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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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vertrat, und wenn zugleich auf das Widerstreben der Landstände gegen Re-
gieruugsmaßregeln zum Besten des Volkes Bedacht genommen wird, so folgt
hieraus von selbst, daß die ständische Verfassung, wenn gleich nominell eine
Landesvertretung, reell doch nur eine Vertretung der Adelsiutercsscn in sich
begreift. Traf es sich, daß die Volksinteressen, zu denen der Staude in ei¬
nem abhängigen und gleichartigen Verhältniß standen, so erfuhren jene aller¬
dings von der ständischen Wirksamkeit einen Nutzen, allein blos einen mit¬
telbaren, der ohne den zufälligen Zusammenhang der übergeordneten Adelö-
nnd der untergeordneten Volksinteressen diesen nicht zu Theil geworden wäre.
Man stößt übrigens sehr häufig auf Fälle, welche darthun, daß die Stände selbst
die Gelegenheit, dem Volke Vortheile zuzuwenden, von denen ihre Interessen
keine Beeinträchtigung erfahren hätten, nicht benutzten, während sie mit ihrem
Protest jeder Zeit zur Hand waren, wenn die Negierung Maßregeln zum
Besten des Volkes ergriff, womit ein von ihnen darzubringendes Opfer ver¬
bunden war. Da nun im Allgemeinen das ganze ständische Institut blos
ans der AdelScorporatiou und der höher" Geistlichkeit zusammengesetzt ist,
so ist es klar, daß dasselbe jener ursprünglichen Bestimmung gemäß, fort¬
während nur zu Gunsten dieser Körperschaften und als Mittelpunkt ihrer
Wirksamkeit da ist, und daß diese Wirksamkeit eigentlich blos die Sicherung
und Pflege ihrer Interessen zum Gegenstande hat. Das sind so wesentliche
Gebrechen, daß ihre Hinwegschaffung eine unbedingte Nothwendigkeit des
Fortschrittes ist, da dieser ebensowohl vom Parteiwiderstreben als von der
Gebundenheit der Regierungsgewalt, ihm zu fördern, Schaden erführe, und
thatsächlich lange genug erfahren hat, um bei der bevorstehenden Staatsre-
form nicht in vornherein Verwahrung dagegen einzulegen. -- Da die gegen¬
wärtigen Bestrebungen der Stände, besonders wenn sie, wie wir nicht hoffen
wollen, mit dem Erfolg einer Widerherstellnng der ältern ständischen Ver¬
fassung gekrönt sein sollten, den Nachtheil einer noch festeren Begründung
der adeligen Parteiherrschaft herbeiführen würden, so wird die öffentliche
Meinung nicht blos ihnen nicht folgen, sondern sie gar nicht anerkennen dür¬
fen, wenn sie eine unangenehme Täuschung sich ersparen, und Gefahr für
die Volkssache verhüten will. Es muß dein ständische" Institut eine neue
Einrichtung gegeben werden, die so beschaffen ist, daß sie die Interessen der
Gesammtheit befördert. Diese Einrichtung bericht auf dem ganz einfachen
Grundsatz: dem Gewicht ein Gegengewicht gleicher Art zu setzen, und die
Unterschiede durch ein pvnderatives Kräftcspiel unschädlich zu machen und
zu einer freien Ausgleichung zu bringen. Demzufolge erhält in einer neuen
ständischen Ordnung der Bauern- und Bürgerstand neben dem Prälaten-,


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vertrat, und wenn zugleich auf das Widerstreben der Landstände gegen Re-
gieruugsmaßregeln zum Besten des Volkes Bedacht genommen wird, so folgt
hieraus von selbst, daß die ständische Verfassung, wenn gleich nominell eine
Landesvertretung, reell doch nur eine Vertretung der Adelsiutercsscn in sich
begreift. Traf es sich, daß die Volksinteressen, zu denen der Staude in ei¬
nem abhängigen und gleichartigen Verhältniß standen, so erfuhren jene aller¬
dings von der ständischen Wirksamkeit einen Nutzen, allein blos einen mit¬
telbaren, der ohne den zufälligen Zusammenhang der übergeordneten Adelö-
nnd der untergeordneten Volksinteressen diesen nicht zu Theil geworden wäre.
Man stößt übrigens sehr häufig auf Fälle, welche darthun, daß die Stände selbst
die Gelegenheit, dem Volke Vortheile zuzuwenden, von denen ihre Interessen
keine Beeinträchtigung erfahren hätten, nicht benutzten, während sie mit ihrem
Protest jeder Zeit zur Hand waren, wenn die Negierung Maßregeln zum
Besten des Volkes ergriff, womit ein von ihnen darzubringendes Opfer ver¬
bunden war. Da nun im Allgemeinen das ganze ständische Institut blos
ans der AdelScorporatiou und der höher» Geistlichkeit zusammengesetzt ist,
so ist es klar, daß dasselbe jener ursprünglichen Bestimmung gemäß, fort¬
während nur zu Gunsten dieser Körperschaften und als Mittelpunkt ihrer
Wirksamkeit da ist, und daß diese Wirksamkeit eigentlich blos die Sicherung
und Pflege ihrer Interessen zum Gegenstande hat. Das sind so wesentliche
Gebrechen, daß ihre Hinwegschaffung eine unbedingte Nothwendigkeit des
Fortschrittes ist, da dieser ebensowohl vom Parteiwiderstreben als von der
Gebundenheit der Regierungsgewalt, ihm zu fördern, Schaden erführe, und
thatsächlich lange genug erfahren hat, um bei der bevorstehenden Staatsre-
form nicht in vornherein Verwahrung dagegen einzulegen. — Da die gegen¬
wärtigen Bestrebungen der Stände, besonders wenn sie, wie wir nicht hoffen
wollen, mit dem Erfolg einer Widerherstellnng der ältern ständischen Ver¬
fassung gekrönt sein sollten, den Nachtheil einer noch festeren Begründung
der adeligen Parteiherrschaft herbeiführen würden, so wird die öffentliche
Meinung nicht blos ihnen nicht folgen, sondern sie gar nicht anerkennen dür¬
fen, wenn sie eine unangenehme Täuschung sich ersparen, und Gefahr für
die Volkssache verhüten will. Es muß dein ständische« Institut eine neue
Einrichtung gegeben werden, die so beschaffen ist, daß sie die Interessen der
Gesammtheit befördert. Diese Einrichtung bericht auf dem ganz einfachen
Grundsatz: dem Gewicht ein Gegengewicht gleicher Art zu setzen, und die
Unterschiede durch ein pvnderatives Kräftcspiel unschädlich zu machen und
zu einer freien Ausgleichung zu bringen. Demzufolge erhält in einer neuen
ständischen Ordnung der Bauern- und Bürgerstand neben dem Prälaten-,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/25>, abgerufen am 01.09.2024.