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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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dung seines Geldes gehabt? -- A. Das beruhte rein ans der Ehrlichkeit
eines Individuums. Ich hatte keine andere Garantie als sein Wort, und
er hat mir nie in irgend einer Weise Rechnung gelegt. -- F. Haben Sie
persönlich davon Kenntniß genommen, daß das Geld für Stimmen zu Ihren
Gunsten ausgegeben wurde? -- A. Gewiß uicht.

Bei der Wahl von Harwich, an der 182 Wähler Theil nahmen, haben
zwei Kandidaten mehr als 0000 Pfd. Se. ausgegeben, ohne zu rechnen,
was es ihren Mitbewerbern gekostet hat. Der Bericht der Commission sagt:

"Der größte Theil der Wähler ist erkauft. Die Kandidaten erklären
feierlich, daß sie weder vor noch wahrend der Wahl irgend welche Kenntniß
von einem Act der Bestechung gehabt haben."

Diese eigenthümlichen Entdeckungen erregen in England viel mehr Neu-
gierde als Scandal; im Parlament selbst wetteifert Alles, seinen Abscheu
vor der Bestechung auszudrücken, außerhalb desselben, in den Clubs, in
den Privatuntcrhaltnngcn amüsirt man sich darüber.

Von den beiden Mitteln des Einflusses, welchen die Reichen bei den
Armen ausüben, gehört die Einschüchterung mehr der aristokratischen, die
Bestechung mehr der liberalen Partei an. Die Einschüchterung wird nament¬
lich bei den ackerbauenden Classen ausgeübt, denn ans dem Lande hat die
Aristokratie ihre Wurzeln. Die Bestechung dagegen hat ihren Sitz in den
großen Städten, und ist namentlich unter der industriellen Klasse üblich; es
ist die Waffe der durch Speculation reich gewordenen Männer. Das Eine
ist die natürliche Ausstattung des erblichen und aristokratische" Eigenthums,
das andere gehört dem beweglichen und demokratischen Vermögen an.

Die Aristokratie gebraucht die Einschüchterung wie die Bestechung nur
als Desensivmittcl, denn sie hat den Besitz für sich. Der große Eigenthü¬
mer übt eine natürliche Schntzherrschaft über seine Pächter aus; sein Einfluß
liegt in der Natur der Sache, und er mißbraucht denselben nnr, wenn er
durch einen fremden Einfluß angefochten wird. Die Bestechung ist durchaus
das Mittel "neuer Menschen," und der liberalen Partei gebührt darin die
Initiative. Man hat daran erinnert, daß Walpole bei den Wahlen von
1727 250,000 Pfd. Se. geheimer Fonds verwendet hat. Als man ihm
diesen Mißbrauch der Gewalt vorwarf, erklärte er ohne Bedenken, daß es
nöthig sei, den Einfluß der Aristokratie durch die Bestechung zu paralysiren.
Jedesmal, daß sich ein "neuer Mensch," der Sohn seiner Thaten, erhebt,
findet er seinen Platz in der Sonne durch einen erblichen Besitzer eingenom¬
men, und hat keine andere Hülfsquelle als die, den Einfluß der Tradition
den Einfluß des Vermögens entgegenzusetzen.


dung seines Geldes gehabt? — A. Das beruhte rein ans der Ehrlichkeit
eines Individuums. Ich hatte keine andere Garantie als sein Wort, und
er hat mir nie in irgend einer Weise Rechnung gelegt. — F. Haben Sie
persönlich davon Kenntniß genommen, daß das Geld für Stimmen zu Ihren
Gunsten ausgegeben wurde? — A. Gewiß uicht.

Bei der Wahl von Harwich, an der 182 Wähler Theil nahmen, haben
zwei Kandidaten mehr als 0000 Pfd. Se. ausgegeben, ohne zu rechnen,
was es ihren Mitbewerbern gekostet hat. Der Bericht der Commission sagt:

„Der größte Theil der Wähler ist erkauft. Die Kandidaten erklären
feierlich, daß sie weder vor noch wahrend der Wahl irgend welche Kenntniß
von einem Act der Bestechung gehabt haben."

Diese eigenthümlichen Entdeckungen erregen in England viel mehr Neu-
gierde als Scandal; im Parlament selbst wetteifert Alles, seinen Abscheu
vor der Bestechung auszudrücken, außerhalb desselben, in den Clubs, in
den Privatuntcrhaltnngcn amüsirt man sich darüber.

Von den beiden Mitteln des Einflusses, welchen die Reichen bei den
Armen ausüben, gehört die Einschüchterung mehr der aristokratischen, die
Bestechung mehr der liberalen Partei an. Die Einschüchterung wird nament¬
lich bei den ackerbauenden Classen ausgeübt, denn ans dem Lande hat die
Aristokratie ihre Wurzeln. Die Bestechung dagegen hat ihren Sitz in den
großen Städten, und ist namentlich unter der industriellen Klasse üblich; es
ist die Waffe der durch Speculation reich gewordenen Männer. Das Eine
ist die natürliche Ausstattung des erblichen und aristokratische» Eigenthums,
das andere gehört dem beweglichen und demokratischen Vermögen an.

Die Aristokratie gebraucht die Einschüchterung wie die Bestechung nur
als Desensivmittcl, denn sie hat den Besitz für sich. Der große Eigenthü¬
mer übt eine natürliche Schntzherrschaft über seine Pächter aus; sein Einfluß
liegt in der Natur der Sache, und er mißbraucht denselben nnr, wenn er
durch einen fremden Einfluß angefochten wird. Die Bestechung ist durchaus
das Mittel „neuer Menschen," und der liberalen Partei gebührt darin die
Initiative. Man hat daran erinnert, daß Walpole bei den Wahlen von
1727 250,000 Pfd. Se. geheimer Fonds verwendet hat. Als man ihm
diesen Mißbrauch der Gewalt vorwarf, erklärte er ohne Bedenken, daß es
nöthig sei, den Einfluß der Aristokratie durch die Bestechung zu paralysiren.
Jedesmal, daß sich ein „neuer Mensch," der Sohn seiner Thaten, erhebt,
findet er seinen Platz in der Sonne durch einen erblichen Besitzer eingenom¬
men, und hat keine andere Hülfsquelle als die, den Einfluß der Tradition
den Einfluß des Vermögens entgegenzusetzen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/326>, abgerufen am 28.07.2024.