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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Kirche und Schule. So war unser Volk seit Jahrhunderten ein wackeres,
treues, seiner Religion ergebenes, so war es glücklich und froh, Kirche und
Staat hatten Ursache mit ihm zufrieden zu sein; warum will man es plötzlich
anders haben und wozu? Wer kann ans dem neuen Antrage zur Einführung
der Schulbrüder in Gegenhaltung unserer Geschichte und Landesverfassung
die Hand auf's Herz legen und sagen: Die Schnlbrüder werden eure Ju¬
gend besser machen und euer Volk veredeln? Man sehe nur, wie wenig die
neue Ordensregel in den eigentlichen Beruf für die Schule eingreift, wie
wenig sie von dem enthält, was angeblich ihr Hauptzweck sein soll. Nichts
oder beinahe nichts von den Eigenschaften des wahren Lehrers, vom Wesen
seines Berufes, wie er verfahren, und was er den Kindern sein soll. Nicht
einmal darüber ist Gewißheit, ob und welche Vorbildung die Eintretenden
mitbringen müssen. Sollen sie den vorgeschriebenen Präparandencurs mit-
gemacht haben? Welche Garantie ist gegeben, daß der Novizenmeister vor
Allem ein geprüfter, erfahrener und ausgezeichneter Schulmann sei, daß er
die Kandidaten! während des Noviziates in allen Schulgegenständen unter¬
richten und praktisch üben werde, und daß jeder Schulbruder die Lehrer¬
prüfung öffentlich bestanden und das Fähigkeitszeuguiß erlaugt habe? Dar¬
über kommt im Antrage nichts vor. Wahrscheinlich wurde von dem Pietisten,
der den Entwurf der Regel gebar, unter andern auch die göttliche Musik
als ein sinnliches Weltkind mit Vorbedacht außer dem Texte gelassen. Diese
hierarchischen Puritaner möchten am liebsten Sang und Klang auf ewig ans
der Volkserinneruug bannen, wie sie schon guten Theils unsere alten mun¬
tern Volksbränche, Sagen, Theater -- kurz was von Lebensfreudigkeit und
selbsteigener Bewegung des Volksgeistes zeugt -- zu Grabe gebracht hat.

Der Versasser dieses Aussatzes ist ein Tiroler nach Geburt und Denkart,
er kennt sein liebes Land und Volk, und weiß so wie immer, was beiden
nöthig und was ihnen frommt. Schmerzlich empfindet er und sehr Viele,
die gleich ihm aufrichtig Fürst und Vaterland lieben, daß in neuester Zeit
eine rückwärts drängende unduldsame und finstere Kirchenpartei von einzelnen
Gleichgesinnten in und außer dem Laude begünstigt und gestützt, jede Regung
der öffentlichen Meinung zu beherrschen trachtet, was ihr und ihren Zwecken
nicht zusagt, verdächtigt, anschwärzt und verfolgt, den Erwachsenen imponiren,
die Jugend ausschließend in ihrer Macht haben will, und in Wien sich als
die einzig nothwendige und gesinnungstreue selbst anpreiset. Der Gründer
dieser Partei und der Berufer der Jesuiten war bei uns eine und dieselbe
Person; die ersten Bundesgenossen saßen und sitzen theilweise noch in Mün¬
chen, und mühen sich die Zeiten Ferdinand II. wieder heraufzuführen. Es


Kirche und Schule. So war unser Volk seit Jahrhunderten ein wackeres,
treues, seiner Religion ergebenes, so war es glücklich und froh, Kirche und
Staat hatten Ursache mit ihm zufrieden zu sein; warum will man es plötzlich
anders haben und wozu? Wer kann ans dem neuen Antrage zur Einführung
der Schulbrüder in Gegenhaltung unserer Geschichte und Landesverfassung
die Hand auf's Herz legen und sagen: Die Schnlbrüder werden eure Ju¬
gend besser machen und euer Volk veredeln? Man sehe nur, wie wenig die
neue Ordensregel in den eigentlichen Beruf für die Schule eingreift, wie
wenig sie von dem enthält, was angeblich ihr Hauptzweck sein soll. Nichts
oder beinahe nichts von den Eigenschaften des wahren Lehrers, vom Wesen
seines Berufes, wie er verfahren, und was er den Kindern sein soll. Nicht
einmal darüber ist Gewißheit, ob und welche Vorbildung die Eintretenden
mitbringen müssen. Sollen sie den vorgeschriebenen Präparandencurs mit-
gemacht haben? Welche Garantie ist gegeben, daß der Novizenmeister vor
Allem ein geprüfter, erfahrener und ausgezeichneter Schulmann sei, daß er
die Kandidaten! während des Noviziates in allen Schulgegenständen unter¬
richten und praktisch üben werde, und daß jeder Schulbruder die Lehrer¬
prüfung öffentlich bestanden und das Fähigkeitszeuguiß erlaugt habe? Dar¬
über kommt im Antrage nichts vor. Wahrscheinlich wurde von dem Pietisten,
der den Entwurf der Regel gebar, unter andern auch die göttliche Musik
als ein sinnliches Weltkind mit Vorbedacht außer dem Texte gelassen. Diese
hierarchischen Puritaner möchten am liebsten Sang und Klang auf ewig ans
der Volkserinneruug bannen, wie sie schon guten Theils unsere alten mun¬
tern Volksbränche, Sagen, Theater — kurz was von Lebensfreudigkeit und
selbsteigener Bewegung des Volksgeistes zeugt — zu Grabe gebracht hat.

Der Versasser dieses Aussatzes ist ein Tiroler nach Geburt und Denkart,
er kennt sein liebes Land und Volk, und weiß so wie immer, was beiden
nöthig und was ihnen frommt. Schmerzlich empfindet er und sehr Viele,
die gleich ihm aufrichtig Fürst und Vaterland lieben, daß in neuester Zeit
eine rückwärts drängende unduldsame und finstere Kirchenpartei von einzelnen
Gleichgesinnten in und außer dem Laude begünstigt und gestützt, jede Regung
der öffentlichen Meinung zu beherrschen trachtet, was ihr und ihren Zwecken
nicht zusagt, verdächtigt, anschwärzt und verfolgt, den Erwachsenen imponiren,
die Jugend ausschließend in ihrer Macht haben will, und in Wien sich als
die einzig nothwendige und gesinnungstreue selbst anpreiset. Der Gründer
dieser Partei und der Berufer der Jesuiten war bei uns eine und dieselbe
Person; die ersten Bundesgenossen saßen und sitzen theilweise noch in Mün¬
chen, und mühen sich die Zeiten Ferdinand II. wieder heraufzuführen. Es


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[0205] Kirche und Schule. So war unser Volk seit Jahrhunderten ein wackeres, treues, seiner Religion ergebenes, so war es glücklich und froh, Kirche und Staat hatten Ursache mit ihm zufrieden zu sein; warum will man es plötzlich anders haben und wozu? Wer kann ans dem neuen Antrage zur Einführung der Schulbrüder in Gegenhaltung unserer Geschichte und Landesverfassung die Hand auf's Herz legen und sagen: Die Schnlbrüder werden eure Ju¬ gend besser machen und euer Volk veredeln? Man sehe nur, wie wenig die neue Ordensregel in den eigentlichen Beruf für die Schule eingreift, wie wenig sie von dem enthält, was angeblich ihr Hauptzweck sein soll. Nichts oder beinahe nichts von den Eigenschaften des wahren Lehrers, vom Wesen seines Berufes, wie er verfahren, und was er den Kindern sein soll. Nicht einmal darüber ist Gewißheit, ob und welche Vorbildung die Eintretenden mitbringen müssen. Sollen sie den vorgeschriebenen Präparandencurs mit- gemacht haben? Welche Garantie ist gegeben, daß der Novizenmeister vor Allem ein geprüfter, erfahrener und ausgezeichneter Schulmann sei, daß er die Kandidaten! während des Noviziates in allen Schulgegenständen unter¬ richten und praktisch üben werde, und daß jeder Schulbruder die Lehrer¬ prüfung öffentlich bestanden und das Fähigkeitszeuguiß erlaugt habe? Dar¬ über kommt im Antrage nichts vor. Wahrscheinlich wurde von dem Pietisten, der den Entwurf der Regel gebar, unter andern auch die göttliche Musik als ein sinnliches Weltkind mit Vorbedacht außer dem Texte gelassen. Diese hierarchischen Puritaner möchten am liebsten Sang und Klang auf ewig ans der Volkserinneruug bannen, wie sie schon guten Theils unsere alten mun¬ tern Volksbränche, Sagen, Theater — kurz was von Lebensfreudigkeit und selbsteigener Bewegung des Volksgeistes zeugt — zu Grabe gebracht hat. Der Versasser dieses Aussatzes ist ein Tiroler nach Geburt und Denkart, er kennt sein liebes Land und Volk, und weiß so wie immer, was beiden nöthig und was ihnen frommt. Schmerzlich empfindet er und sehr Viele, die gleich ihm aufrichtig Fürst und Vaterland lieben, daß in neuester Zeit eine rückwärts drängende unduldsame und finstere Kirchenpartei von einzelnen Gleichgesinnten in und außer dem Laude begünstigt und gestützt, jede Regung der öffentlichen Meinung zu beherrschen trachtet, was ihr und ihren Zwecken nicht zusagt, verdächtigt, anschwärzt und verfolgt, den Erwachsenen imponiren, die Jugend ausschließend in ihrer Macht haben will, und in Wien sich als die einzig nothwendige und gesinnungstreue selbst anpreiset. Der Gründer dieser Partei und der Berufer der Jesuiten war bei uns eine und dieselbe Person; die ersten Bundesgenossen saßen und sitzen theilweise noch in Mün¬ chen, und mühen sich die Zeiten Ferdinand II. wieder heraufzuführen. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/205>, abgerufen am 01.09.2024.