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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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wcrflich; aber um zu zeigen, wie weit es gekommen war, will ich das Weitere
erzählen. Am Tage der Ernennung ging ich zur Börse, Arm in Arm mit
Lord Rancliffe; ein Mensch drängte sich durch die Menge, um uus einen
Schlag zu geben, und da ich der Größere war, so traf er mich. Einer
unserer Freunde warf diesen Menschen zur Erde, wurde seinerseits hinge¬
worfen, und die Schlacht ging los. -- Ich hatte ungeheure Unkosten. Da
mein Mitbewerber (Walter) ans die Presse Einfluß hat, so schickte er von
London nach Nottingham Journalisten, die ausdrücklich gegen mich ein Jour¬
nal zu Stande brachten; ich sah mich nun genöthigt, diesem gegenüber ein
anderes zu gründen, ein höchst kostspieliges Unternehmen."

Die "Lämmer" in Nottingham waren in sieben Districte getheilt, jedes
unter einem Ausschuß, die alle wieder unter einem Generalansschuß standen. Aber
wenn man sie vorausbezahlte, so hielten sie nicht immer Wort, sondern ließen
sich ein zweites Mal von der Gegenpartei kaufen. Dieser Verkauf wurde am
hellen Tage betrieben, und der Bericht der Commission strömt über von
derartigen Beispielen. Ein Agent der Whig-Kandidaten macht folgende
Aussage:

"Die Wähler sagten ohne zu zögern: Ohne Geld stimmen wir nicht; und
ihre einzige Frage war: wieviel geben Sie? Sie waren so entschieden sich
bezahlen zu lassen, daß sie in vielen Fällen das Geld voraus verlangten. --
Gern will ich diese Verkäuflichkeit der zunehmenden Armuth und dem Man¬
gel an politischer Gesinnung zuschreiben. Viele sagten: Was geht uns die
Politik an! das haben die Whigs mit den Tories auszumachen, keiner von
beiden wird etwas für uns thun." --

F. Wissen Sie einige Details über das System der Bestechung? --
A. Es ist kein besonderes System; die Vvtircnden sahen die Sache als
ganz natürlich an und dachten dabei an nichts Schlimmes. ....

Solchen Thatsachen gegenüber ist nichts spaßhafter als die unschuldige,
lammhaste Miene, welche die Kandidaten annehmen. Wenn man sie hört, so
wissen sie uicht, wovon man redet; sie haben wohl in Büchern und Tage¬
blättern gelesen, daß hie und da etwas vorkommt, was nach Bestechung
aussieht, aber sie selber waschen sich die Hände; ans sie hat es keine Be¬
ziehung, es ist die Sache ihrer Freunde. Können sie es denn verhindern,
daß ihre Freunde ans zu großem Eifer für ihre Sache über das Maaß
hinausgehen? Ohne Zweifel geben sie einige Tausend Goldstücke, aber sie
selber wissen nicht, was man damit macht, mit solchen Miseren beschäftigen
sie sich uicht.

Man fragte Sir John Hobhonsen, welche Garantie er für die Verwen-


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wcrflich; aber um zu zeigen, wie weit es gekommen war, will ich das Weitere
erzählen. Am Tage der Ernennung ging ich zur Börse, Arm in Arm mit
Lord Rancliffe; ein Mensch drängte sich durch die Menge, um uus einen
Schlag zu geben, und da ich der Größere war, so traf er mich. Einer
unserer Freunde warf diesen Menschen zur Erde, wurde seinerseits hinge¬
worfen, und die Schlacht ging los. — Ich hatte ungeheure Unkosten. Da
mein Mitbewerber (Walter) ans die Presse Einfluß hat, so schickte er von
London nach Nottingham Journalisten, die ausdrücklich gegen mich ein Jour¬
nal zu Stande brachten; ich sah mich nun genöthigt, diesem gegenüber ein
anderes zu gründen, ein höchst kostspieliges Unternehmen."

Die „Lämmer" in Nottingham waren in sieben Districte getheilt, jedes
unter einem Ausschuß, die alle wieder unter einem Generalansschuß standen. Aber
wenn man sie vorausbezahlte, so hielten sie nicht immer Wort, sondern ließen
sich ein zweites Mal von der Gegenpartei kaufen. Dieser Verkauf wurde am
hellen Tage betrieben, und der Bericht der Commission strömt über von
derartigen Beispielen. Ein Agent der Whig-Kandidaten macht folgende
Aussage:

„Die Wähler sagten ohne zu zögern: Ohne Geld stimmen wir nicht; und
ihre einzige Frage war: wieviel geben Sie? Sie waren so entschieden sich
bezahlen zu lassen, daß sie in vielen Fällen das Geld voraus verlangten. —
Gern will ich diese Verkäuflichkeit der zunehmenden Armuth und dem Man¬
gel an politischer Gesinnung zuschreiben. Viele sagten: Was geht uns die
Politik an! das haben die Whigs mit den Tories auszumachen, keiner von
beiden wird etwas für uns thun." —

F. Wissen Sie einige Details über das System der Bestechung? —
A. Es ist kein besonderes System; die Vvtircnden sahen die Sache als
ganz natürlich an und dachten dabei an nichts Schlimmes. ....

Solchen Thatsachen gegenüber ist nichts spaßhafter als die unschuldige,
lammhaste Miene, welche die Kandidaten annehmen. Wenn man sie hört, so
wissen sie uicht, wovon man redet; sie haben wohl in Büchern und Tage¬
blättern gelesen, daß hie und da etwas vorkommt, was nach Bestechung
aussieht, aber sie selber waschen sich die Hände; ans sie hat es keine Be¬
ziehung, es ist die Sache ihrer Freunde. Können sie es denn verhindern,
daß ihre Freunde ans zu großem Eifer für ihre Sache über das Maaß
hinausgehen? Ohne Zweifel geben sie einige Tausend Goldstücke, aber sie
selber wissen nicht, was man damit macht, mit solchen Miseren beschäftigen
sie sich uicht.

Man fragte Sir John Hobhonsen, welche Garantie er für die Verwen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/325>, abgerufen am 28.07.2024.