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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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aus den schönen Gauen Oesterreichs hinaus! Und das sind treue Kinder Oester¬
reichs. Die sind von österreichischem Herzblut genährt und an seiner Brust gro߬
gezogen und gepflegt. Oder sehen die Herren den Geisterzug nicht?


D.
IV.

Der Nothstand. -- Maßregeln der Behörden. -- Ein Pasquill. -- Justiz der höhern
Rücksichten. -- Hoffnungen

Noch sind unsere Hungertage nicht vorüber, das Ausfuhrverbot, an welches
Tausende hungernde Magen, und wir mit ihnen sanguinische Hoffnung geknüpft,
hat sich unwirksam bewiesen, weil die Behörde, weicher der Erlaß des Verbotes
war abgedrungen worden, um Recht zu behalten, diese ihnen unliebsame Ma߬
regel isolirt bestehen ließ, sogar clandcstincs Abweichen von derselben gewährte,
und es unterließ in unerläßlichen Gefolge des Verbotes, die Vorräthe im Lande
genau zu erheben, das Resultat bekannt zu machen, welches ein unbedingt
günstiges gewesen sein würde, wie dies doch in Steyermark geschehen. Allerdings
hatte das Resultat solcher Erhebung manchen mißliebig werden lassen, doch hätte
dasselbe die bange, vom Wucher emsig ausgebeutete Sorge vor eingebildeten
Mangel mit einem Schlage entfernt, und mit derselben den überhoben Kornprcis.
Freilich würden unsere trägen Schreibmaschinen mit dem Resultate und seiner Ve-
rification wohl erst ein Quartal nach der Erndte zu Stande gekommen sein, und
so dachte man denn, die Erndte ist ohnehin bevorstehend, so spare man den Kraft¬
aufwand der Beamten, deren übrigens eine gute Zahl die Exercitien des knur¬
renden Magens mitmacht, denn gar knapp sind die Gehalte niederer Bcamten-
katcgorie, denen durchaus kein Thcucruugszuschuß gewährt wird, und doch hätten
mit dem in wenig Dieustjahren erworbenen vollen Ruhegehalte mir zweier
Kammerpräsidenten 320 niedere Beamte jeder mit Einhundert Gulden betheilt
werden können.

Uebrigens hat unser Volk im Hunger- und Nothjahre wirklich musterhafte
Haltung bewiesen, und den überall krakelenden Nachbar Michel in diesem Punkte
weit hinter sich gelassen, zur Belohnung wird ihm gestattet, noch einige Wochen
länger sich in Geduld zu üben, als Michel. Und um uns satten nud sielen die
Preise, nur unsere Kornjobber verstanden es die Preise in schönster Höhe zu
erhalten; noch am 1. Juli wurde unsere Brvdtaxe erhöht und ist heute an
100 pCt. höher als im Juli 1846.

Doch hat man es ganz unerwartet und wunderbar der Mühe werth gehal¬
ten in einer besondern Kundmachung die Erhöhung der Brodtaxe zu erklären, ge¬
wissermaßen zu rechtfertigen. Gibt es für Kalamitäten so weitgreifendcr Natur
einen Trost, so wollen wir ihn in diesem der Öffentlichkeit gemachten Zugeständ¬
nisse suchen. Die kurzsichtige Masse richtet ihren Ingrimm gegen den Bäcker und
Müller, hält diesen für den Feind, während sie den Feind in ganz anderer Sphäre
und insbesondere in dem Mangel an Energie in Handhabung der bestehenden Ge-


aus den schönen Gauen Oesterreichs hinaus! Und das sind treue Kinder Oester¬
reichs. Die sind von österreichischem Herzblut genährt und an seiner Brust gro߬
gezogen und gepflegt. Oder sehen die Herren den Geisterzug nicht?


D.
IV.

Der Nothstand. — Maßregeln der Behörden. — Ein Pasquill. — Justiz der höhern
Rücksichten. — Hoffnungen

Noch sind unsere Hungertage nicht vorüber, das Ausfuhrverbot, an welches
Tausende hungernde Magen, und wir mit ihnen sanguinische Hoffnung geknüpft,
hat sich unwirksam bewiesen, weil die Behörde, weicher der Erlaß des Verbotes
war abgedrungen worden, um Recht zu behalten, diese ihnen unliebsame Ma߬
regel isolirt bestehen ließ, sogar clandcstincs Abweichen von derselben gewährte,
und es unterließ in unerläßlichen Gefolge des Verbotes, die Vorräthe im Lande
genau zu erheben, das Resultat bekannt zu machen, welches ein unbedingt
günstiges gewesen sein würde, wie dies doch in Steyermark geschehen. Allerdings
hatte das Resultat solcher Erhebung manchen mißliebig werden lassen, doch hätte
dasselbe die bange, vom Wucher emsig ausgebeutete Sorge vor eingebildeten
Mangel mit einem Schlage entfernt, und mit derselben den überhoben Kornprcis.
Freilich würden unsere trägen Schreibmaschinen mit dem Resultate und seiner Ve-
rification wohl erst ein Quartal nach der Erndte zu Stande gekommen sein, und
so dachte man denn, die Erndte ist ohnehin bevorstehend, so spare man den Kraft¬
aufwand der Beamten, deren übrigens eine gute Zahl die Exercitien des knur¬
renden Magens mitmacht, denn gar knapp sind die Gehalte niederer Bcamten-
katcgorie, denen durchaus kein Thcucruugszuschuß gewährt wird, und doch hätten
mit dem in wenig Dieustjahren erworbenen vollen Ruhegehalte mir zweier
Kammerpräsidenten 320 niedere Beamte jeder mit Einhundert Gulden betheilt
werden können.

Uebrigens hat unser Volk im Hunger- und Nothjahre wirklich musterhafte
Haltung bewiesen, und den überall krakelenden Nachbar Michel in diesem Punkte
weit hinter sich gelassen, zur Belohnung wird ihm gestattet, noch einige Wochen
länger sich in Geduld zu üben, als Michel. Und um uns satten nud sielen die
Preise, nur unsere Kornjobber verstanden es die Preise in schönster Höhe zu
erhalten; noch am 1. Juli wurde unsere Brvdtaxe erhöht und ist heute an
100 pCt. höher als im Juli 1846.

Doch hat man es ganz unerwartet und wunderbar der Mühe werth gehal¬
ten in einer besondern Kundmachung die Erhöhung der Brodtaxe zu erklären, ge¬
wissermaßen zu rechtfertigen. Gibt es für Kalamitäten so weitgreifendcr Natur
einen Trost, so wollen wir ihn in diesem der Öffentlichkeit gemachten Zugeständ¬
nisse suchen. Die kurzsichtige Masse richtet ihren Ingrimm gegen den Bäcker und
Müller, hält diesen für den Feind, während sie den Feind in ganz anderer Sphäre
und insbesondere in dem Mangel an Energie in Handhabung der bestehenden Ge-


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[0130] aus den schönen Gauen Oesterreichs hinaus! Und das sind treue Kinder Oester¬ reichs. Die sind von österreichischem Herzblut genährt und an seiner Brust gro߬ gezogen und gepflegt. Oder sehen die Herren den Geisterzug nicht? D. IV. Der Nothstand. — Maßregeln der Behörden. — Ein Pasquill. — Justiz der höhern Rücksichten. — Hoffnungen Noch sind unsere Hungertage nicht vorüber, das Ausfuhrverbot, an welches Tausende hungernde Magen, und wir mit ihnen sanguinische Hoffnung geknüpft, hat sich unwirksam bewiesen, weil die Behörde, weicher der Erlaß des Verbotes war abgedrungen worden, um Recht zu behalten, diese ihnen unliebsame Ma߬ regel isolirt bestehen ließ, sogar clandcstincs Abweichen von derselben gewährte, und es unterließ in unerläßlichen Gefolge des Verbotes, die Vorräthe im Lande genau zu erheben, das Resultat bekannt zu machen, welches ein unbedingt günstiges gewesen sein würde, wie dies doch in Steyermark geschehen. Allerdings hatte das Resultat solcher Erhebung manchen mißliebig werden lassen, doch hätte dasselbe die bange, vom Wucher emsig ausgebeutete Sorge vor eingebildeten Mangel mit einem Schlage entfernt, und mit derselben den überhoben Kornprcis. Freilich würden unsere trägen Schreibmaschinen mit dem Resultate und seiner Ve- rification wohl erst ein Quartal nach der Erndte zu Stande gekommen sein, und so dachte man denn, die Erndte ist ohnehin bevorstehend, so spare man den Kraft¬ aufwand der Beamten, deren übrigens eine gute Zahl die Exercitien des knur¬ renden Magens mitmacht, denn gar knapp sind die Gehalte niederer Bcamten- katcgorie, denen durchaus kein Thcucruugszuschuß gewährt wird, und doch hätten mit dem in wenig Dieustjahren erworbenen vollen Ruhegehalte mir zweier Kammerpräsidenten 320 niedere Beamte jeder mit Einhundert Gulden betheilt werden können. Uebrigens hat unser Volk im Hunger- und Nothjahre wirklich musterhafte Haltung bewiesen, und den überall krakelenden Nachbar Michel in diesem Punkte weit hinter sich gelassen, zur Belohnung wird ihm gestattet, noch einige Wochen länger sich in Geduld zu üben, als Michel. Und um uns satten nud sielen die Preise, nur unsere Kornjobber verstanden es die Preise in schönster Höhe zu erhalten; noch am 1. Juli wurde unsere Brvdtaxe erhöht und ist heute an 100 pCt. höher als im Juli 1846. Doch hat man es ganz unerwartet und wunderbar der Mühe werth gehal¬ ten in einer besondern Kundmachung die Erhöhung der Brodtaxe zu erklären, ge¬ wissermaßen zu rechtfertigen. Gibt es für Kalamitäten so weitgreifendcr Natur einen Trost, so wollen wir ihn in diesem der Öffentlichkeit gemachten Zugeständ¬ nisse suchen. Die kurzsichtige Masse richtet ihren Ingrimm gegen den Bäcker und Müller, hält diesen für den Feind, während sie den Feind in ganz anderer Sphäre und insbesondere in dem Mangel an Energie in Handhabung der bestehenden Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/130>, abgerufen am 27.07.2024.