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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Natur. Die Frauen Ungarns urtheilen nicht so arg von denMännern, der Musik
und den Tänzen Ungarns, sie sind bei dieser Kost aufgezogen; aber das Weib
hat überall einen bildsamen Geschmack, einen seinen Instinkt, und besticht auch die
ausgesprochene Männlichkeit des Ungarn ihr Auge, vermag er im wilden Tanze
ihr Blut zu erhitzen, den Vorrang in ihrem Herz wird doch ein geistreicher und
galanter Ausländer dem schönsten Ungarn abgewinnen. Goethe's Lehrsatz

Geh' den Weibern zart entgegen.
Du gewinnst sie, auf mein Wort;
Doch wer keck ist und verwegen,
Kommet oft noch weiter fort.

bewährt sich im Süden so gut wie im Norden.

Junge Deutschen, die meinen Bemerkungen vertrauend nach Ungarn einwan¬
dern wollten, um da leichte Eroberungen zu machen, muß ich aufmerksam machen,
daß der Besitz einer ungarischen Schönheit mit bedeutenden Kosten verbunden ist,
es müßte denn sein, daß man sich mit der gefährlichen Rolle eines Hausfreundes
begnügen wollte. Die Pesther Damen wollen glänzend und vielfach unterhalten
sein, und lieben den Luxus, wie die Pariserin der Rue Lafitte und Faubourg Se.
Germain. Sie haben gerne einen Fiaker zur Disposition, wünschen sehnsüchtig
einen abvnnirten Sitz im Theater, entbehren nicht gerne eine Sommerwohnung in
den Ofner Gebirgen und haben tausend Augen für alle die prächtigen Erfindun¬
gen der Industrie, die in den herrlichen Kaufläden der "Waizuergasse" lockend
ausgestellt siud. Das Laster grübelnder Berechnung kennen sie nicht, diese liebens¬
würdigen Kinder; sie fragen wenig nach Hauptbuch und Strazza des Gemahls
und da geschieht es denn zuweilen, daß, während sie glänzen, die gefirnißte Firma
des Hauses erbleicht. Die dumpfe beengende Häuslichkeit ist diesen Töchtern freier
Natur auch nicht sehr erträglich. Selten dürfte man in einer andern Stadt die
schöne Welt so viel außer dem Hause sehen, wie in Pesth. Wenn man es gehö¬
rig austeilt, ist mau im Stande, sämmtliche Schönheiten der Stadt in einem Tage
Zu lorgnettiren. Leute, die nächsten Mai nach Pesth reisen wollen, will ich zu
dem Behuf eine Anleitung geben:

Morgens um neun Uhr fährt man ans einem der Dampfboote, die fortwäh-
rend zwischen Pesth und Ofen in Bewegung sind, in's "Kaiserbad", das hart am
Osner Donanufer liegt. Um eilf Uhr muß man wieder tu Pesth sein und flanirt
dann bis ein Uhr auf dem Trottoir der "Waiznergasse", Pesth's Nvbclstraße. Nach¬
mittag um vier Uhr fliegt man im Fiaker über die Brücke in die Osner Gebirge;
"uf dem Rückweg besucht man den Horvathgarten und das anstoßende Sommer¬
theater. Man muß aber im letzteren nicht allzu lange verweilen, deun gegen
sieben Uhr füllt sich die Donauzeile mit den reizendsten Spaziergängerinnen, welche
die Ankunft der Dampfer und der Reisenden betrachten, und nebenbei selbst be¬
trachtet werden wollen. Beim Gaug über die Douauzeile kann man zugleich die


Grenzvotm. III. Isi7. ß7

Natur. Die Frauen Ungarns urtheilen nicht so arg von denMännern, der Musik
und den Tänzen Ungarns, sie sind bei dieser Kost aufgezogen; aber das Weib
hat überall einen bildsamen Geschmack, einen seinen Instinkt, und besticht auch die
ausgesprochene Männlichkeit des Ungarn ihr Auge, vermag er im wilden Tanze
ihr Blut zu erhitzen, den Vorrang in ihrem Herz wird doch ein geistreicher und
galanter Ausländer dem schönsten Ungarn abgewinnen. Goethe's Lehrsatz

Geh' den Weibern zart entgegen.
Du gewinnst sie, auf mein Wort;
Doch wer keck ist und verwegen,
Kommet oft noch weiter fort.

bewährt sich im Süden so gut wie im Norden.

Junge Deutschen, die meinen Bemerkungen vertrauend nach Ungarn einwan¬
dern wollten, um da leichte Eroberungen zu machen, muß ich aufmerksam machen,
daß der Besitz einer ungarischen Schönheit mit bedeutenden Kosten verbunden ist,
es müßte denn sein, daß man sich mit der gefährlichen Rolle eines Hausfreundes
begnügen wollte. Die Pesther Damen wollen glänzend und vielfach unterhalten
sein, und lieben den Luxus, wie die Pariserin der Rue Lafitte und Faubourg Se.
Germain. Sie haben gerne einen Fiaker zur Disposition, wünschen sehnsüchtig
einen abvnnirten Sitz im Theater, entbehren nicht gerne eine Sommerwohnung in
den Ofner Gebirgen und haben tausend Augen für alle die prächtigen Erfindun¬
gen der Industrie, die in den herrlichen Kaufläden der „Waizuergasse" lockend
ausgestellt siud. Das Laster grübelnder Berechnung kennen sie nicht, diese liebens¬
würdigen Kinder; sie fragen wenig nach Hauptbuch und Strazza des Gemahls
und da geschieht es denn zuweilen, daß, während sie glänzen, die gefirnißte Firma
des Hauses erbleicht. Die dumpfe beengende Häuslichkeit ist diesen Töchtern freier
Natur auch nicht sehr erträglich. Selten dürfte man in einer andern Stadt die
schöne Welt so viel außer dem Hause sehen, wie in Pesth. Wenn man es gehö¬
rig austeilt, ist mau im Stande, sämmtliche Schönheiten der Stadt in einem Tage
Zu lorgnettiren. Leute, die nächsten Mai nach Pesth reisen wollen, will ich zu
dem Behuf eine Anleitung geben:

Morgens um neun Uhr fährt man ans einem der Dampfboote, die fortwäh-
rend zwischen Pesth und Ofen in Bewegung sind, in's „Kaiserbad", das hart am
Osner Donanufer liegt. Um eilf Uhr muß man wieder tu Pesth sein und flanirt
dann bis ein Uhr auf dem Trottoir der „Waiznergasse", Pesth's Nvbclstraße. Nach¬
mittag um vier Uhr fliegt man im Fiaker über die Brücke in die Osner Gebirge;
"uf dem Rückweg besucht man den Horvathgarten und das anstoßende Sommer¬
theater. Man muß aber im letzteren nicht allzu lange verweilen, deun gegen
sieben Uhr füllt sich die Donauzeile mit den reizendsten Spaziergängerinnen, welche
die Ankunft der Dampfer und der Reisenden betrachten, und nebenbei selbst be¬
trachtet werden wollen. Beim Gaug über die Douauzeile kann man zugleich die


Grenzvotm. III. Isi7. ß7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/511>, abgerufen am 01.09.2024.