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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Herren- und Ritterstande in allen Provinzen, wo das Institut der Land¬
stände besteht, gleiche Vertretungsrechte mit der hienach zu bestimmenden
gleichen Anzahl von Deputirten, deren Wahl völlig freigegeben ist und durch
Gemeiudeausschüsse geschieht. Die Wahl der Abgeordneten ist nicht auf Le¬
benszeit, sondern nur auf drei Jahr gültig. In jenen Ländern, welche der
ständischen Verfassung zur Zeit noch entbehren, wird sie hergestellt. In allen
Provinzen werden die Landstände gleichförmig organisirt; ihr Wirkungskreis
umfaßt alle Angelegenheiten der Provinz, welche sie vertreten, ist aber auf
diese beschränkt. Auf die Bedenken und Vorstellungen, welche gegen die
Postulate von den Ständen erhoben werden, ertheilt die Regierung einen
motivirten Bescheid, und gestattet, daß die ständischen Verhandlungen durch
die öffentlichen Blätter zur Kenntniß des Publikums gelangen. Das Recht
der Stände in der Stenerfrage Einsprache zu thun, ist in der Verfassung
gegründet, dagegen gestattet diese weder das Recht der Selbstbesteuerung,
uoch das der Steuerverweigerung. Die Negierung eines ans so viel ver¬
schiedenartigen Bestandtheilen zusammengesetzten Staats, in welchem sich die
Interessen mannigfach kreuzen, erführe von einer Gebundenheit des Be¬
steuerungsrechts eine, die Verwaltung dieses großen Körpers unmöglich ma¬
chende Hemmung." -- "Die Einführung einer wirklich constitutionellen Ver-
fassung dagegen wäre für Oesterreich nicht zum Heil. Oesterreich zerfällt
in viele fremdartige, uicht durch ein gemeinsames Band der Nationalität
und Sprache, sondern blos durch das historische Recht und die monarchische
Einheitsidee zusammengehaltene Bestandtheile. Die Repräsentativverfassung
hebt jenes auf, indem sie der bestehenden ältern Ordnung eine neue ab-
stracte Nechtsgruudlage gibt, und zerstört zugleich deu Begriff vom Zu¬
sammenfluß aller staatlichen Ausstrahlungen im Brennpunkt der obersten Macht¬
vollkommenheit. Wenn aber Oesterreich die historischen Rechtsansprüche, un¬
ter welchen es die einzelnen Bestandtheile erworben und mit dem Stamm¬
lande zu einem Gesammtkörper vereinigt hat, durch eine Vcrfassungsabände-
ruug aufgäbe, so würde der Besitz der verschiedenen Länder, woraus es zu¬
sammengesetzt ist, blos noch auf der Basis der Gewalt beruhen, derjenigen
rechtlichen Garantien hingegen gänzlich entbehren, wodurch der österreichische
Staatenverein bisher verbunden, anerkannt und gesichert war. -- So gewiß
ferner die Abgeordneten des Reichstages nicht im Stande sind, die Bedin¬
gungen einzusehen, wovon die Redaction eines allgemeinen Gesetzes abhängig
gemacht ist, eben so gewiß reichen bei der Mehrzahl derselben die Kräfte,
selbst durch den Gebrauch aller von der Bureaukratie gebotenen Hülfsmittel
nicht hin, um zu der für eine untrügliche Urtheilsschöpfnng unerläßlichen


Herren- und Ritterstande in allen Provinzen, wo das Institut der Land¬
stände besteht, gleiche Vertretungsrechte mit der hienach zu bestimmenden
gleichen Anzahl von Deputirten, deren Wahl völlig freigegeben ist und durch
Gemeiudeausschüsse geschieht. Die Wahl der Abgeordneten ist nicht auf Le¬
benszeit, sondern nur auf drei Jahr gültig. In jenen Ländern, welche der
ständischen Verfassung zur Zeit noch entbehren, wird sie hergestellt. In allen
Provinzen werden die Landstände gleichförmig organisirt; ihr Wirkungskreis
umfaßt alle Angelegenheiten der Provinz, welche sie vertreten, ist aber auf
diese beschränkt. Auf die Bedenken und Vorstellungen, welche gegen die
Postulate von den Ständen erhoben werden, ertheilt die Regierung einen
motivirten Bescheid, und gestattet, daß die ständischen Verhandlungen durch
die öffentlichen Blätter zur Kenntniß des Publikums gelangen. Das Recht
der Stände in der Stenerfrage Einsprache zu thun, ist in der Verfassung
gegründet, dagegen gestattet diese weder das Recht der Selbstbesteuerung,
uoch das der Steuerverweigerung. Die Negierung eines ans so viel ver¬
schiedenartigen Bestandtheilen zusammengesetzten Staats, in welchem sich die
Interessen mannigfach kreuzen, erführe von einer Gebundenheit des Be¬
steuerungsrechts eine, die Verwaltung dieses großen Körpers unmöglich ma¬
chende Hemmung." — „Die Einführung einer wirklich constitutionellen Ver-
fassung dagegen wäre für Oesterreich nicht zum Heil. Oesterreich zerfällt
in viele fremdartige, uicht durch ein gemeinsames Band der Nationalität
und Sprache, sondern blos durch das historische Recht und die monarchische
Einheitsidee zusammengehaltene Bestandtheile. Die Repräsentativverfassung
hebt jenes auf, indem sie der bestehenden ältern Ordnung eine neue ab-
stracte Nechtsgruudlage gibt, und zerstört zugleich deu Begriff vom Zu¬
sammenfluß aller staatlichen Ausstrahlungen im Brennpunkt der obersten Macht¬
vollkommenheit. Wenn aber Oesterreich die historischen Rechtsansprüche, un¬
ter welchen es die einzelnen Bestandtheile erworben und mit dem Stamm¬
lande zu einem Gesammtkörper vereinigt hat, durch eine Vcrfassungsabände-
ruug aufgäbe, so würde der Besitz der verschiedenen Länder, woraus es zu¬
sammengesetzt ist, blos noch auf der Basis der Gewalt beruhen, derjenigen
rechtlichen Garantien hingegen gänzlich entbehren, wodurch der österreichische
Staatenverein bisher verbunden, anerkannt und gesichert war. — So gewiß
ferner die Abgeordneten des Reichstages nicht im Stande sind, die Bedin¬
gungen einzusehen, wovon die Redaction eines allgemeinen Gesetzes abhängig
gemacht ist, eben so gewiß reichen bei der Mehrzahl derselben die Kräfte,
selbst durch den Gebrauch aller von der Bureaukratie gebotenen Hülfsmittel
nicht hin, um zu der für eine untrügliche Urtheilsschöpfnng unerläßlichen


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[0026] Herren- und Ritterstande in allen Provinzen, wo das Institut der Land¬ stände besteht, gleiche Vertretungsrechte mit der hienach zu bestimmenden gleichen Anzahl von Deputirten, deren Wahl völlig freigegeben ist und durch Gemeiudeausschüsse geschieht. Die Wahl der Abgeordneten ist nicht auf Le¬ benszeit, sondern nur auf drei Jahr gültig. In jenen Ländern, welche der ständischen Verfassung zur Zeit noch entbehren, wird sie hergestellt. In allen Provinzen werden die Landstände gleichförmig organisirt; ihr Wirkungskreis umfaßt alle Angelegenheiten der Provinz, welche sie vertreten, ist aber auf diese beschränkt. Auf die Bedenken und Vorstellungen, welche gegen die Postulate von den Ständen erhoben werden, ertheilt die Regierung einen motivirten Bescheid, und gestattet, daß die ständischen Verhandlungen durch die öffentlichen Blätter zur Kenntniß des Publikums gelangen. Das Recht der Stände in der Stenerfrage Einsprache zu thun, ist in der Verfassung gegründet, dagegen gestattet diese weder das Recht der Selbstbesteuerung, uoch das der Steuerverweigerung. Die Negierung eines ans so viel ver¬ schiedenartigen Bestandtheilen zusammengesetzten Staats, in welchem sich die Interessen mannigfach kreuzen, erführe von einer Gebundenheit des Be¬ steuerungsrechts eine, die Verwaltung dieses großen Körpers unmöglich ma¬ chende Hemmung." — „Die Einführung einer wirklich constitutionellen Ver- fassung dagegen wäre für Oesterreich nicht zum Heil. Oesterreich zerfällt in viele fremdartige, uicht durch ein gemeinsames Band der Nationalität und Sprache, sondern blos durch das historische Recht und die monarchische Einheitsidee zusammengehaltene Bestandtheile. Die Repräsentativverfassung hebt jenes auf, indem sie der bestehenden ältern Ordnung eine neue ab- stracte Nechtsgruudlage gibt, und zerstört zugleich deu Begriff vom Zu¬ sammenfluß aller staatlichen Ausstrahlungen im Brennpunkt der obersten Macht¬ vollkommenheit. Wenn aber Oesterreich die historischen Rechtsansprüche, un¬ ter welchen es die einzelnen Bestandtheile erworben und mit dem Stamm¬ lande zu einem Gesammtkörper vereinigt hat, durch eine Vcrfassungsabände- ruug aufgäbe, so würde der Besitz der verschiedenen Länder, woraus es zu¬ sammengesetzt ist, blos noch auf der Basis der Gewalt beruhen, derjenigen rechtlichen Garantien hingegen gänzlich entbehren, wodurch der österreichische Staatenverein bisher verbunden, anerkannt und gesichert war. — So gewiß ferner die Abgeordneten des Reichstages nicht im Stande sind, die Bedin¬ gungen einzusehen, wovon die Redaction eines allgemeinen Gesetzes abhängig gemacht ist, eben so gewiß reichen bei der Mehrzahl derselben die Kräfte, selbst durch den Gebrauch aller von der Bureaukratie gebotenen Hülfsmittel nicht hin, um zu der für eine untrügliche Urtheilsschöpfnng unerläßlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/26>, abgerufen am 01.09.2024.