, erst dann werden die heutigen Stände ihre Aufgabe gelöset und
ihre alte Schuld gegen die Nation getilgt haben. Dann aber werden sie nicht
mehr allein, sondern, wie dies in Preußen bereits der Fall ist, mit der Nation
Hand in Hand auf dem Wege politischer Entwickelung vorwärts schreiten, den
Thron befestigen, und ihn, statt ihrer alten Rechte, gegen alle Stürme, sie mögen
von Innen oder Außen kommen, wahren und vertheidigen. Steht der Thron der
Hohenzollern trotz der Verordnungen vom Februar nicht heilte, wo ein besseres
Verständniß zwischen König und Volk angebahnt wurde, um so fester?

Um aber von dem Volte zur Repräsentation selbst nur einstweilen zu¬
gelassen zu werden, müssen die Stände die Vvlkssympathie gewinnen; und um
diese zu gewinnen, müssen sie Volksfreunde, fast möchten wir sagen Demokraten werden.

Man lächle so viel mau will über das Paradoxon, daß Oesterreichs weltbe¬
rühmte Aristokraten, im Handumwenden zu Demokraten werden sollen. Man
kaun um das Wort Demokrat streiten und wir wollen es gerne opfern, wenn man
uns ein anderes besseres, zu substituiren weiß, die Sache bleibt aber doch dieselbe.
Wer in der Ueberzeugung lebt, daß seine adelige Geburt ihn zu einem höheren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/571>, abgerufen am 01.09.2024.