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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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besseren, Gott ähnlicheren Wesen macht als einen Nichtadeligen, wenn ihm dieser
auch an Bildung, Sitte und Tugend gleich steht, oder gar ihn überragt; --
wer an den althergebrachten Vorrechten und Ansprüchen festhält; wer da glaubt,
daß ein Nichtadeliger trotz aller Kenntniß und Tüchtigkeit von hundert Dingen
ausgeschlossen werden müsse -- der ist ein Aristokrat. Wer dies Alles nicht denkt,
fühlt, glaubt und beansprucht, den Adeligen wie den Unadcligen nur nach seinem
innern Werth qualificirt, der ist kein Aristokrat; er denkt, sühlt und handelt wie
jeder andere unadelige Staatsbürger, strebt dasselbe Ziel an wie dieser, nament¬
lich in Staats-Einrichtungen, und ist demnach wie dieser -- ein Demokrat.

Ist Graf X. oder Fürst Y. auf seinen Namen in so fern stolz, als es ihn
freut von verdienstvollen Männern abzustammen, und er sich durch diese Erbschaft
seiner Ahnen um so mehr verpflichtet findet, ein nützlicher Staatsbürger zu wer¬
den, so bleibt er ungeachtet seines Namens und dieses Stolzes darauf doch
Demokrat und zwar ein um so achtnngswertherer.

Solche Demokraten finden sich unter den österreichischen Ständen viele. Wir
behaupten deshalb noch nicht, daß alle, welche dem Fortschritt huldigen, solche
Demokraten sind. Manche von ihnen wünschen eine Volksrepräsentation im werk-
thätigsten Sinne, glauben aber die Aristokratie sei hierzu vorzüglich berufen,
und ohne die Bürger aus dem Ständckörper gerade ausschließen zu wollen, ver¬
langen sie doch die Aristokratie stets vorherrschend zu sehen.

In wie weiter Ferne liegend ein höheres und umfassenderes Ziel den Pro-
vinzialständen erscheinen mag, ihr Bemühen muß nichts destoweniger unveränderlich
darauf hingerichtet sein.

Druck erzeugt Gegendruck. Je mehr die Bureaukratie die Stände in ihrem
Wirkungskreise zu beschränken und in den Augen der Nation herabzusetzen sucht,
je emsiger trachtet jeder einzelne derselben seine Rechte und sein Ansehen aufrecht
zu erhalten. -- Daß er sich deshalb an das Volk wenden und daß er selbst
Mann des Volkes werden muß, um von ihm gehört zu werden, das gibt ihm
der Instinkt. Der schon so oft und deutlich ausgesprochene Wunsch einer that¬
sächlichen Repräsentation des Bürgerstandes, der Aufhebung der Robot, der voll¬
sten Oeffentlichkeit der Verhandlungen, ja selbst der mit Unrecht lächerlich ge¬
machte Antrag, die Uniform mit dem Frack zu vertauschen, sind doch thatsächliche
Belege dafür. --

Nicht minder belegt dies die fast ängstliche Sorge, mit welcher von Jahr
zu Jahr gemeinnützige Anstalten ins Leben gerufen und Vereine unterstützt wer¬
den, für welche eine Aristokratie von Hans aus gleichgültig ist, und welche eigent¬
lich gar nicht in den Bereich der Stände gehören, deren Hauptaufgabe es doch
bleibt, den Rechtsboden der Nation wieder herzustellen, die also zu
anderen Fragen gar nicht übergehen sollten, so lange diese nicht gelöst ist.

Dieses Verschmelzen der Stände mit der Ration wird nach und nach allgemeiner


besseren, Gott ähnlicheren Wesen macht als einen Nichtadeligen, wenn ihm dieser
auch an Bildung, Sitte und Tugend gleich steht, oder gar ihn überragt; —
wer an den althergebrachten Vorrechten und Ansprüchen festhält; wer da glaubt,
daß ein Nichtadeliger trotz aller Kenntniß und Tüchtigkeit von hundert Dingen
ausgeschlossen werden müsse — der ist ein Aristokrat. Wer dies Alles nicht denkt,
fühlt, glaubt und beansprucht, den Adeligen wie den Unadcligen nur nach seinem
innern Werth qualificirt, der ist kein Aristokrat; er denkt, sühlt und handelt wie
jeder andere unadelige Staatsbürger, strebt dasselbe Ziel an wie dieser, nament¬
lich in Staats-Einrichtungen, und ist demnach wie dieser — ein Demokrat.

Ist Graf X. oder Fürst Y. auf seinen Namen in so fern stolz, als es ihn
freut von verdienstvollen Männern abzustammen, und er sich durch diese Erbschaft
seiner Ahnen um so mehr verpflichtet findet, ein nützlicher Staatsbürger zu wer¬
den, so bleibt er ungeachtet seines Namens und dieses Stolzes darauf doch
Demokrat und zwar ein um so achtnngswertherer.

Solche Demokraten finden sich unter den österreichischen Ständen viele. Wir
behaupten deshalb noch nicht, daß alle, welche dem Fortschritt huldigen, solche
Demokraten sind. Manche von ihnen wünschen eine Volksrepräsentation im werk-
thätigsten Sinne, glauben aber die Aristokratie sei hierzu vorzüglich berufen,
und ohne die Bürger aus dem Ständckörper gerade ausschließen zu wollen, ver¬
langen sie doch die Aristokratie stets vorherrschend zu sehen.

In wie weiter Ferne liegend ein höheres und umfassenderes Ziel den Pro-
vinzialständen erscheinen mag, ihr Bemühen muß nichts destoweniger unveränderlich
darauf hingerichtet sein.

Druck erzeugt Gegendruck. Je mehr die Bureaukratie die Stände in ihrem
Wirkungskreise zu beschränken und in den Augen der Nation herabzusetzen sucht,
je emsiger trachtet jeder einzelne derselben seine Rechte und sein Ansehen aufrecht
zu erhalten. — Daß er sich deshalb an das Volk wenden und daß er selbst
Mann des Volkes werden muß, um von ihm gehört zu werden, das gibt ihm
der Instinkt. Der schon so oft und deutlich ausgesprochene Wunsch einer that¬
sächlichen Repräsentation des Bürgerstandes, der Aufhebung der Robot, der voll¬
sten Oeffentlichkeit der Verhandlungen, ja selbst der mit Unrecht lächerlich ge¬
machte Antrag, die Uniform mit dem Frack zu vertauschen, sind doch thatsächliche
Belege dafür. —

Nicht minder belegt dies die fast ängstliche Sorge, mit welcher von Jahr
zu Jahr gemeinnützige Anstalten ins Leben gerufen und Vereine unterstützt wer¬
den, für welche eine Aristokratie von Hans aus gleichgültig ist, und welche eigent¬
lich gar nicht in den Bereich der Stände gehören, deren Hauptaufgabe es doch
bleibt, den Rechtsboden der Nation wieder herzustellen, die also zu
anderen Fragen gar nicht übergehen sollten, so lange diese nicht gelöst ist.

Dieses Verschmelzen der Stände mit der Ration wird nach und nach allgemeiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/572>, abgerufen am 01.09.2024.