Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.Und hierin liegt denn wieder in gewisser Beziehung die Bürgschaft, Die Unzufriedenheit ist groß, die Entrüstung aller edeln Naturen in So lange diese Stimmung herrscht, so lauge sie das Nuder führt, wird I. Und hierin liegt denn wieder in gewisser Beziehung die Bürgschaft, Die Unzufriedenheit ist groß, die Entrüstung aller edeln Naturen in So lange diese Stimmung herrscht, so lauge sie das Nuder führt, wird I. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184526"/> <p xml:id="ID_1275"> Und hierin liegt denn wieder in gewisser Beziehung die Bürgschaft,<lb/> daß ihre Anklage keinen sonderlichen Erfolg haben wird. Jeder verständige<lb/> Mann sagt: „Es ist Unsinn die höhere Gesellschaft in Masse des Mordes<lb/> der Herzogin v. Praun wegen anzuklagen." Und wo die Anklage nicht auf<lb/> das Privatverbrechcu gerichtet ist, sagt dann die Menge der denkenden Leute<lb/> wieder: „Sind denn die Gegner der Regierung besser, würden sie anders<lb/> handeln, haben wir sie nicht Alle, die Republikaner, die Napoleonisten, die<lb/> Legitimisten, die Oppositionslcute, am Werte gesehen, und waren sie etwa<lb/> ehrlicher in der Wahl der Mittel, gewissenhafter den Menschen und den<lb/> Dingen gegenüber?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1276"> Die Unzufriedenheit ist groß, die Entrüstung aller edeln Naturen in<lb/> Frankreich ist auf eine Gefahr drohende Weise gesteigert. Man kann nicht<lb/> mehr dafür bürgen, daß ans dieser Stimmung nicht am Ende dennoch wie¬<lb/> der ein Umschwung der Dinge hervorgehen kann. Aber leider ist kaum zu<lb/> hoffen, daß dieser Umschwung zum Bessern führen werde, und zwar ans<lb/> dem einfachen Grunde, weil der Gedanke, der heute die französische Regie¬<lb/> rung leitet, der Gedanke, daß Ehre und Redlichkeit in der Politik nur<lb/> gleichbedeutend sind mit Dummheit und Einfalt, — practisch durch Voltaire<lb/> und seine Propheten und Apostel in Fleisch und Blut des ganzen französi¬<lb/> schen Volkes, aller Parteien ohne Ausnahme, übergegangen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1277"> So lange diese Stimmung herrscht, so lauge sie das Nuder führt, wird<lb/> Frankreich nicht in eine andere Bahn kommen, ob nun die Republik, kaiser¬<lb/> liche Herrlichkeit, legitimistische Nationalität oder bürgerfreundlicher Cinismus<lb/> die Lenkung übernehmen. Rettung ist hier »ur möglich, wenn man wieder<lb/> begreifen lernt, daß Ehrlichkeit nud Gewissenhaftigkeit sich nicht theilen lassen,<lb/> und daß, wo die Politik zu Betrug und List ihre Zuflucht nimmt, auch im<lb/> gesellschaftlichen Leben Betrug und List sich an die Oberfläche drängen wer¬<lb/> den und müssen.</p><lb/> <note type="byline"> I.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
Und hierin liegt denn wieder in gewisser Beziehung die Bürgschaft,
daß ihre Anklage keinen sonderlichen Erfolg haben wird. Jeder verständige
Mann sagt: „Es ist Unsinn die höhere Gesellschaft in Masse des Mordes
der Herzogin v. Praun wegen anzuklagen." Und wo die Anklage nicht auf
das Privatverbrechcu gerichtet ist, sagt dann die Menge der denkenden Leute
wieder: „Sind denn die Gegner der Regierung besser, würden sie anders
handeln, haben wir sie nicht Alle, die Republikaner, die Napoleonisten, die
Legitimisten, die Oppositionslcute, am Werte gesehen, und waren sie etwa
ehrlicher in der Wahl der Mittel, gewissenhafter den Menschen und den
Dingen gegenüber?"
Die Unzufriedenheit ist groß, die Entrüstung aller edeln Naturen in
Frankreich ist auf eine Gefahr drohende Weise gesteigert. Man kann nicht
mehr dafür bürgen, daß ans dieser Stimmung nicht am Ende dennoch wie¬
der ein Umschwung der Dinge hervorgehen kann. Aber leider ist kaum zu
hoffen, daß dieser Umschwung zum Bessern führen werde, und zwar ans
dem einfachen Grunde, weil der Gedanke, der heute die französische Regie¬
rung leitet, der Gedanke, daß Ehre und Redlichkeit in der Politik nur
gleichbedeutend sind mit Dummheit und Einfalt, — practisch durch Voltaire
und seine Propheten und Apostel in Fleisch und Blut des ganzen französi¬
schen Volkes, aller Parteien ohne Ausnahme, übergegangen ist.
So lange diese Stimmung herrscht, so lauge sie das Nuder führt, wird
Frankreich nicht in eine andere Bahn kommen, ob nun die Republik, kaiser¬
liche Herrlichkeit, legitimistische Nationalität oder bürgerfreundlicher Cinismus
die Lenkung übernehmen. Rettung ist hier »ur möglich, wenn man wieder
begreifen lernt, daß Ehrlichkeit nud Gewissenhaftigkeit sich nicht theilen lassen,
und daß, wo die Politik zu Betrug und List ihre Zuflucht nimmt, auch im
gesellschaftlichen Leben Betrug und List sich an die Oberfläche drängen wer¬
den und müssen.
I.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |