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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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nicht mehr ableugnen können wird, daß sie nothwendig Etwas opfern muß,
wenn sie nicht Alles verlieren will, dann wird sie unter zwei Uebeln das klei¬
nere wählen*), und nach dem Beispiele der preußischen Thronrede historischer
Stände greifen. Dann wird es wohl heißen: "Wir erkennen Euch als histo¬
rische Stände an, als solche habt Ihr das Recht, Euch zu rühren, wenn Euch
Persönlich in Euren alten Rechten zu nahe getreten werden sollte; -- das Volk
aber -- die Zeit -- der Geist -- die gehen Euch sammt und sonders nichts an,
also! -- vo "Kr" croznclam sutor!" und hiermit hätte es dann mit der jetzigen
stillschweigenden Anerkennung als Volksrepräsenta.nten von Seite der Regierung
ein Eude.

Die erste Frage, "als was Oesterreichs Regierung die Stände ansehe?" ist
also für jetzt und für die nächste Zukunft beantwortet.

Die zweite Frage -- "als was sieht uns die Nation an?" müssen sich die
Stände, wollen sie sich anders keine eben so großartige als kindische Illusion ma¬
chen, selbst mit den Worten beantworten: "Nicht als Volksrepräsentanten, als
historische Stände aber mit dem größten Vergnügen, wenn dies den Herren Stän¬
den Spaß machen kann." --

Gehen wir nun zur dritten Frage über: "als was sollten die Stände sich
selbst betrachten," so werden wir bemerken, daß selbst von ihnen manche mit dem
Preußischen Edikt vom 11. April zweifelhaft geworden sind, ob sie sich als histo¬
rische Stände ansehen sollen, welchen gerade deshalb die Volksvertretung Pflicht
ist, oder als solche, denen gerade deshalb die Volksrepräsentation nicht zusteht.

Es ist wahrlich an der Zeit, sich im Thronsaal so gut wie in dem der Stände, in
dem Nathsgreminm der Staatsbeamten so gut als in den Versammlungen der Bürger,
und selbst in jenen der Bauern bei ihren Vorfechtern-recht klar zu werden, was
denn historisch-germanische Stände sind, und ob das, was man von den Ständen
erwartet oder verlangt, von rein historischen auch geleistet werden kann!

Der König von Preußen gab eine Erklärung, was historische Stände seien,
eine Erklärung, der sich die österreichische Regierung höchst wahrscheinlich anschlie-



*) Wie unzweifelhaft dies ist, beweiset nachfolgende Stelle aus einer Denkschrift des Fürsten
Metternich an den König von Preußen vom Jahre 1832. "Es ist in letzter Zeit in Deutschland
vielfach der Unterschied zwischen den constitutionellen und den sogenannten absoluten Bundes¬
regierungen gemacht worden. Unter erster" begreift man diejenigen Regierungen, die es sich
gefallen ließen, daß die, ihren Völkern gegebenen landständischen Verfassungen von den Kam¬
mern in Volks-Repräsentationen umgeändert worden sind; an der Spitze der letztem, d. h.
eigentlich derjenigen, welche sich blos mit landständischen Verfassungen begnügen, pflegt
man Oesterreich und Preußen zu stellen. Diesen Unterschied, der selbst in der Theorie --
(wer hat sie aufgestellt?) und nach dem Geiste der Bundcsconstitution, die keine andern
als landständische Verfassungen erkennt, nicht bestehen sollte, auf eine gehässige Weise hervor¬
zuheben, haben sich die heutigen Wortführer der revolutionären (?) Partei zur ganz eigenen
Aufgabe gemacht! u. s. w."

nicht mehr ableugnen können wird, daß sie nothwendig Etwas opfern muß,
wenn sie nicht Alles verlieren will, dann wird sie unter zwei Uebeln das klei¬
nere wählen*), und nach dem Beispiele der preußischen Thronrede historischer
Stände greifen. Dann wird es wohl heißen: „Wir erkennen Euch als histo¬
rische Stände an, als solche habt Ihr das Recht, Euch zu rühren, wenn Euch
Persönlich in Euren alten Rechten zu nahe getreten werden sollte; — das Volk
aber — die Zeit — der Geist — die gehen Euch sammt und sonders nichts an,
also! — vo »Kr» croznclam sutor!" und hiermit hätte es dann mit der jetzigen
stillschweigenden Anerkennung als Volksrepräsenta.nten von Seite der Regierung
ein Eude.

Die erste Frage, „als was Oesterreichs Regierung die Stände ansehe?" ist
also für jetzt und für die nächste Zukunft beantwortet.

Die zweite Frage — „als was sieht uns die Nation an?" müssen sich die
Stände, wollen sie sich anders keine eben so großartige als kindische Illusion ma¬
chen, selbst mit den Worten beantworten: „Nicht als Volksrepräsentanten, als
historische Stände aber mit dem größten Vergnügen, wenn dies den Herren Stän¬
den Spaß machen kann." —

Gehen wir nun zur dritten Frage über: „als was sollten die Stände sich
selbst betrachten," so werden wir bemerken, daß selbst von ihnen manche mit dem
Preußischen Edikt vom 11. April zweifelhaft geworden sind, ob sie sich als histo¬
rische Stände ansehen sollen, welchen gerade deshalb die Volksvertretung Pflicht
ist, oder als solche, denen gerade deshalb die Volksrepräsentation nicht zusteht.

Es ist wahrlich an der Zeit, sich im Thronsaal so gut wie in dem der Stände, in
dem Nathsgreminm der Staatsbeamten so gut als in den Versammlungen der Bürger,
und selbst in jenen der Bauern bei ihren Vorfechtern-recht klar zu werden, was
denn historisch-germanische Stände sind, und ob das, was man von den Ständen
erwartet oder verlangt, von rein historischen auch geleistet werden kann!

Der König von Preußen gab eine Erklärung, was historische Stände seien,
eine Erklärung, der sich die österreichische Regierung höchst wahrscheinlich anschlie-



*) Wie unzweifelhaft dies ist, beweiset nachfolgende Stelle aus einer Denkschrift des Fürsten
Metternich an den König von Preußen vom Jahre 1832. „Es ist in letzter Zeit in Deutschland
vielfach der Unterschied zwischen den constitutionellen und den sogenannten absoluten Bundes¬
regierungen gemacht worden. Unter erster» begreift man diejenigen Regierungen, die es sich
gefallen ließen, daß die, ihren Völkern gegebenen landständischen Verfassungen von den Kam¬
mern in Volks-Repräsentationen umgeändert worden sind; an der Spitze der letztem, d. h.
eigentlich derjenigen, welche sich blos mit landständischen Verfassungen begnügen, pflegt
man Oesterreich und Preußen zu stellen. Diesen Unterschied, der selbst in der Theorie —
(wer hat sie aufgestellt?) und nach dem Geiste der Bundcsconstitution, die keine andern
als landständische Verfassungen erkennt, nicht bestehen sollte, auf eine gehässige Weise hervor¬
zuheben, haben sich die heutigen Wortführer der revolutionären (?) Partei zur ganz eigenen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/567>, abgerufen am 01.09.2024.