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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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heirathete Frau liebt. Die Verfasserin, Miß Jerosbury von Manchester, sah
sich dadurch plötzlich zum Lion der Saison erhoben und genoß allerlei Aus¬
zeichnung während ihres kürzlicheu Aufenthaltes. Rogers rief jeden Menschen
zu: Haben Sie Zoe gelesen? -- Moncktou Milues gab ihr ein Frühstück,
Macready lud sie zu einer Soirve der Elite ein, und überall drängte man
sich, sie zu sehen. Mußte das nicht die moralische Wirkung haben, ihr eine
rechte Lust einzuflößen, mehr unmoralische Bücher zu schreiben? -- Sie zählt
manche Sommer, und ist in denselben manch' liebes Mal uach London ge¬
kommen, ohne daß ein Hahn nach ihr gekrähet, so wenig ist ihr Aeußeres
und ihre Geistesgaben anziehend. Und selbst ein Freund, wie Carlyle ihr
ist, konnte sie einer Gesellschaft nicht aufdrängen, die sich jetzt um die
Verfasserin eines unmoralischen Buches reißt. -- Bulwer schrieb in diesen
Tagen, als er "Zoe" gelesen, die Verfasserin besitze einen Geist, die Gesell¬
schaft von Grund auf umzuwandeln (to sek- snciot^ i" its louiuZiitions).
Es läßt sich aber besorgen, daß die Zeit noch nicht reif sei, wo eine Zoe
oder Lucretia eine solche Erschütterung hervorbringen. Das Prinzip des
Guten steht auch hier noch auf einer Basis von Glas, die schwerlich durch
sophistische Romanschreiber einen solideren Grund erhalten wird! --

Während Hudson, der Eisenbahnkönig, in seinem babylonischen Thnrm-
hause sich von der stolzen Aristokratie Englands mit seinem falschen Gepränge
und schlechten Sitten an seiner eigenen Tafel verlachen läßt, und man in
Oxford-Straße ellcnhvhe schwarzlederne Stiefeln K la Hudson- oder vielmehr
,,du<z rmlroiril-klnx" l'.tvnnto boots" aufbietet, und er mit seinen gallonirten
Dienern täglich vorüberfährt, sich an dem königlichen Prärogativ den kleinen
Erdensöhnen ihre Kleidertrachten vorzuschreiben, mit wahrhaft hochgcborner
Freude ergötzt; -- ist Miß Martineau vou Aegypten zurückgekehrt und hält
mit dem "jungen England" Conferenzen, wie deu arbeitende" Klassen ei¬
nige der Vortheile, die ein civilisirtes Land genießt, in dem Künste und
Wissenschaften frei blühen, zuzuwenden sein möchten. Ihre Absicht ist immer
gut; ihre Motive sind stets ungemischt rein. Sie hat ein Blatt gegründet "Hie
I'tivnl"-'" ^miniiü", für das sie schreibt, damit den geringern Klassen eine
bessere Lectüre werde, als eine Aufzählung der schrecklichsten Verbrechen, wie
sie die aristokratische" Blätter enthalte", und die entweder einen Abscheu vor
dem ganzen Menschengeschlechte einflößen müssen, oder die Einbildungskrast
erhitzend zur Begehung ähnlicher heroisch-tragischer Thaten anreizen. Sie
anch hat Douglas Jerrold ihre Hülfe geliehen den Whittington-Club zu
gründen und ihren Namen als eine der Vorsteherinnen desselben gegeben.
Dieser Club ist darauf berechnet, allen denen zu dienen, die in London vex-


heirathete Frau liebt. Die Verfasserin, Miß Jerosbury von Manchester, sah
sich dadurch plötzlich zum Lion der Saison erhoben und genoß allerlei Aus¬
zeichnung während ihres kürzlicheu Aufenthaltes. Rogers rief jeden Menschen
zu: Haben Sie Zoe gelesen? — Moncktou Milues gab ihr ein Frühstück,
Macready lud sie zu einer Soirve der Elite ein, und überall drängte man
sich, sie zu sehen. Mußte das nicht die moralische Wirkung haben, ihr eine
rechte Lust einzuflößen, mehr unmoralische Bücher zu schreiben? — Sie zählt
manche Sommer, und ist in denselben manch' liebes Mal uach London ge¬
kommen, ohne daß ein Hahn nach ihr gekrähet, so wenig ist ihr Aeußeres
und ihre Geistesgaben anziehend. Und selbst ein Freund, wie Carlyle ihr
ist, konnte sie einer Gesellschaft nicht aufdrängen, die sich jetzt um die
Verfasserin eines unmoralischen Buches reißt. — Bulwer schrieb in diesen
Tagen, als er „Zoe" gelesen, die Verfasserin besitze einen Geist, die Gesell¬
schaft von Grund auf umzuwandeln (to sek- snciot^ i» its louiuZiitions).
Es läßt sich aber besorgen, daß die Zeit noch nicht reif sei, wo eine Zoe
oder Lucretia eine solche Erschütterung hervorbringen. Das Prinzip des
Guten steht auch hier noch auf einer Basis von Glas, die schwerlich durch
sophistische Romanschreiber einen solideren Grund erhalten wird! —

Während Hudson, der Eisenbahnkönig, in seinem babylonischen Thnrm-
hause sich von der stolzen Aristokratie Englands mit seinem falschen Gepränge
und schlechten Sitten an seiner eigenen Tafel verlachen läßt, und man in
Oxford-Straße ellcnhvhe schwarzlederne Stiefeln K la Hudson- oder vielmehr
,,du<z rmlroiril-klnx« l'.tvnnto boots" aufbietet, und er mit seinen gallonirten
Dienern täglich vorüberfährt, sich an dem königlichen Prärogativ den kleinen
Erdensöhnen ihre Kleidertrachten vorzuschreiben, mit wahrhaft hochgcborner
Freude ergötzt; — ist Miß Martineau vou Aegypten zurückgekehrt und hält
mit dem „jungen England" Conferenzen, wie deu arbeitende» Klassen ei¬
nige der Vortheile, die ein civilisirtes Land genießt, in dem Künste und
Wissenschaften frei blühen, zuzuwenden sein möchten. Ihre Absicht ist immer
gut; ihre Motive sind stets ungemischt rein. Sie hat ein Blatt gegründet „Hie
I'tivnl«-'« ^miniiü", für das sie schreibt, damit den geringern Klassen eine
bessere Lectüre werde, als eine Aufzählung der schrecklichsten Verbrechen, wie
sie die aristokratische» Blätter enthalte», und die entweder einen Abscheu vor
dem ganzen Menschengeschlechte einflößen müssen, oder die Einbildungskrast
erhitzend zur Begehung ähnlicher heroisch-tragischer Thaten anreizen. Sie
anch hat Douglas Jerrold ihre Hülfe geliehen den Whittington-Club zu
gründen und ihren Namen als eine der Vorsteherinnen desselben gegeben.
Dieser Club ist darauf berechnet, allen denen zu dienen, die in London vex-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/12>, abgerufen am 06.10.2024.