Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.Prädicat ist, hat sie freilich auf die Revolution ihren Einfluß, wirkt mit in ihre Wie bald entwand sie sich den ohnmächtigen Händen der Klugen! Es ent¬ Wenn man der Revolution ähnliche Greuel vorwirft, wie dem Despotismus, In Deutschland gibt es noch keine öffentliche Meinung, und es kann keine Die Menschen erscheinen in ihren Handlungen, wie sie sind; Jeder thut, was Prädicat ist, hat sie freilich auf die Revolution ihren Einfluß, wirkt mit in ihre Wie bald entwand sie sich den ohnmächtigen Händen der Klugen! Es ent¬ Wenn man der Revolution ähnliche Greuel vorwirft, wie dem Despotismus, In Deutschland gibt es noch keine öffentliche Meinung, und es kann keine Die Menschen erscheinen in ihren Handlungen, wie sie sind; Jeder thut, was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184341"/> <p xml:id="ID_614" prev="#ID_613"> Prädicat ist, hat sie freilich auf die Revolution ihren Einfluß, wirkt mit in ihre<lb/> Bewegung und bestimmt zum Theil ihre Richtung; aber vräponderiren durfte sie<lb/> nicht, weil ihre Präponderanz an und für sich nur die Revolution hemmen, nie<lb/> sie treiben und vollbringen kann. Einmal überwunden von der Stoßkraft, dürfte<lb/> dennoch in ihr selbst der Grund jener langen Dauer liegen, womit die Nevolu-<lb/> tionsbewegung so manchen unerfahrenen Beobachter in Erstaunen setzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Wie bald entwand sie sich den ohnmächtigen Händen der Klugen! Es ent¬<lb/> stand ein chaotisches Ringen der Elemente; es erfolgten die heftigsten Konvul¬<lb/> sionen, die furchtbarsten Erschütterungen. Kleinere gegcnstrebende Bewegungen<lb/> wurden von den größern, allgemeinem verschlungen. Der Wille des Volkes hat<lb/> seine höchste Beweglichkeit erlangt, und die große Lichtmasse der Vernunft, die<lb/> immer noch vorhanden ist, wirst ihre Strahlen in der von ihm verstatteten<lb/> Richtung.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Wenn man der Revolution ähnliche Greuel vorwirft, wie dem Despotismus,<lb/> so sind beide doch schon um deshalb himmelweit verschieden, weil sie dnrch ganz<lb/> verschiedenartige Kräfte bewirkt werden, und von der öffentlichen Meinung selbst<lb/> einen ganz verschiedenen Stempel erhalten. Eine Ungerechtigkeit verliert ihr Em¬<lb/> pörendes, ihr Gewaltthätiges, ihr Willkürliches, wenn die öffentliche Volksmei-<lb/> nung, die als Schiedsrichter«: unumschränkt in letzter Instanz entscheidet, dem<lb/> Gesetze der Nothwendigkeit huldigt, das jene Handlung oder Maßregel hervorrief.</p><lb/> <p xml:id="ID_617"> In Deutschland gibt es noch keine öffentliche Meinung, und es kann keine<lb/> geben, wenn das Volk nicht zugleich losgelassen wird. Es dort loslassen, diese<lb/> ungemessene, unberechnete Kraft auch in Deutschland in Bewe¬<lb/> gung setzen, das könnte jetzt nur der Feind des Menschenge¬<lb/> schlechtes wünschen. Wir haben uns sür unsre ganze Gattung aufgeopfert,<lb/> oder, was gleich gilt, aufopfern lassen. Wenigstens komme unser Kampf, unser<lb/> übermenschliches Ringen, unser wahres Märtyrerthum, den übrigen Nationen Eu¬<lb/> ropa's zu Gute! Eure Weisen und Gelehrten haben gut declamiren, sich ereifern<lb/> und uns beweisen, daß wir es hätten besser machen sollen. El ihr lieben Herrn!<lb/> wir konnten es eben nicht besser. Nun dann hätten wir c§ nicht anfangen sollen.<lb/> Freilich wohl! aber auch das hat nicht von uns abgehangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_618" next="#ID_619"> Die Menschen erscheinen in ihren Handlungen, wie sie sind; Jeder thut, was<lb/> er nicht lassen kann, und trägt die unausbleibliche Folge. Wenn ein Thron<lb/> stürzt, und zwar so leicht, so ist es doch wohl augenscheinlich, daß all seine<lb/> Stützen schon morsch gewesen sind. Nun bedürfte es mir jenes weltbekannten<lb/> Zusammenflusses von Ursachen, welche diese Schwäche vor Aller Augen entblößten,<lb/> und jede nachherige Katastrophe folgt in einer nicht zu unterbrechenden, nicht<lb/> zu ändernden Verkettung. Auf die Frage, warum die Vorsehung dieses Mißver¬<lb/> hältnis) zwischen der Unhaltbarkeit der Regierung, und der Unfähigkeit des Volks,<lb/> sich eine neue zu schaffen, geduldet, und in diesen, Zeitpunkt die Revolution hat<lb/> fallen lassen? kann Niemand antworten, als die unbegreifliche und unergründliche<lb/> Weisheit der Vorsehung selbst! Ich fühle nicht den Beruf, diesen Artikel der<lb/> Theodicee auszuarbeiten, wenn ich gleich für mich überzeugt bin, daß unsere Re¬<lb/> volution, als Werk der Vorsehung, in dem erhabenen Plan ihrer Erziehung des<lb/> Menschengeschlechtes grade am rechten Orte steht, und daß Frankreich nach dem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Prädicat ist, hat sie freilich auf die Revolution ihren Einfluß, wirkt mit in ihre
Bewegung und bestimmt zum Theil ihre Richtung; aber vräponderiren durfte sie
nicht, weil ihre Präponderanz an und für sich nur die Revolution hemmen, nie
sie treiben und vollbringen kann. Einmal überwunden von der Stoßkraft, dürfte
dennoch in ihr selbst der Grund jener langen Dauer liegen, womit die Nevolu-
tionsbewegung so manchen unerfahrenen Beobachter in Erstaunen setzte.
Wie bald entwand sie sich den ohnmächtigen Händen der Klugen! Es ent¬
stand ein chaotisches Ringen der Elemente; es erfolgten die heftigsten Konvul¬
sionen, die furchtbarsten Erschütterungen. Kleinere gegcnstrebende Bewegungen
wurden von den größern, allgemeinem verschlungen. Der Wille des Volkes hat
seine höchste Beweglichkeit erlangt, und die große Lichtmasse der Vernunft, die
immer noch vorhanden ist, wirst ihre Strahlen in der von ihm verstatteten
Richtung.
Wenn man der Revolution ähnliche Greuel vorwirft, wie dem Despotismus,
so sind beide doch schon um deshalb himmelweit verschieden, weil sie dnrch ganz
verschiedenartige Kräfte bewirkt werden, und von der öffentlichen Meinung selbst
einen ganz verschiedenen Stempel erhalten. Eine Ungerechtigkeit verliert ihr Em¬
pörendes, ihr Gewaltthätiges, ihr Willkürliches, wenn die öffentliche Volksmei-
nung, die als Schiedsrichter«: unumschränkt in letzter Instanz entscheidet, dem
Gesetze der Nothwendigkeit huldigt, das jene Handlung oder Maßregel hervorrief.
In Deutschland gibt es noch keine öffentliche Meinung, und es kann keine
geben, wenn das Volk nicht zugleich losgelassen wird. Es dort loslassen, diese
ungemessene, unberechnete Kraft auch in Deutschland in Bewe¬
gung setzen, das könnte jetzt nur der Feind des Menschenge¬
schlechtes wünschen. Wir haben uns sür unsre ganze Gattung aufgeopfert,
oder, was gleich gilt, aufopfern lassen. Wenigstens komme unser Kampf, unser
übermenschliches Ringen, unser wahres Märtyrerthum, den übrigen Nationen Eu¬
ropa's zu Gute! Eure Weisen und Gelehrten haben gut declamiren, sich ereifern
und uns beweisen, daß wir es hätten besser machen sollen. El ihr lieben Herrn!
wir konnten es eben nicht besser. Nun dann hätten wir c§ nicht anfangen sollen.
Freilich wohl! aber auch das hat nicht von uns abgehangen.
Die Menschen erscheinen in ihren Handlungen, wie sie sind; Jeder thut, was
er nicht lassen kann, und trägt die unausbleibliche Folge. Wenn ein Thron
stürzt, und zwar so leicht, so ist es doch wohl augenscheinlich, daß all seine
Stützen schon morsch gewesen sind. Nun bedürfte es mir jenes weltbekannten
Zusammenflusses von Ursachen, welche diese Schwäche vor Aller Augen entblößten,
und jede nachherige Katastrophe folgt in einer nicht zu unterbrechenden, nicht
zu ändernden Verkettung. Auf die Frage, warum die Vorsehung dieses Mißver¬
hältnis) zwischen der Unhaltbarkeit der Regierung, und der Unfähigkeit des Volks,
sich eine neue zu schaffen, geduldet, und in diesen, Zeitpunkt die Revolution hat
fallen lassen? kann Niemand antworten, als die unbegreifliche und unergründliche
Weisheit der Vorsehung selbst! Ich fühle nicht den Beruf, diesen Artikel der
Theodicee auszuarbeiten, wenn ich gleich für mich überzeugt bin, daß unsere Re¬
volution, als Werk der Vorsehung, in dem erhabenen Plan ihrer Erziehung des
Menschengeschlechtes grade am rechten Orte steht, und daß Frankreich nach dem
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |