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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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zwei "Salons" beim Casüw und dem Nedontengebäude besuchen, worin viele Da¬
men den heißen Athem mit Eis kühlen. Die beiden Salons sind ganz durchsich¬
tig und erlauben jedem Vorübergehenden so viel Blicke hineinzuwerfen, als ihm
nützlich scheinen. Den darin Sitzenden steht dafür gleiche Bequemlichkeit in Bezug
ans die Vorübergehenden zu Gebote. Mittlerweile ist die Thcaterzcit gekommen,
und verbringt man nun die eine Hälfte im deutschen, die andere Hälfte im Natio-
naltheater, so kann man sich dann mit dem süßen Bewußtsein zu Bette legen, die
ganze schöne Welt der Stadt gesehen zu haben und sich den reizendstell Träumen
überlasse". Diese herrliche Bildergallerie erhält nicht wenig Neiz dadurch, daß
die schönen Gemälde verschiedenen Malerschulen augehören. Ich meine die Ver¬
schiedenheit nationaler Abkunft, die sich durch deutliche Nüancen zu erkennen gibt,
obgleich alle diese Blumen unter der gleichen ungarischen Sonne sich aus den
Knospen entwickelten. Auch in seelischer Beziehung differiren die Nationalitäten:
die Deutsche ist spröder und treuer, die Magyarin. leicht gewonnen und verloren,
die Jüdin romantisch und anhänglich noch über die Phasen der Liebe hinaus.

Es ist gewiß nur Liebe zur freien Natur, welche so viele Schönen Pesth's in
die Sommerwohnungen der Ofncr Gebirge lockt: "Auf den Bergen wohnt die Freiheit."
Sie genießen da draußen die Freiheit um so unumschränkter, als die Herren Gemahle
selten mit hinausziehen, sondern ihren Geschäften und Passionen in der Stadt nachhängen.
Ein neuer Boccaz könnte hundert Romane in diesen Bergen spielen lassen und er
brauchte sie nicht erst zu erfinden. Die Hauptparthien dieser Gebirge haben ohne¬
hin die romantischen Namen: Anwinkel, die schöne Schäferin, Schwabenberg,
Jägerhof. Die Eroberungen des Winters lassen sich da draußen in schönem Frie¬
den genießen; wer aber noch nicht des Besitzes sicher ist, oder die Stadt nicht
verlassen kann, braucht die Schwefelbäder und den Brunnen des Kaiserbades.
Das ist aber auch wirklich eines der schönsten Bäder, die man sich denken kann.
In der Mitte eines viereckigen Gebäudes ist ein Hofraum mit einem Chiosk, um
den Hofraum läuft parterre und in der ersten Etage ein gedeckter Säulengang.
Auf diesen Gängen sind die Gäste in fortwährender Promenade, unten im Hof¬
raum greint unermüdlich eine Musikbande, jede halbe Stunde ertönt die Glocke,
die Ankunft eines der Dampfer anzeigend, welche die Verbindung zwischen den
beiden Donaustädten erhalten. Wenn man so aneinander vorübergeht, kann man
leicht verstandene Blicke tauschen, ein Briefchen sich zustecken, einige kurze aber
vielsagende Worte flüstern. Die Badedicner lassen sich auch gerne in's Vertrauen
ziehen, und in den Bädern unter dem Erdgeschoß, worin Personen verschiedenen
Geschlechtes den Segen der Thermen benutzen können, in den sogenannten Türken¬
bädern, geht es ziemlich türkisch einher. Die Türkenbäder entsprechen um so besser
ihren Zwecken, als sie in ein trauliches Halbdunkel gehüllt sind, welchem eine ster¬
bende Lampe schwärmerische Beleuchtung gibt.

Um die Göttin, der das Kaiserbad geweiht ist, noch deutlicher zu bezeichnen,


zwei „Salons" beim Casüw und dem Nedontengebäude besuchen, worin viele Da¬
men den heißen Athem mit Eis kühlen. Die beiden Salons sind ganz durchsich¬
tig und erlauben jedem Vorübergehenden so viel Blicke hineinzuwerfen, als ihm
nützlich scheinen. Den darin Sitzenden steht dafür gleiche Bequemlichkeit in Bezug
ans die Vorübergehenden zu Gebote. Mittlerweile ist die Thcaterzcit gekommen,
und verbringt man nun die eine Hälfte im deutschen, die andere Hälfte im Natio-
naltheater, so kann man sich dann mit dem süßen Bewußtsein zu Bette legen, die
ganze schöne Welt der Stadt gesehen zu haben und sich den reizendstell Träumen
überlasse». Diese herrliche Bildergallerie erhält nicht wenig Neiz dadurch, daß
die schönen Gemälde verschiedenen Malerschulen augehören. Ich meine die Ver¬
schiedenheit nationaler Abkunft, die sich durch deutliche Nüancen zu erkennen gibt,
obgleich alle diese Blumen unter der gleichen ungarischen Sonne sich aus den
Knospen entwickelten. Auch in seelischer Beziehung differiren die Nationalitäten:
die Deutsche ist spröder und treuer, die Magyarin. leicht gewonnen und verloren,
die Jüdin romantisch und anhänglich noch über die Phasen der Liebe hinaus.

Es ist gewiß nur Liebe zur freien Natur, welche so viele Schönen Pesth's in
die Sommerwohnungen der Ofncr Gebirge lockt: „Auf den Bergen wohnt die Freiheit."
Sie genießen da draußen die Freiheit um so unumschränkter, als die Herren Gemahle
selten mit hinausziehen, sondern ihren Geschäften und Passionen in der Stadt nachhängen.
Ein neuer Boccaz könnte hundert Romane in diesen Bergen spielen lassen und er
brauchte sie nicht erst zu erfinden. Die Hauptparthien dieser Gebirge haben ohne¬
hin die romantischen Namen: Anwinkel, die schöne Schäferin, Schwabenberg,
Jägerhof. Die Eroberungen des Winters lassen sich da draußen in schönem Frie¬
den genießen; wer aber noch nicht des Besitzes sicher ist, oder die Stadt nicht
verlassen kann, braucht die Schwefelbäder und den Brunnen des Kaiserbades.
Das ist aber auch wirklich eines der schönsten Bäder, die man sich denken kann.
In der Mitte eines viereckigen Gebäudes ist ein Hofraum mit einem Chiosk, um
den Hofraum läuft parterre und in der ersten Etage ein gedeckter Säulengang.
Auf diesen Gängen sind die Gäste in fortwährender Promenade, unten im Hof¬
raum greint unermüdlich eine Musikbande, jede halbe Stunde ertönt die Glocke,
die Ankunft eines der Dampfer anzeigend, welche die Verbindung zwischen den
beiden Donaustädten erhalten. Wenn man so aneinander vorübergeht, kann man
leicht verstandene Blicke tauschen, ein Briefchen sich zustecken, einige kurze aber
vielsagende Worte flüstern. Die Badedicner lassen sich auch gerne in's Vertrauen
ziehen, und in den Bädern unter dem Erdgeschoß, worin Personen verschiedenen
Geschlechtes den Segen der Thermen benutzen können, in den sogenannten Türken¬
bädern, geht es ziemlich türkisch einher. Die Türkenbäder entsprechen um so besser
ihren Zwecken, als sie in ein trauliches Halbdunkel gehüllt sind, welchem eine ster¬
bende Lampe schwärmerische Beleuchtung gibt.

Um die Göttin, der das Kaiserbad geweiht ist, noch deutlicher zu bezeichnen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/512>, abgerufen am 01.09.2024.