Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.lieren, daß er uns einen Haufen episodischer Anecdoten für eine Geschichte des¬ Die Revolution hat alle Dämme durchbrochen, alle Schranken übertreten, Die Revolution ist -- die Revolution. Lange genug haben wir uns ge¬ Die öffentliche Meinung ist in Absicht auf die Natur der Das Dekret, daß die Negierung bis zum Frieden revolutionär bleiben soll, Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, sie ist die lieren, daß er uns einen Haufen episodischer Anecdoten für eine Geschichte des¬ Die Revolution hat alle Dämme durchbrochen, alle Schranken übertreten, Die Revolution ist — die Revolution. Lange genug haben wir uns ge¬ Die öffentliche Meinung ist in Absicht auf die Natur der Das Dekret, daß die Negierung bis zum Frieden revolutionär bleiben soll, Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, sie ist die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184340"/> <p xml:id="ID_608" prev="#ID_607"> lieren, daß er uns einen Haufen episodischer Anecdoten für eine Geschichte des¬<lb/> jenigen Ereignisses vorlegte, welches in den Jahrbüchern der Welt einzig und<lb/> in Absicht seiner Folgen unermeßlich ist. Der Egoismus, der vor lauter Furcht,<lb/> seinen Zweck zu verfehlen, falsche Maßregeln ergriff, mag es sich selbst zuschrei¬<lb/> ben, wenn Geist, Gefühl und Muth ans der einen Seite, gegen Ohnmacht des<lb/> Verstandes, des Herzens und der Mannheit auf der andern, statt einer ruhigen,<lb/> kaltblütigen Erörterung, jetzt mit einer bunt.'rttanscndzüngigcn Beredtsamkeit die<lb/> Freiheit predigen und als erwählte Rüstzeuge der Vorsehung Wunder thun.</p><lb/> <p xml:id="ID_609"> Die Revolution hat alle Dämme durchbrochen, alle Schranken übertreten,<lb/> i>le ihr viele der besten Köpfe in ihren Systemen vorgeschrieben hatten. Zuerst<lb/> schwellte sie über den engen Kreis der englischen Konstitution. Manche gingen<lb/> in ihrer Nachgiebigkeit schon weiter und glaubten noch an die Möglichkeit einer<lb/> guten Verfassung außerhalb jenes Bezirks. Als aber auch ihre Hcrkulcssäulen,<lb/> trotz der stolzen Inschrift: ,,H<>» ulrra!" von dem brausenden Orkan um¬<lb/> gestürzt lagen, da verkündigte ihre beleidigte Eitelkeit schon das jüngste Gericht.<lb/> Andere harrten länger aus; aber seitdem ihr letzter Nblcitcr, den sie im Födcral-<lb/> system gefunden zu haben glaubten, durch einen Blitzstrahl vom Berge zerschmet¬<lb/> tert worden ist, kommen auch sie mit der babylonischen Hure schon aufgetreten.<lb/> Die öffentliche Meinung ist all' diese Stufen hinangestiegen, und ans jeder höhern<lb/> hat sie den Irrthum erkannt, den die Täuschung des falschen Horizontes verur¬<lb/> sachte. Jetzt bleibt sie bei der allgemeinsten aller Bestimmungen stehen: einer<lb/> Bestimmung, die freilich den Hafen so lieblich nicht vormalt, wo das Staats¬<lb/> schiff wohlgemuth einlaufen und abtakeln soll, wobei es sich aber doch mit jener<lb/> mystischen Losung aus den neuen Rittcrzcitcn eines geheimen Ordens: I» si-<lb/> jontio ot 8>lo soi-titmlu mea, auf offenem Meere, und selbst mit etwas beschä¬<lb/> digten Masten und Segeln noch ganz bequem umherschwimmen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_610"> Die Revolution ist — die Revolution. Lange genug haben wir uns ge¬<lb/> sträubt, das Kind bei seinen rechten Namen zu nennen; aber wer kann für Ge¬<lb/> walt? Das sich Alles kopfüber, kopfunter wälzt, ist ein vollgültiger Beweis,<lb/> daß der Name der Sache entspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_611"> Die öffentliche Meinung ist in Absicht auf die Natur der<lb/> Revolution jetzt so weit im Klaren, daß man es für Wahnsinn<lb/> halten würde, ihr Einhalt thun, oder Grenzpfähle stecken zu<lb/> wollen. Eine Naturerscheinung, die zu selten ist, als daß wir ihre eigenthüm¬<lb/> lichen Gesetze kennen sollten, läßt sich nicht nach Vernunftrcgeln einschränken und<lb/> bestimmen, sondern muß ihren freien Lauf habe». Etwas ganz Anderes,<lb/> ganz davon Unabhängiges ist es aber, daß diejenigen, die von<lb/> diesem Strudel ergriffen sind, ihr eigenes Betragen, nach wie<lb/> vor, vernunftgemäß einzurichten suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_612"> Das Dekret, daß die Negierung bis zum Frieden revolutionär bleiben soll,<lb/> ist der eigentlichste Ausdruck der öffentlichen Meinung, daß die Revolution<lb/> sich so lange fortwälzen müsse, bis ihre bewegende Kraft ganz<lb/> angewendet sein wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_613" next="#ID_614"> Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, sie ist die<lb/> rohe Kraft der Menge. Insofern Vernunft ein vom Menschen unzertrennliches</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
lieren, daß er uns einen Haufen episodischer Anecdoten für eine Geschichte des¬
jenigen Ereignisses vorlegte, welches in den Jahrbüchern der Welt einzig und
in Absicht seiner Folgen unermeßlich ist. Der Egoismus, der vor lauter Furcht,
seinen Zweck zu verfehlen, falsche Maßregeln ergriff, mag es sich selbst zuschrei¬
ben, wenn Geist, Gefühl und Muth ans der einen Seite, gegen Ohnmacht des
Verstandes, des Herzens und der Mannheit auf der andern, statt einer ruhigen,
kaltblütigen Erörterung, jetzt mit einer bunt.'rttanscndzüngigcn Beredtsamkeit die
Freiheit predigen und als erwählte Rüstzeuge der Vorsehung Wunder thun.
Die Revolution hat alle Dämme durchbrochen, alle Schranken übertreten,
i>le ihr viele der besten Köpfe in ihren Systemen vorgeschrieben hatten. Zuerst
schwellte sie über den engen Kreis der englischen Konstitution. Manche gingen
in ihrer Nachgiebigkeit schon weiter und glaubten noch an die Möglichkeit einer
guten Verfassung außerhalb jenes Bezirks. Als aber auch ihre Hcrkulcssäulen,
trotz der stolzen Inschrift: ,,H<>» ulrra!" von dem brausenden Orkan um¬
gestürzt lagen, da verkündigte ihre beleidigte Eitelkeit schon das jüngste Gericht.
Andere harrten länger aus; aber seitdem ihr letzter Nblcitcr, den sie im Födcral-
system gefunden zu haben glaubten, durch einen Blitzstrahl vom Berge zerschmet¬
tert worden ist, kommen auch sie mit der babylonischen Hure schon aufgetreten.
Die öffentliche Meinung ist all' diese Stufen hinangestiegen, und ans jeder höhern
hat sie den Irrthum erkannt, den die Täuschung des falschen Horizontes verur¬
sachte. Jetzt bleibt sie bei der allgemeinsten aller Bestimmungen stehen: einer
Bestimmung, die freilich den Hafen so lieblich nicht vormalt, wo das Staats¬
schiff wohlgemuth einlaufen und abtakeln soll, wobei es sich aber doch mit jener
mystischen Losung aus den neuen Rittcrzcitcn eines geheimen Ordens: I» si-
jontio ot 8>lo soi-titmlu mea, auf offenem Meere, und selbst mit etwas beschä¬
digten Masten und Segeln noch ganz bequem umherschwimmen läßt.
Die Revolution ist — die Revolution. Lange genug haben wir uns ge¬
sträubt, das Kind bei seinen rechten Namen zu nennen; aber wer kann für Ge¬
walt? Das sich Alles kopfüber, kopfunter wälzt, ist ein vollgültiger Beweis,
daß der Name der Sache entspricht.
Die öffentliche Meinung ist in Absicht auf die Natur der
Revolution jetzt so weit im Klaren, daß man es für Wahnsinn
halten würde, ihr Einhalt thun, oder Grenzpfähle stecken zu
wollen. Eine Naturerscheinung, die zu selten ist, als daß wir ihre eigenthüm¬
lichen Gesetze kennen sollten, läßt sich nicht nach Vernunftrcgeln einschränken und
bestimmen, sondern muß ihren freien Lauf habe». Etwas ganz Anderes,
ganz davon Unabhängiges ist es aber, daß diejenigen, die von
diesem Strudel ergriffen sind, ihr eigenes Betragen, nach wie
vor, vernunftgemäß einzurichten suchen.
Das Dekret, daß die Negierung bis zum Frieden revolutionär bleiben soll,
ist der eigentlichste Ausdruck der öffentlichen Meinung, daß die Revolution
sich so lange fortwälzen müsse, bis ihre bewegende Kraft ganz
angewendet sein wird.
Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, sie ist die
rohe Kraft der Menge. Insofern Vernunft ein vom Menschen unzertrennliches
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