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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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klaren Detailübersicht zu gelangen. In Oesterreich sind diese Schwierigkeiten
zu gehäuft, um sie ohne tiefe Geschästseinwcihung, welche nur durch eine
langjährige Dienstleistung erstrebt wird, bewältigen zu können. -- Oesterrei¬
chische Reichsstände würden Mitregenten mit vorherrschender provinzieller
Schattirung bilden. Die Sonderintcresscn der Provinzen traten so sehr in den
Vordergrund, daß die Zwecke der allgemeinen Wohlfahrt davon unfehlbar
eine Verkürzung erführen. Oesterreich will von einem Einzigen regiert sein,
der, über den Parteien stehend, kein anderes Ziel, als die allgemeine Wohl¬
fahrt vor Augen hat, und mit dieser die eigenthümliche Jnteressencomplica-
tivn der einzelnen Länder weise vereinbart. Die Reichsstände würden sich
als eben so viel Theilhaber der Regierungsgewalt darstellen, als es Natio¬
nalitäten in Oesterreich gibt, und zwar mit einer Vertretung der letztern, wo¬
bei von den fremden Elementen Gefahr für das deutsche heraussieht. Nächst¬
em kommt die Rang- und Geldmacht der Aristokratie in Betracht, die mit
ihren ungeheuern Mitteln nicht uur einen schädlichen Einfluß auf die Wah¬
len ausüben, sondern auch alles aufbieten würde, sich ein c"rporatives Ueber¬
gewicht in deu Versammlungen zu verschaffen. -- Es bedarf ebeu keines Be¬
weises, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß der Nutzen, den das stän¬
dische Wesen jedem einzelnen Landesthcil gewährt, intensiver und vielseitiger
als die constitutionelle Vertretung ist, theils weil jenes bedingt, vom Allge¬
meinen zum Besonderen herabzusteigen, theils weil Landstände mehr im Ge¬
biet der Interessen, Reichsstände mehr in dem der Meinungen streben und
schaffen. So können wir denn schließen, daß es bei der Fortdauer der Pro-
vinzialstände unter vorauszusetzender Erweiterung ihrer Verfassung verbleibe,
von der Repräsentativverfassung aber gänzlich möge abgesehen werden." --
"Es kann sich fügen, daß die Repräseutativstaatcn, wenn sie einst ein reife¬
res Alter erreicht haben werden, von der Monarchie im Fortschritt überholt
erscheinen, denn eine getheilte und zwiespältige Negierung wird retrvgrad
durch Störungen und Zeitverluste. Gewährt die Monarchie nur die unbe¬
dingt nöthigen Bürgschaften bürgerlicher Freiheit, entäußert sie sich der All¬
gewalt und der Vielrcgiererei im Corporationswescn, und gönnt sie dem
Volk mittelbarem Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten, dann kommt
man mit der Monarchie zuverlässig weiter als mit der repräsentativen Ver¬
fassung*)." -- "Von den unbefriedigten Ansprüchen in Beziehung auf die Ver-



*) Der Verfasser irrt, indem er seine Sätze zu allgemein hinstellt; für Oesterreich
aber möchte ihm wohl jeder Recht geben, der das Fortbestehen dieses Reiches wünscht.

klaren Detailübersicht zu gelangen. In Oesterreich sind diese Schwierigkeiten
zu gehäuft, um sie ohne tiefe Geschästseinwcihung, welche nur durch eine
langjährige Dienstleistung erstrebt wird, bewältigen zu können. — Oesterrei¬
chische Reichsstände würden Mitregenten mit vorherrschender provinzieller
Schattirung bilden. Die Sonderintcresscn der Provinzen traten so sehr in den
Vordergrund, daß die Zwecke der allgemeinen Wohlfahrt davon unfehlbar
eine Verkürzung erführen. Oesterreich will von einem Einzigen regiert sein,
der, über den Parteien stehend, kein anderes Ziel, als die allgemeine Wohl¬
fahrt vor Augen hat, und mit dieser die eigenthümliche Jnteressencomplica-
tivn der einzelnen Länder weise vereinbart. Die Reichsstände würden sich
als eben so viel Theilhaber der Regierungsgewalt darstellen, als es Natio¬
nalitäten in Oesterreich gibt, und zwar mit einer Vertretung der letztern, wo¬
bei von den fremden Elementen Gefahr für das deutsche heraussieht. Nächst¬
em kommt die Rang- und Geldmacht der Aristokratie in Betracht, die mit
ihren ungeheuern Mitteln nicht uur einen schädlichen Einfluß auf die Wah¬
len ausüben, sondern auch alles aufbieten würde, sich ein c»rporatives Ueber¬
gewicht in deu Versammlungen zu verschaffen. — Es bedarf ebeu keines Be¬
weises, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß der Nutzen, den das stän¬
dische Wesen jedem einzelnen Landesthcil gewährt, intensiver und vielseitiger
als die constitutionelle Vertretung ist, theils weil jenes bedingt, vom Allge¬
meinen zum Besonderen herabzusteigen, theils weil Landstände mehr im Ge¬
biet der Interessen, Reichsstände mehr in dem der Meinungen streben und
schaffen. So können wir denn schließen, daß es bei der Fortdauer der Pro-
vinzialstände unter vorauszusetzender Erweiterung ihrer Verfassung verbleibe,
von der Repräsentativverfassung aber gänzlich möge abgesehen werden." —
„Es kann sich fügen, daß die Repräseutativstaatcn, wenn sie einst ein reife¬
res Alter erreicht haben werden, von der Monarchie im Fortschritt überholt
erscheinen, denn eine getheilte und zwiespältige Negierung wird retrvgrad
durch Störungen und Zeitverluste. Gewährt die Monarchie nur die unbe¬
dingt nöthigen Bürgschaften bürgerlicher Freiheit, entäußert sie sich der All¬
gewalt und der Vielrcgiererei im Corporationswescn, und gönnt sie dem
Volk mittelbarem Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten, dann kommt
man mit der Monarchie zuverlässig weiter als mit der repräsentativen Ver¬
fassung*)." — „Von den unbefriedigten Ansprüchen in Beziehung auf die Ver-



*) Der Verfasser irrt, indem er seine Sätze zu allgemein hinstellt; für Oesterreich
aber möchte ihm wohl jeder Recht geben, der das Fortbestehen dieses Reiches wünscht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/27>, abgerufen am 01.09.2024.