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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Universität in der That beeinträchtigt hätte , sattelten sie zum großen Theil um,
und die Reden von Welcker und Hecker gefielen ihnen lange nicht mehr so wie
früher. Die Baden-Badener hingegen sind fast alle streng conservativ, da die
Aristokraten aller Länder das meiste Geld bei ihnen verzehren und auch die auf¬
geklärte liberale Partei in ganz Deutschland vernünftiger Weise für Aufhebung
der öffentlichen Banken zu wirken sucht.

Gegen das Ende des Semesters beginnt für 'die Gastwirthe, Handwerker
und Qnartiervermicther Heidelbergs, und es sind gar wenige Bürger daselbst, die
nicht zu einer dieser drei Klassen gehören, zwar eine angenehme, aber anch minder
drangvolle Zeit. Dann finden die Zahlungen der Rechnungen für Alles, was sie
den Studenten in dem ganzen halben Jahre auf "Pump" geliefert haben, statt,
und wenn dies Geldeiustrcicheu ihnen auch ein sehr erwünschtes Geschäft ist, so
gibt es doch leider der bösen Zahler gar viele, und es ist oft gar leichter,
Rechnungen auszuschreiben, als sie hernach honorirt zu erhalten. Zu ganzen
Hansen ist um jene Zeit das akademische Gericht von ungeduldigen Kreditoren
bestürmt, die alle Klagen gegen böse Schuldner vorbringen wollen, Treppauf,
Treppab rennen im Schweiß ihres Angesichts, wenigstens einiges baares Geld
M erpressen und müssen dabei oft leider statt der gehofften blanken Gulden
oder preußischen Thaler mit bloßen Schuldscheinen zurückkommen. Manche aber,
die besonders unsichere Schuldner haben, die gerne "s-ins nrou^v c""gi-"
die Stadt verlassen möchten, müssen Tag und Nacht ans den Beinen sein, ein
heimliches Dnrchbrennen zu verhüte". Und doch wie- oft wird ihre argusäugige
Schlauheit von den noch listigeren Studenten getäuscht; der frohe Gläubiger, der
am bestimmten Morgen bestellt, endlich sein Guthaben einkasstren zu können glaubt,
findet ein leeres Nest, denn der Schuldner ist weit über alle Berge ausgeflogen
und die zum Versatz zurückgelassenen schweren Koffer enthalten statt Kleider und
Bücher uur Mauersteine und Heu. Ja so ein armer "Philister" ist oft sehr zu
bedauern, der Student borgt ihm sein Geld ab, setzt ihm vielleicht noch Hörner
dazu auf oder macht ihn zum unwilligen Großvater und behandelt ihn dazu noch
hochmüthig und auf alle Weise verspottend. Nun sie wissen sich dagegen wieder
auf andere Weise schadlos zu halten und kommen doch selten dabei zu kurz.

Wie das Leben und Treiben der Einwohner beider Städte ziemlich verschic¬
kn ist, so auch die äußere Physiognomie ihrer Straße". In Baden sind fast
alle Läden mit Lnzusgegcnständcn der Toilette angefüllt. Man sieht hinter den
Meisten Ladenfenstern oder in deu Boutiken reiche Stoffe, bunte Bänder, zierliche
^vrsetsz kurz elegante Sachen des Luxus und der Mode für Damen wie Herren.
Alles ist fast nur aus äußern Glanz berechnet, der wirkliche solide Bedarf nur
wenig berücksichtigt. Die Schuster haben fast nur lackirte Stiefel vorräthig, Gla-
ceehandschnhe findet man mehr als waschlederne, zierliche Hüte mehr als zweckmä¬
ßige Mützen. Die Buchläden sind fast nur mit französischen Romanen, englischen


Universität in der That beeinträchtigt hätte , sattelten sie zum großen Theil um,
und die Reden von Welcker und Hecker gefielen ihnen lange nicht mehr so wie
früher. Die Baden-Badener hingegen sind fast alle streng conservativ, da die
Aristokraten aller Länder das meiste Geld bei ihnen verzehren und auch die auf¬
geklärte liberale Partei in ganz Deutschland vernünftiger Weise für Aufhebung
der öffentlichen Banken zu wirken sucht.

Gegen das Ende des Semesters beginnt für 'die Gastwirthe, Handwerker
und Qnartiervermicther Heidelbergs, und es sind gar wenige Bürger daselbst, die
nicht zu einer dieser drei Klassen gehören, zwar eine angenehme, aber anch minder
drangvolle Zeit. Dann finden die Zahlungen der Rechnungen für Alles, was sie
den Studenten in dem ganzen halben Jahre auf „Pump" geliefert haben, statt,
und wenn dies Geldeiustrcicheu ihnen auch ein sehr erwünschtes Geschäft ist, so
gibt es doch leider der bösen Zahler gar viele, und es ist oft gar leichter,
Rechnungen auszuschreiben, als sie hernach honorirt zu erhalten. Zu ganzen
Hansen ist um jene Zeit das akademische Gericht von ungeduldigen Kreditoren
bestürmt, die alle Klagen gegen böse Schuldner vorbringen wollen, Treppauf,
Treppab rennen im Schweiß ihres Angesichts, wenigstens einiges baares Geld
M erpressen und müssen dabei oft leider statt der gehofften blanken Gulden
oder preußischen Thaler mit bloßen Schuldscheinen zurückkommen. Manche aber,
die besonders unsichere Schuldner haben, die gerne „s-ins nrou^v c»»gi-"
die Stadt verlassen möchten, müssen Tag und Nacht ans den Beinen sein, ein
heimliches Dnrchbrennen zu verhüte». Und doch wie- oft wird ihre argusäugige
Schlauheit von den noch listigeren Studenten getäuscht; der frohe Gläubiger, der
am bestimmten Morgen bestellt, endlich sein Guthaben einkasstren zu können glaubt,
findet ein leeres Nest, denn der Schuldner ist weit über alle Berge ausgeflogen
und die zum Versatz zurückgelassenen schweren Koffer enthalten statt Kleider und
Bücher uur Mauersteine und Heu. Ja so ein armer „Philister" ist oft sehr zu
bedauern, der Student borgt ihm sein Geld ab, setzt ihm vielleicht noch Hörner
dazu auf oder macht ihn zum unwilligen Großvater und behandelt ihn dazu noch
hochmüthig und auf alle Weise verspottend. Nun sie wissen sich dagegen wieder
auf andere Weise schadlos zu halten und kommen doch selten dabei zu kurz.

Wie das Leben und Treiben der Einwohner beider Städte ziemlich verschic¬
kn ist, so auch die äußere Physiognomie ihrer Straße». In Baden sind fast
alle Läden mit Lnzusgegcnständcn der Toilette angefüllt. Man sieht hinter den
Meisten Ladenfenstern oder in deu Boutiken reiche Stoffe, bunte Bänder, zierliche
^vrsetsz kurz elegante Sachen des Luxus und der Mode für Damen wie Herren.
Alles ist fast nur aus äußern Glanz berechnet, der wirkliche solide Bedarf nur
wenig berücksichtigt. Die Schuster haben fast nur lackirte Stiefel vorräthig, Gla-
ceehandschnhe findet man mehr als waschlederne, zierliche Hüte mehr als zweckmä¬
ßige Mützen. Die Buchläden sind fast nur mit französischen Romanen, englischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/479>, abgerufen am 28.07.2024.